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USAKonjunktur / Außenwirtschafts-, Industriepolitik
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsumfeld | USA | Machtwechsel in Washington
Joe Biden heißt der neu gewählte US-Präsident. Wirtschaftspolitisch muss er für Vollbeschäftigung und gefüllte Auftragsbücher sorgen.
15.01.2021
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
Am 20. Januar tritt Joe Biden sein Amt als US-Präsident an. Und der Erwartungsdruck ist hoch.
Während seines Wahlkampfes sprach Joe Biden von einer etappenweisen Dekarbonisierung der Wirtschaft, vom Frackingverbot auf Land im Bundesbesitz, von einer Rückführung der Steuervergünstigungen für die Öl- und Gasindustrie, von der höheren Besteuerung großer Korporationen und Bezieher hoher Einkommen, im Gegenzug aber auch von Bildungs- und Gesundheitsinitiativen, von einer breiten Technologieförderung und von der Modernisierung der Infrastruktur.
Nicht alles wird Joe Biden auf Anhieb umsetzen können, manches vielleicht auch gar nicht. Insbesondere dann, wenn zur Änderung bestehender oder zur Annahme neuer Gesetze im gespaltenen Senat faktisch die Stimmen von 60 der 100 Senatoren benötigt werden. Derzeit sind 50 Demokraten im Senat vertreten und es ist nicht einmal ausgemacht, dass die Demokratische Senatsfraktion Joe Biden in jeder Frage geschlossen folgt. Nicht zuletzt wird der neue Präsident mit Priorität die Eindämmung der zweiten Welle der Coronapandemie in den USA verfolgen.
Den Europäern versprach Biden einen einvernehmlichen Ton bei der Suche nach Kompromissen, ebenfalls ein koordiniertes Vorgehen im Dreiecksverhältnis zu China. Ob er seinerseits auf das erste Angebot der Europäischen Union eingeht und Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen für Industrieerzeugnisse zustimmt, bleibt vorerst ungewiss.
Zumindest dürfte aber die Gefahr von Sonderabgaben auf Automobilimporte aus Europa vom Tisch sein. Und dennoch wird auch unter Joe Biden ein Stück Protektionismus fortbestehen, zumindest in einer Light-Version. Denn er muss liefern, nicht nur gegenüber seinen Wählern, sondern auch gegenüber den 70 Millionen Amerikanern, die für Donald Trump gestimmt haben. Deutsche Firmen können mit Barrieren umgehen - wenn sie beständig und kalkulierbar bleiben.
Es ist davon auszugehen, dass ab 2021 die Nachfrage nach Technologiegütern zum Ausbau der alternativen Energieversorgung wachsen wird, ebenso zur Reinhaltung von Luft, Wasser und Boden sowie zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden. Denn der neue US-Präsident will sich für den Abbau des CO2-Ausstoßes einsetzen.
Die deutsche Wirtschaft hat hier insbesondere Geschäftschancen bei der Planung und Ausrüstung von Offshorewindparks sowie bei der energieeffizienten Sanierung des überalterten Immobilienbestands, dabei vor allem bei der Planung und beim Bau von Aktiv- und Passivhäusern.
Das Interesse an Automatisierungslösungen ist während der Pandemie rasant gestiegen, zum einen zur Effizienzsteigerung der Unternehmen. Zum anderen aber auch, weil sich dadurch der Mindestabstand zwischen den Arbeitsplätzen erhöhen lässt, was wiederum eine Voraussetzung darstellt, um während der Pandemie weiterarbeiten zu können. Immer mehr Mittelständler in den USA interessieren sich für Automatisierungstechnik. Auch von dieser Entwicklung können der deutsche Maschinenbau sowie die deutsche Elektroindustrie profitieren.
Zusätzlich dürfte dem deutschen Maschinenbau Bidens Strategie zur Reindustrialisierung der USA entgegenkommen. Schließlich ruft der Kapazitätsaufbau eine nicht unerhebliche Nachfrage nach Kapitalgütern hervor. Joe Biden setzt vor allem auf neue Produktionen und erst zweitrangig auf die Rückkehr von Industrien, die schon vor Jahrzehnten abgewandert sind. Fördern möchte Biden Investitionen vor allem mit günstigen Abschreibungsmöglichkeiten. Unternehmen, die aber weiterhin Produktionen ins Ausland verlagern und von dort ihre eigenen Erzeugnisse importieren, kündigte er höhere Steuersätze an.