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Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsumfeld | Macau | Konjunktur
Das alleinige Ausrichten der Ökonomie auf das Kasinogeschäft rächt sich in Zeiten von Corona. Auch die Schaffung einer Travel Bubble sorgt nicht für den erhofften Umschwung.
21.10.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Macau wird nicht umsonst als das Spielerparadies Asiens bezeichnet. Der Spielbanksektor war 2018 laut Angaben des lokalen Statistikamtes zur Hälfte für die Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich. Wenn noch die durch den Fremdenverkehr generierten Leistungen hinzugerechnet werden, ergibt sich sogar ein Anteil von schätzungsweise 60 Prozent.
Im Jahr 2019 kamen rund 40 Millionen ausländische Besucher in die winzige Sonderverwaltungsregion (SVR). Pro Einwohner waren das etwa 60 Touristen per anno. Die meisten Touristen stammen aus der benachbarten Volksrepublik. Sie verbinden ihren Aufenthalt fast immer mit einem Kasinobesuch und – falls sie nicht zu viel verloren haben – mit ausgiebigen Shoppingtouren.
Bisher ist die ehemalige portugiesische Kolonie mit diesem Geschäftsmodell sehr gut gefahren. Gemessen am BIP pro Kopf war sie 2019 mit rund 80.000 US-Dollar (US$) die mit weitem Abstand reichste Volkswirtschaft Asiens. Seit Jahren herrscht Vollbeschäftigung beziehungsweise Arbeitskräfteknappheit. Doch diese Fakten scheinen der Vergangenheit anzugehören, die mit der aktuellen Situation wenig zu tun haben.
Infolge der Coronakrise musste die SVR ihre Grenzen weitgehend schließen. In den Kasinos der Stadt stand das Leben viele Monate lang nahezu still. Die Wirtschaft implodierte förmlich. In den ersten sechs Monaten 2020 sank das BIP gemäß offiziellen Statistiken zusammengerechnet um real 58 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Damit dürfte Macau auch nicht mehr die reichste Volkswirtschaft des Kontinents sein.
Zugegebenermaßen überzeichnen die Einnahmen des Kasinogeschäftes in Normalzeiten den tatsächlichen Wohlstand der Einheimischen. Dadurch wirkt sich der extreme Wirtschaftseinbruch auch nicht in gleichem Maße auf die gesamte Bevölkerung aus. Das monatliche Median-Arbeitseinkommen sank zwischen dem 4. Quartal 2019 und dem 2. Quartal 2020 nominal um etwa 12 Prozent auf umgerechnet knapp 1.900 US$.
Die offizielle Erwerbslosenquote lag im Zeitraum Juni bis August 2020 immer noch bei 2,8 Prozent. Sie dürfte die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt aber nicht annähernd widerspiegeln. Viele Angestellte befinden sich in Kurzarbeit oder müssen unbezahlten Urlaub nehmen. Hinzu kommt die prekäre ökonomische Lage, in der sich viele Besitzer von Restaurants, Geschäften oder Transportunternehmen befinden.
Der Privatkonsum schrumpfte im 1. Halbjahr 2020 real um rund 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das bekam der ohnehin schon unter dem Ausbleiben der Touristen stark leidende Einzelhandel zu spüren. Sein Umsatz sank in den ersten sechs Monaten 2020 auf Jahresbasis um 52,8 Prozent, wobei es zwischen den einzelnen Sparten teils starke Unterschiede gab. Das Geschäft mit Möbeln und Lampen boomte sogar regelrecht. Anscheinend machen es sich die Einheimischen, da sie nicht mehr verreisen können, zu Hause gemütlich.
Seit dem Sommer 2020 hat sich die Lage in Macau ein wenig gebessert. Mit der chinesischen Nachbarprovinz Guangdong wurde ein quarantänefreier Grenzverkehr – eine sogenannte Travel Bubble – ins Leben gerufen. Trotzdem kommen nicht annähernd so viele Touristen in die SVR wie sonst üblich. Während der sogenannten Golden Week Anfang Oktober 2020, wenn sich halb China traditionell auf Reisen begibt, registrierte die lokale Fremdenverkehrsbehörde insgesamt 86 Prozent weniger Ankünfte als noch im Vorjahr.
Der Umschwung dürfte also sehr langsam vonstattengehen. Möglicherweise dauert es noch Jahre, bis ein sorgenfreies Reisen wieder möglich ist. Trotzdem dürfte Macaus Wirtschaft 2021 wieder kräftig wachsen, allerdings vor allem aufgrund des statistischen Basiseffekts. Vom Vorkrisenniveau dürfte die Ökonomie auch dann noch meilenweit entfernt bleiben.
Für ausländische Unternehmen sind das beunruhigende Nachrichten. Die SVR ist mit ihren knapp 700.000 Einwohnern ein eher kleiner Absatzmarkt, auch wenn sie praktisch alle benötigten Waren im Ausland einkaufen muss. Die Einfuhren bestanden in den ersten acht Monaten 2020 zu rund zwei Dritteln aus Konsumgütern. Nahrungsmittel und Getränke, Bekleidung, Mobiltelefone und Pkw machten die größten Warenpositionen aus.
Insbesondere Textilien und Smartphones werden vielfach von chinesischen Touristen gekauft. Da diese Abnehmergruppe nun wegfällt, ist der entsprechende Importbedarf spürbar zurückgegangen. Außerdem wurden deutlich weniger Lebensmittel benötigt. Insgesamt gingen die Gesamteinfuhren der ehemaligen portugiesischen Kolonie im 1. Halbjahr 2020 laut Angaben der Statistikbehörde nominal um 29 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode zurück. Im Juli und August stellte sich aber wieder ein Wachstum ein, sodass sich für die ersten acht Monate 2020 nur noch ein Minus von knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ergab.
Deutsche Ausfuhren nach Macau summierten sich 2019 auf rund 215 Millionen US$ – ein Rückgang von 5 Prozent gegenüber 2018. Zwischen Januar und August 2020 schrumpften die Importe der SVR made in Germany um 9 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Sie bestanden überwiegend aus Arzneiwaren, Elektronik und Elektrotechnik sowie aus Kraftfahrzeugen.