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Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Konjunktur

Wirtschaftslage hellt sich etwas auf

In den Palästinensischen Gebieten zeigt der Konjunkturtrend nach oben. Dennoch dauern zahlreiche Schwierigkeiten noch an. Besonders in Gaza herrscht große Ungewissheit.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Wie die palästinensische Geldbehörde (Palästinian Monetary Authority - PMA) im Oktober 2021 mitteilte, hat sich der Konjunkturindex im September 2021 weiter erholt und einen Wert von -5,3 erreicht. Der Index kann zwischen -100 und +100 variieren, wobei der Nullwert die Grenze zwischen negativer und positiver Wirtschaftsstimmung markiert.

Wirtschaftsstimmung in der Westbank deutlich besser als in Gaza

Mit dem Septemberwert setzte sich die seit dem Höhepunkt der Coronakrise nahezu ununterbrochene Verbesserung der Wirtschaftsstimmung in den palästinensischen Gebieten fort. Zum Vergleich: Im April 2020 war der Indexwert auf -72 eingebrochen.

Bei der Indexumfrage im September 2021 berichteten Unternehmen in der Westbank ebenso wie im Gazastreifen von steigenden Produktions- und Umsatzzahlen und erwarteten für die kommenden drei Monate sowohl höhere Umsätze als auch einen höheren Beschäftigungsstand.

Besonders kräftig hat sich der Konjunkturindex im Gazastreifen erholt. Nach Angaben der PMA trugen vor allem zwei Faktoren dazu bei. Zum einen dehnte Israel die von ihm festgelegten - und zuvor reduzierten - Grenzen der Fischereizone vor der Gaza-Küste aus. Zum anderen ließen die israelischen Behörden die zuvor eingestellten Importe von Baumaterialien wieder zu.

Die Verbesserung bedeutet allerdings keineswegs, dass die Wirtschaftslage in dem von Konflikt und Blockade gezeichneten Landstrich gut wäre. Obwohl sich der Konjunkturindex in Gaza um rund 20 Punkte erhöhte, blieb er mit einem Wert von -34,5 stark negativ.

In der Westbank stieg der Konjunkturindex im September 2021 geringfügig auf 7,1 Punkte. Damit blieb er zum dritten Mal in Folge oberhalb der Nullgrenze.

Impfkampagne hilft, muss aber erweitert werden

Einen weiteren Grund für die anhaltende Erholung der palästinensischen Wirtschaft sieht die Weltbank in der bereits Anfang 2021 von der palästinensischen Nationalbehörde verordneten Lockerung der Corona-Lockdowns. Auch die Impfkampagne gegen das COVID-19-Virus habe, so die Weltbank in einem im Oktober vorgelegten Bericht, die Wirtschaftstätigkeit gestärkt.

Allerdings bleibt die Impfquote noch ausbaubedürftig. Bis Mitte Oktober 2021 war nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung der Palästinensischen Gebiete voll geimpft.

Öffentlicher Sektor federt Krisenfolgen zum Teil ab

Wie im Oktober 2021 veröffentlichte Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigen, erholen sich nicht alle Sektoren im gleichen Tempo. Nach Angaben des palästinensischen Zentralamts für Statistik (Palestinian Central Bureau of Statistics) lag die Wertschöpfung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft im zweiten Quartal 2021 um 1,7 Prozent unter dem im Parallelzeitraum des Vorjahres erzielten Stand. Demgegenüber konnte die Industrie im zweiten Quartal 2021 ihre Wertschöpfung um 16,8 Prozent steigern. Im August 2021 setzte sich ihr Wachstum fort.

Eine kräftige Erholung wurde im Handelssektor verzeichnet, der zu Beginn der Epidemie besonders stark gelitten hatte. Seine Wertschöpfung im zweiten Quartal 2021 lag um 20,3 Prozent über dem des Vorjahreszeitraumes. Im Bauwesen wurde in dem genannten Zeitraum sogar eine Zunahme um 32,5 Prozent erzielt.

Indessen muss betont werden, dass selbst diejenigen Wirtschaftszweige, die sich gegenüber dem Krisentiefststand erholen konnten, das Vorkrisenniveau nicht wieder erreichten. Eine Ausnahme bildeten die Leistungen der öffentlichen Hand. Sie konnten im Verlauf der Pandemie sogar erheblich zulegen.

Die Wertschöpfung der öffentlichen Verwaltung inklusive der Sicherheitskräfte lag im zweiten Quartal 2021 um 18,7 Prozent über dem Stand des ersten Quartals von 2020. Damit konnte der Regierungsapparat die ökonomischen Folgen der Krise für die Bevölkerung zum Teil auffangen. Gleichzeitig aber stellte dies eine Belastung für die öffentlichen Finanzen dar.

Für 2021 rechnet die Weltbank mit einem Anstieg des palästinensischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) real um 3,5 Prozent. Ähnliches Wachstumstempo erwartet sie auch für 2022 und 2023 mit einer BIP-Zunahme um 3,6 bzw. 3,7 Prozent.  Allerdings können die strukturellen und konfliktbedingten Probleme der palästinensischen Wirtschaft durch solche Wachstumsraten kaum behoben werden.

Bei allen Prognosen für die palästinensischen Gebiete herrschen große politische Unwägbarkeiten. Das gilt das vor allem für den Gazastreifen.

Gazas Wirtschaft wartet auf Einigung zwischen Israel und der Hamas

Grundsätzlich erklärt Israel, an einer nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftsverhältnisse in Gaza interessiert zu sein. Indessen macht die israelische Regierung ihre Zustimmung zu einem ökonomischen Entwicklungsplan von der Vereinbarung einer langfristigen Waffenruhe mit der im Gazastreifen de facto regierenden Hamas-Bewegung abhängig.

Soweit bekannt, bestehen trotz der bereits seit Längerem anhaltenden indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas noch immer große Differenzen zwischen den beiden Seiten. Daher lässt sich schwer abschätzen, ob und wann eine Einigung erzielt wird.

Dabei hätten die Wirtschaft und die Bevölkerung des Gazastreifens eine ökonomische Erholung angesichts der katastrophalen humanitären Lage dringend nötig, zumal die Situation in Gaza im Mai 2021 infolge israelischer Militäraktionen weiter erschwert wurde. Laut einer gemeinsamen Schätzung der Weltbank, der EU und der Vereinten Nationen beliefen sich die Infrastrukturschäden und Ausfälle der Wirtschaftstätigkeit auf insgesamt bis zu 570 Millionen US-Dollar. Laut der Schätzung wird das in Gaza erwirtschaftete BIP 2021 infolge des Konflikts um 0,3 Prozent sinken, während die vor Beginn der Kampfhandlungen gestellten Prognosen von einem Wachstum um 2,5 Prozent ausgegangen waren.

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