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E-Commerce
Vietnams Onlinehandel profitiert von der Pandemie. Der Wettbewerb ist hart. Für deutsche Unternehmen ist der Online-Verkauf in Vietnam noch schwierig.
11.02.2021
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Vietnams Onlinehandel expandiert massiv. 2019 erreichten die Umsätze dem Vietnam E-Commerce Whitebook zufolge 10 Milliarden US-Dollar (US$). Dies entspricht seit 2015 einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum von mehr als 25 Prozent.
Die vietnamesische E-Commerce-Agentur VECOM prognostiziert, dass die E-Commerce-Umsätze von einem Einzelhandels-Marktanteil von 4,6 Prozent im Jahr 2019 auf mehr als 10 Prozent im Jahr 2025 ansteigen werden.
Umsatzentwicklung E-Commerce in Vietnam (in Milliarden US-Dollar)
Jahr | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
---|---|---|---|---|---|
Umsatz 1) | 4,07 | 5,0 | 6,2 | 8,06 | 10,08 |
Soziale Medien bieten schnellen Einstieg ins Online-Geschäft
Die Coronapandemie hat den städtischen Trend zum Online-Kauf beschleunigt. Kunden und Unternehmen des Landes haben sich in der Krise rapide auf den Kauf vom Sofa umgestellt. Gerade die Bereiche Nahrungsmittel und Essenslieferungen haben unabhängig von der Geschäftsgröße ihr stationäres Verkaufsmodell um die Möglichkeit von Internetbestellungen ergänzt. Dabei wird in den meisten Fällen auf eine mehr oder weniger aufwändige Registrierung auf etablierten Verkaufsplattformen verzichtet.
Die großen Onlinehändler, aber auch erste Supermarktketten wollen mit neuen Modellen Kunden gewinnen und halten. Vinmart und Saigon Co.op testen ein Scan&Go Modell. Kunden scannen QR-Codes von gewünschten Produkten entweder im Geschäft oder von Werbeanzeigen, bezahlen mit einer E-Börse und wählen die Art der Auslieferung.
Plattformen liefern sich einen harten Wettkampf
Mode, Körperpflegeprodukte und Verbraucherelektronik zählen zu den meist verkauften Artikeln. Um vor Fälschungen geschützt zu sein, gehen Kunden gerade für hochpreisige Artikel eher auf die Seiten renommierter Plattformen als über Social Media.
Wichtigste Produktgruppen im Onlinehandel 2020
Produktgruppe/Sparte | Umsatz 2020 (in Mio. US$) | Veränderung 2020/2019 (in %) |
---|---|---|
Elektronik und physische Medien | 1.570 | 32,6 |
Mode und Schönheitsprodukte | 1.440 | 37,2 |
Möbel und Haushaltsgeräte | 1.090 | 33,6 |
Nahrungsmittel und Körperpflegeprodukte | 1.020 | 45,9 |
Spiele, Werkzeug und Hobby | 917 | 34,9 |
Die wichtigsten produktübergreifenden E-Commerce-Plattformen sind die Alibaba-finanzierte Plattform Lazada, die durch Tencent mitfinanzierte Plattform Shopee, das vom chinesischen Internethändler JD.com unterstützte Verkaufsportal Tiki sowie die FPT-Plattform Sendo. Im Bereich Elektronik sind Mobile World sowie May Xanh führende Anbieter. Informelle Plattformen wie Facebook, zunehmend auch Zalo und Instagram, sind gerade für Klein- und Kleinsthändler noch einer der beliebtesten Marktplätze. So sind laut VECOM 39 Prozent an Unternehmen auf sozialen Netzwerken aktiv, lediglich 17 Prozent hingegen auf formellen Plattformen.
Die gefragtesten Anbieter 2019
Anbieter | Seitenaufrufe 2019 pro Monat (in Mio.) | Sortiment/ Eigenvertrieb und/oder Fremdanbieter |
---|---|---|
Shopee | 33,6 | Alles/Fremdanbieter |
Mobile World | 29,3 | Elektronik/Eigenvertrieb |
Sendo | 26,9 | Alles/Fremdanbieter |
Tiki | 24,4 | Alles/Fremdanbieter |
Lazada Vietnam | 23,8 | Alles/Fremdanbieter |
Dien May Xanh | 10,6 | Elektronik, Haushaltsgeräte/Eigenvertrieb |
FPT Shop | 8,4 | Elektronik/Eigenvertrieb |
Auch unabhängige Verkaufsportale von Einzelhändlern und Eigenmarkenshops gewinnen an Bedeutung. Immer mehr Unternehmen haben, auch getrieben durch im Zuge der Pandemie geändertes Einkaufsverhalten, ihre Netzpräsenz ausgebaut und verkaufen sowohl im Ladengeschäft als auch über hauseigene Internetshops.
Der Wettbewerb ist hart, der Markt konsolidiert sich laufend. Eine Vielzahl von Plattformen, wie Lotte.com oder Adayroi, der E-Commerce-Arm der Vingroup, haben sich aus dem Markt zurückgezogen. Amazon hatte bereits 2018 angekündigt, mit einer eigenen Plattform auf den Markt zu kommen, hat diese Ankündigungen aber noch nicht umgesetzt.
E-Commerce ist bislang ein städtisches Phänomen
Laut dem E-Commerce-Report 2020 der Vicom tätigten 2019 die Einwohner von Hanoi und Ho Chi Minh City (HCMC), knapp 18 Prozent der Gesamteinwohner Vietnams, 70 Prozent aller E-Commerce-Einkäufe. Dieser Anteil ist seit 2016 stabil. Außerhalb der beiden städtischen Metropolen sind selbst einfache Online-Angebote wie Essenslieferdienste noch wenig verbreitet.
Die vietnamesische E-Commerce-Kundschaft ist jung und internetaffin. Das Smartphone ist das Recherchetool der Wahl. Vietnamesische Kunden sind preisbewusst und informieren sich genau über anstehende Angebote, sowohl auf formellen als auch informellen Verkaufsplattformen.
Rund 84 Prozent aller Zahlungen erfolgen nach wie vor im Wege der Barzahlung bei Annahme. Die Verweigerung der Annahme, ob aus Qualitäts- oder Geschmacksgründen ist üblich. Zwar versuchen Unternehmen, die Kunden zur elektronischen Zahlung zu überzeugen und arbeiten zu diesem Zweck mit Anbietern elektronischer Zahlungsdienstleister zusammen oder entwickeln eigene, nicht bank- oder kontogebundene elektronische Zahlungs-Anwendungen.
Die Kunden hingegen möchten sich gerade beim elektronischen Einkauf erst davon überzeugen, dass das erhaltene Produkt in Qualität und Beschaffenheit tatsächlich dem Bestellten entspricht. Denn der Umtausch von über E-Commerce-Plattformen gekaufter Ware ist meist lediglich theoretisch machbar, auf informellen Plattformen in aller Regel aber unmöglich.
Zugang zu Online-Marktplätzen für deutsche Unternehmen noch schwierig
Gerade im Bereich Pflege-, Kosmetik- und Kinderprodukte besteht ein attraktiver Markt für deutsche Anbieter. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten ist groß. Drogeriemärkte sind im Land nicht etabliert. Deutsche Kosmetika sind in Vietnam bekannt und genießen einen hervorragenden Ruf.
Für deutsche E-Commerce-Anbieter aber gestaltet sich der Markteinstieg schwierig. Zwar erlauben die großen Plattformen, allen voran Lazada, ausländischen Anbietern grundsätzlich den Verkauf auf ihrer Plattform. Allerdings muss der Anbieter in Vietnam grundsätzlich über eine Vertriebslizenz verfügen. Gerade die Versendung kleiner und Kleinstlieferungen aus Deutschland lohnt sich kaum. Zu hoch sind die Transportkosten zwischen Vietnam und Deutschland, zu komplex die regulative Abwicklung.
Einige Anbieter, wie Fado.com, springen in die Bresche, indem sie Kunden in Vietnam durch eine Anbindung an ausländische E-Commerce-Plattformen wie Amazon ermöglichen, Waren im Ausland einzukaufen, allerdings mit erheblichen Preisaufschlägen.
Kontaktadressen
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Agentur für E-Commerce und Digitalwirtschaft, zugeordnet dem Ministry of Industry and Trade | |
Verband für Internet- und Telekommunikationsunternehmen | |
Informations- und Kommunikationsministerium | |
E-Commerce-Verband |