Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Russland | Zahlungsverhalten und Kreditsicherung

Bonität

Vor Abschluss eines Vertrages sollten russische Geschäftspartner sorgfältig geprüft werden. Wichtige Basisinformationen gibt es online. Detailauskünfte sind meist kostenpflichtig.

Von Gerit Schulze | Moskau

Zahlungsmoral und Bonitätsprüfung

Eine Bonitätsprüfung russischer Kunden ist dringend erforderlich, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Anfang 2021 standen rund 28 Prozent der Unternehmen am Rande des Bankrotts, ermittelte das Moskauer Zentrum für sozioökonomische Forschungen. Das größte Risiko bestehe in der Schwerindustrie, in der Textil- und Bekleidungsbranche, in der Lebensmittelverarbeitung sowie im Transport- und Lagersektor.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen war 2020 um ein Fünftel auf unter 10.000 gesunken, maßgeblich jedoch wegen des von der Regierung als Anti-Krisenmaßnahme verhängten Insolvenzmoratoriums. Ein Viertel der Insolvenzanträge entfiel auf den Handel, gefolgt von Baufirmen, Immobiliendienstleistern und dem verarbeitenden Gewerbe. Experten erwarten 2021 einen Anstieg der Firmenbankrotte um mehr als 20 Prozent. Angaben zu laufenden Verfahren finden sich im Einheitlichen Föderalen Insolvenzregister.

Coronakrise beeinflusst Zahlungsverhalten kaum

Deutsche Unternehmen berichten, dass die Zahlungsmoral der russischen Kunden durch die Coronakrise kaum leidet. Da die Rezession moderat ausfiel und viele Branchen dank staatlicher Aufträge wieder florierten, sei die Praxis vergleichbar mit dem langjährigen Durchschnitt.

Der Finanzdienstleister EOS stellte bei seiner letzten Erhebung „Europäische Zahlungsgewohnheiten“ 2019 fest, dass 89 Prozent aller Rechnungen bei B2B-Geschäften in Russland pünktlich bezahlt werden. Der Wert liegt über dem europäischen Durchschnitt von 81 Prozent. Etwa zehn Prozent der Zahlungen gehen verspätet ein. Ein Zahlungsausfall betrifft ein Prozent der Geschäfte. 

Experten verweisen darauf, dass die vermeintlich gute Zahlungsdisziplin in Russland mit den Sicherungsmaßnahmen der Kreditgeber zusammenhängt. Lieferanten verlangen hohe Vorauszahlungen, arbeiten mit sehr kurzen Zahlungsfristen und schließen Verträge häufig nur mit vertrauenswürdigen Unternehmen.

Das bestätigt Viktor Spakow, Leiter der Rechtsabteilung bei der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau: „Die deutschen Unternehmen prüfen heute vor Vertragsabschluss intensiver als früher ihre Geschäftspartner. Das ist aus unserer Erfahrung sehr zu empfehlen.“ Wenn eine Firma häufig die Geschäftsleitung, Anschrift oder Kontoverbindung wechselt, seien finanzielle Beziehungen mit diesem Partner „mit größter Vorsicht zu behandeln“, warnt die AHK.

Viele Informationen online zugänglich

Wer über Sprachkenntnisse verfügt, kann einen ersten Überblick zu russischen Kunden schnell im Internet bekommen. Die Steuerbehörde ermöglicht online einen Einblick in den Handelsregisterauszug. Dort finden sich Angaben zur Geschäftsadresse, zu den Gründern, zum Stammkapital und zum Generaldirektor. Dieses staatliche Register der juristischen Personen (russische Abkürzung: EGRJuL) wird täglich aktualisiert.

Detailliertere Informationen sammeln kommerzielle Datenbanken. Sie bieten gegen Gebühr Zugriff auf Umsatz- und Gewinnzahlen, auf Vertragspartner bei Geschäftsabschlüssen, auf Strafzahlungen in der Vergangenheit oder auf laufende Gerichtsverfahren. Zu den bekanntesten Anbietern gehören Spark-Interfax und Kontur.Focus.

Für Recherchen in den Datenbanken sind die Steuernummer der russischen Firma (INN) oder die staatliche Registriernummer (OGRN) hilfreich. Ob ein Geschäftsführer unterschriftsberechtigt ist, kann in der Satzung (Ustav) des Unternehmens nachgelesen werden.

Auskunfteien informieren über Kredithistorie

Kostenpflichtige Bonitätsprüfungen bietet beispielsweise die AHK Russland an. Sie beinhalteten ein Risikorating, eine Empfehlung für die maximale Kredithöhe sowie Angaben zu den Verbindlichkeiten des Unternehmens. Außerdem überprüft die AHK, ob russische Geschäftspartner von den EU- oder US-Sanktionen betroffen sind.

In Russland stellen mehrere Auskunfteien wirtschaftsrelevante Daten über Privatpersonen und Unternehmen zur Verfügung. Im staatlichen Register der „Büros für Kredithistorie“ waren Ende April 2021 neun Unternehmen registriert. Zum 1. Januar 2021 wurde der neue Status „Qualifiziertes Büros für Kredithistorien“ (KBKI) eingeführt. Diese Wirtschaftsauskunfteien sollen von der Zentralbank besonders streng beaufsichtigt werden und erhalten dafür ausführlichere Informationen über Geschäftsabschlüsse von Schuldnern. 

Auch internationale Auskunfteien sind in Russland tätig. Der US-Dienstleister Dun & Bradstreet arbeitet dabei mit der lokalen Agentur Interfax zusammen. Die deutsche Unternehmensgruppe Creditreform bearbeitet den Markt zurzeit über ihre Niederlassung in Riga (Lettland).

Absicherung von Zahlungsausfällen

Faule Kredite sind in Russland aktuell kein gravierendes Problem. Nach Angaben der Zentralbank waren Anfang März 2021 rund 6,2 Prozent des ausstehenden Kreditvolumens notleidend. Vor Ausbruch der Coronapandemie im Januar 2020 waren es 6,0 Prozent. Drei Viertel der überfälligen Zins- und Tilgungsraten entfallen auf Bankdarlehen an Unternehmen, ein Viertel auf natürliche Personen.

Der Kreditversicherer Euler Hermes schätzt das Risiko von Zahlungsausfällen dennoch als recht hoch ein. Laut „Collection Profile Russia“ vom März 2021 sind Verzögerungen „ziemlich häufig“. Im Risikorating von Euler Hermes liegt Russland zurzeit mit der Bewertung C3 auf dem Niveau von Burkina Faso, Kambodscha und Vietnam.

Hohe Vorauszahlungen schützen vor bösen Überraschungen

Deutsche Unternehmen sichern ihre Lieferungen durch eine intensive Prüfung ihrer Geschäftspartner und durch hohe Vorauszahlungen ab. Wenn Zahlungen ins Stocken geraten, sollte die Auslieferung oder Erbringung von vereinbarten Leistungen sofort gestoppt werden. 

Hat ein Unternehmen in Russland Insolvenz angemeldet, so ist die Chance auf Schuldenbegleichung äußerst gering. Kreditgeber bekommen im Zuge von Insolvenzverfahren in der Regel maximal fünf Prozent ihrer Forderungen zurück, ermittelte die Ratingagentur NKR.

Als Sicherungsmittel sieht das russische Zivilgesetzbuch unter anderem Vertragsstrafe, Pfand, Zurückbehaltungsrecht und Bürgschaft vor.

Dieser Inhalt gehört zu

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.