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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die höhere Arbeitslosigkeit und coronabedingte Einschränkungen bei der Migration erleichtern Unternehmen die Personalsuche. Der Fachkräftemangel bleibt eine Herausforderung.

Von Fabian Nemitz | Kiew

In der Coronapandemie geriet der Arbeitsmarkt der Ukraine stark unter Druck. Im 1. Quartal 2021 erreichte die Arbeitslosenquote mit 10,4 Prozent einen neuen mehrjährigen Höchstwert. Vor Jahresfrist hatte die Quote noch bei 8,5 Prozent gelegen. Nach Berechnungen der International Labour Organization (ILO) betrug die Zahl der Arbeitslosen im 1. Quartal 2021 rund 1,8 Millionen.

Die ukrainische Regierung ergriff verschiedene Maßnahmen, um die Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt abzumildern. German Economic Team zufolge zählen hierzu die Einführung gesetzlicher Bestimmungen für Telearbeit und bessere Möglichkeiten für Kurzarbeit. Höhere Investitionen in die Verkehrswege trugen ebenfalls dazu bei, die Beschäftigung zu stützen.

Die Arbeitslosigkeit dürfte im Zuge der Konjunkturerholung künftig wieder sinken. Die Nationalbank rechnet für das Gesamtjahr 2021 mit einer Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent. Bis 2023 könnte sie auf 8,4 Prozent zurückgehen.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (in Mio.; Stand: 1. Januar 2021)

41,41)

Erwerbspersonen

(Bevölkerung älter als 14 und jünger als 65 Jahre, in Mio.; Stand: 1. Januar 2021)

27,91)

Erwerbstätige (in Mio.; Jahresdurchschnitt 2020)

16,21)

Arbeitslosenquote, offizielle

(in %, nach ILO-Definition; 1. Quartal 2021)

10,4

Analphabetenquote (in %; Stand: 2015)

0,2

Universitätsabschluss (in %)

27,01)2)

1) ohne Berücksichtigung der von Russland annektierten Krim und der Stadt Sewastopol; 2) Anteil der Einwohner im Alter von 15 bis 70 Jahren mit abgeschlossener Hochschulbildung an der Gesamtzahl der wirtschaftlich aktiven und nicht-aktiven BevölkerungQuelle: Ukrainischer Statistikdienst (Derzhstat); CIA Factbook

Öffnung der Grenzen könnte Personalknappheit wieder verschärfen

Eine höhere Arbeitslosigkeit und pandemiebedingte Einschränkungen bei der Arbeitsaufnahme im Ausland ließen einer Studie von KPMG zufolge den Personal- und Fachkräftemangel in den Hintergrund treten. Firmenchefs nannten Personalmangel bei den größten Herausforderungen für das Wachstum ihrer Unternehmen nur an vierter Stelle. In den Umfragen 2018 und 2019 hatte er noch auf dem ersten Platz gelegen.

Bei einer Öffnung der Grenzen nach dem Abflauen der Pandemie und Erholung der Wirtschaft dürfte der Mangel jedoch schnell wieder akut werden. Die schwere Wirtschaftskrise 2014/15, die Öffnung der Arbeitsmärkte in Ländern der Europäischen Union (EU) sowie die Erteilung der Visafreiheit für den Schengenraum im Sommer 2017 hat die Emigration aus der Ukraine beschleunigt. Schätzungen zufolge gehen bis zu 5 Millionen Ukrainer einer Tätigkeit im Ausland nach, davon ein großer Teil saisonal. Rund 1,5 Millionen Ukrainer arbeiten in Polen. Wichtige Motive für die Emigration sind fehlende gute Jobs im Inland und höhere Löhne sowie die Hoffnung auf bessere langfristige Perspektiven im Ausland.

Die Geldtransfers in die Ukraine erreichten 2020 mit 12,1 Milliarden US-Dollar (US$) einen Wert von rund 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auswanderung und Braindrain schwächen jedoch auch das Entwicklungspotenzial der Ukraine mit ihrer ohnehin ungünstigen demografischen Situation.

Regierung will Rentensystem reformieren

Die Herausforderungen an das Rentensystem sind groß. Die Regierung plant die Einführung einer kapitalgedeckten Rente. Das Rentenalter wird seit 2011 schrittweise angehoben. Seit April 2021 liegt es für beide Geschlechter bei 60 Jahren, wenn mindestens 28 Jahre Beiträge geleistet wurden. Eine Anhebung der erforderlichen Beitragsjahre wird diskutiert. Bei einer durchschnittlichen Rente von umgerechnet rund 100 Euro pro Monat bleiben viele Menschen auch nach Erreichen des Rentenalters arbeitstätig.

Die Probleme der Rentenkassen werden durch die weite Verbreitung informeller Beschäftigung erschwert. Wirtschaftsminister Oleksij Ljubtschenko gab bekannt, dass 11,3 Millionen offiziell Beschäftigten fast 11 Millionen Menschen ohne offizielles Einkommen und weitere mehr als 11 Millionen Rentner gegenüberstehen. Im Jahr 2020 lag die Zahl der informell Beschäftigten bei 3,3 Millionen. Dies entspricht einem Anteil von 20,5 Prozent aller Erwerbstätigen (2015: 26,2 Prozent).

Berufliche Ausbildung weist geringen Praxisbezug auf

Die Ukraine verfügt trotz Auswanderung im Vergleich zu vielen Ländern in Ostmitteleuropa weiterhin über große Ressourcen an Humankapital. Dies gilt besonders für die Zentral- und Ostukraine, sagt Serhij Ziwkatsch, der Leiter von UkraineInvest. Pluspunkte sind auch die starken Traditionen in Mathematik und Technik. Jährlich erhalten mehrere Zehntausend Studierende in ingenieurwissenschaftlichen und IT-Studiengängen einen akademischen Grad. Bei der Zahl der Deutschlernenden steht die Ukraine weltweit auf Platz fünf.

Fehlende finanzielle und technische Ausstattung, veraltete Lehrpläne und ein geringer Praxisbezug verursachen Probleme im Bildungssystem. Eine duale Berufsbildung existiert nicht. Ein großer Teil der Hochschulabsolventen arbeitet nicht qualifikationskonform. Die Weltbank und Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützen die Ukraine bei der Modernisierung des Bildungssystems. Die AHK Ukraine engagiert sich in der dualen Ausbildung.

Trotz hoher Arbeitslosigkeit ist es für Firmen in vielen Bereichen schwer, Fachkräfte zu finden. Dies gilt für Berufe wie Elektriker, Schweißer oder Maschinenführer bis hin zu Managementpositionen. Eine Herausforderung ist das geringe Prestige von Arbeiterberufen.

Kaum Arbeitsniederlegungen

Die wichtigsten Gewerkschaften sind die Föderation der Gewerkschaften der Ukraine und die Konföderation der freien Gewerkschaften der Ukraine. Streiks sind selten und in der Regel begrenzt auf den Bergbau und die Metallindustrie.

Personalakquise über Jobportale, Agenturen und soziale Netzwerke

Bei der Personalsuche nutzen lokale und ausländische Firmen Jobportale oder - vor allem für die Besetzung von Führungspositionen - die Angebote professioneller Dienstleister. In der Ukraine sind mehrere internationale Personalvermittler tätig. Die AHK Ukraine ist bei der Personalsuche nach Führungskräften und Handelsvertretern behilflich.

Abgesehen von der Zeitung Kyiv Post, in der überwiegend internationale Organisationen inserieren, spielen Zeitungsannoncen heute kaum noch eine Rolle. Umso wichtiger sind Jobportale. Genutzt werden auch soziale Medien sowie Kontakte auf beruflicher oder privater Ebene.

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