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Saudi-Arabien hat überraschend angekündigt, zukünftig Regierungsaufträge nur noch an internationale Unternehmen mit regionalem Headquarter im Königreich zu vergeben.
24.02.2021
Von Robert Espey | Dubai
Ab 2024 sollen in Saudi-Arabien ausländische Unternehmen, die ihre regionale Zentrale in einem anderen Land der Region haben, von staatlich finanzierten Projekten ausgeschlossen werden. Bis zum Jahresende sollen die Details dieser Regelung veröffentlicht werden.
Die Ankündigung erfolgte am 15. Februar 2021 und kam unerwartet. Allerdings drängt die saudi-arabische Regierung schon seit Jahren ausländische Firmen, mehr Präsenz im Königreich zu zeigen. Riad war es schon seit Jahren ein Dorn im Auge, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Sitz des RHQ (Regional Headquarters) zu wählen und von dort das Saudi-Arabien-Geschäft zu steuern.
Die saudi-arabische Investitionsförderungsgesellschaft "Invest Saudi" hat ein "Programme Headquarters" aufgelegt, das mit Steuervorteilen und anderen Anreizen für die Verlegung von RHQ ins Königreich wirbt. Im Januar (2021) gaben während des jährlich von Saudi-Arabien organisierten Investment Forums, der Future Investment Initiative, 24 ausländische Firmen bekannt, ihre RHQ nach Riad verlegen zu wollen. Zu den Firmen gehören unter anderem Pepsi, Schlumberger, Bechtel, Boston Scientific, CSG und Tim Hortons.
Schätzungen zufolge sind derzeit nur 5 Prozent der RHQ in Saudi-Arabien angesiedelt, obwohl das Königreich die mit Abstand größte Volkswirtschaft in der GCC-Region (Gulf Cooperation Council) ist. Saudi-Arabien erwirtschaftete 2019 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 793 Milliarden US$. Es folgten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE; 421 Milliarden US$), Katar (183 Milliarden US$), Kuwait (135 Milliarden US$), Oman (76 Milliarden US$) und Bahrain (39 Milliarden US$).
Das geringe Interesse internationaler Firmen, RHQ in Saudi-Arabien zu etablieren, ist unter anderem den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldet. Im Weltbank "Ease of Doing Business 2020" Ranking belegt Saudi-Arabien den 62 Platz (2019: 92), die VAE hingegen liegen auf Rang 16 (11). Im Weltbank-Ranking 2021 dürfte Saudi-Arabien zwar besser abschneiden, aber der Unterschied zu den VAE wird erheblich bleiben.
Nach dem Willen des saudi-arabischen Kronprinzen (und faktischen Herrschers), Mohammed Bin Salman, soll Riad in die Liga der zehn weltweit führenden Wirtschaftsmetropolen aufsteigen. Zur Erreichung dieses Ziels sollen 220 Milliarden US$ investiert werden.
Die Datenbank MEED Projekt weist für den Fünfjahreszeitraum 2016 bis 2020 in Saudi-Arabien den Gesamtwert der vergebenen Projekte mit 159 Milliarden US$ aus, davon entfielen 111 Milliarden US$ auf Vorhaben öffentlicher Träger. Die VAE weisen allerdings ein höheres Projektvolumen aus. In den fünf Jahren wurden in den VAE Projekte im Wert von 187 Milliarden US$ vergeben, der staatliche Anteil lag bei 78 Milliarden US$.
Firmen ohne RHQ in Saudi-Arabien sollen nun ab 2024 von Projekten, die aus Mitteln des Finanzministeriums bezahlt werden, ausgeschlossen sein. Unklar ist, ob Geschäfte mit staatlich kontrollierten Unternehmen in privater Rechtsform ebenfalls betroffen sind. Hier wäre die seit 2019 börsennotierte Ölgesellschaft Aramco das wichtigste Unternehmen. Private Projekte ohne staatliche Beteiligung sollen in jedem Fall nicht unter die RHQ-Regelung fallen.
Die Royal Commission for Riyadh City strebt an, innerhalb der nächsten zehn Jahre etwa 500 RHQ in der Hauptstadt anzusiedeln. Schwerpunkt der Ansiedelung soll der im Bau befindliche, 10 Milliarden US$ teure King Abdullah Financial District (KAFD) sein. Dort sind insgesamt 59 Büro- und Apartment-Hochhaustürme auf einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratmeter geplant.
Große Teile des KAFD wurden bereits fertiggestellt. Einige Gebäude sind schon bezogen. Mit 385 Metern und 80 Etagen ist der PIF Tower (Public Investment Fund) das höchste Gebäude im KAFD. Mit den Planungen für den KAFD wurde 2006 begonnen, mit dem Abschluss aller Bauarbeiten wird frühestens 2024/25 gerechnet.
Der KAFD war zunächst als "Financial Free Zone" geplant, soll aber nun als "Commercial Free Zone" breit aufgestellt werden. Als Anreize werden unter anderem eine Befreiung von der Körperschaftsteuer für 50 Jahre sowie eine Befreiung von Saudisierungsvorschriften (Mindestquoten für die Beschäftigung von Einheimischen) für zehn Jahre angeboten.
Saudi-Arabien liegt in den internationalen Rankings zur Lebensqualität deutlich hinter den VAE zurück. Im jährlich veröffentlichten Mercer "Quality of Living City Ranking" rangierte Riad 2019 (Corona-bedingt wurde 2020 kein Bericht erstellt) auf Platz 164, Jeddah auf 168. Insgesamt wurden 240 Städte bewertet.
Die beiden saudi-arabischen Städte bildeten die Schlusslichter in der GCC-Region. Die VAE-Städte Dubai (Position 74) und Abu Dhabi (78) lagen im GCC-Vergleich vorn, gefolgt von Muscat/Oman (105), Doha/Katar (110), Kuwait City (126) und Manama/Bahrain (136). Das Mercer Ranking wird von vielen internationalen Unternehmen als Leitlinien für die Entlohnung entsandter Mitarbeiter genutzt.
Im "Deutsche Bank Liveability Survey", der 56 Städte listet, belegte Dubai im "Quality of Life" Ranking 2019 Platz 17, Riad Position 25. Auch im "Global Liveability Ranking" der EIU (Economist Intelligence Unit) liegen Abu Dhabi und Dubai klar vor Riad.
Riad wird den Abstand zu den anderen GCC-Metropolen verringern können. Die Lebensqualität steigt unter anderem durch die Lockerung islamisch-konservativer Beschränkungen des öffentlichen Lebens, den Aufbau einer Freizeit- und Unterhaltungsindustrie oder die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (neues Metro-System etc.).
Dennoch wird aus der Perspektive der westlichen Expat-Community die Lebensqualitätsdifferenz zu Dubai und Abu Dhabi auch zukünftig signifikant bleiben. Für internationale Firmen dürfte es eine Herausforderung bleiben, das notwendige Personal für RHQ in Riad zu rekrutieren.