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Wirtschaftsausblick | Schweiz

Mäßiges Plus, keine Rezession

Die Wirtschaft der Schweiz entwickelt sich stabil, aber unter ihrem Potenzial. Dem Privatkonsum geht etwas die Luft aus, der Export könnten 2024 wieder steigen. 

Von Oliver Döhne | Bonn

Wirtschaftsentwicklung: Konsum lässt als Motor nach

Lange schien es so, als könne sich die Schweiz konjunkturell deutlich besser halten als viele andere europäische Länder. Schließlich haben fast alle Arbeit, verdienen meist gut, kauften in der Phase nach dem Covid-Ausnahmezustand ausgiebig ein und auch die Preise stiegen nicht ganz so stark wie im europäischen Umland. Dennoch fielen die Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2023 gegen Jahresende immer dürftiger aus und sanken zuletzt unter die 1-Prozent-Marke. Auch für 2024 sehen Experten allenfalls einen kleinen Aufwärtstrend, wobei sich die Rolle des Konjunkturmotors leicht vom Konsum zum Export verlagert. 

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Verfügbares Einkommen stagniert

Die Inflation zeigt sich zäher als erwartet. Unter anderem bei Mieten und Strompreisen entsteht Druck. Auch die Krankenversicherungsprämien werden 2024 erneut teurer. Mit Lohnsteigerung über die Teuerungsrate hinaus rechnen Analysten erst wieder 2025, so dass die verfügbaren Einkommen vorerst stagnieren. Selbst wenn die Konjunkturforschungsstelle KOF den Konsum auch 2024 als "Stützpfeiler der Konjunkturentwicklung" sieht und im Detailhandel mit mehr Nachfrage rechnet, notfalls aus Erspartem, scheint die Dynamik etwas nachzulassen. Dies bestätigen auch Konsumentenumfragen im Oktober 2023, die auf mehr Zurückhaltung bei den Verbrauchern hindeuten. Der Arbeitsmarkt wird sich hingegen auch 2024 gut entwickeln. 

Insgesamt bleibt die Schweiz für viele Konsumgüter ein aufnahmefähiger Markt. Die wachsende Importnachfrage 2023 nach Lebensmitteln und Getränken, Kfz aber auch nach Medizin und Kosmetik wird sich wohl auch 2024 fortsetzen. Die alternde Bevölkerung benötigt in zunehmenden Maße Medizintechnik, ein Beispiel ist die Augenoptik. Den Rückstand bei der Digitalisierung im Gesundheitssektor will die Regierung mit einem neuen Programm aufholen. 

Exportzuwachs ab Mitte 2024, Investitionen könnten nachziehen

Mit ihrem kleinen Binnenmarkt hängt die Schweiz in besonderem Maß vom Export und der Konjunktur auf wichtigen Absatzmärkten wie Deutschland, China und USA ab. Mit mehr Nachfrage aus dem Ausland rechnen Beobachter aber erst wieder in der 2. Jahreshälfte 2024, weshalb viele Unternehmen Investitionen aufschieben, zumal die Finanzierungskosten gestiegen sind. Leicht positiv könnte sich hier der Wegfall der Zölle auf Industriegüter ab dem 1. Januar 2024 auswirken, die aber auf Lieferungen aus der EU ohnehin in der Regeln nicht anfallen. 

Die wichtige chemisch-pharmazeutische Industrie, die rund 40 Prozent des schweizerischen Exports stellt, muss sich nach hohen Investitionen in Covid-Impfstoffe leicht neuorientieren. Für den Import von Maschinen und Anlagegütern rechnen Experten insgesamt eher mit einer verhaltenen Entwicklung. Zumindest bei den Bauinvestitionen zeichnet sich nach dem schwachen Jahr 2023 ein Aufwärtstrend ab. Lieferengpässe scheinen überwunden, Einkaufspreise lassen nach und Aufträge sind ausreichend vorhanden. Allerdings findet die Bauindustrie, wie auch die verarbeitende Industrie, kaum noch qualifizierte Arbeitskräfte. 

Im Energiesektor will die Schweiz weniger vom Importen abhängen, falls es erneut zu Engpässen kommt und die EU womöglich sparsamer liefert. Dazu hat die Regierung Genehmigungsverfahren für Solar- und Windenergie vereinfacht. Im Klimaschutz begleitet das Land den Green Deal der EU und ergreift Maßnahmen der Dekarbonisierung, wenn auch etwas weniger enthusiastisch als in Deutschland. Zumindest die E-Mobilität ist auch in der Schweiz in Bewegung gekommen. 

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Top-Thema: Tauziehen mit der EU

Im Jahr 2024 will die Schweiz die Verhandlungen mit der EU über die zukünftigen bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wieder aufnehmen, die sie 2021 abgebrochen hatte. Knackpunkt ist zum einen, dass die Schweiz verhindern will, dass EU-Unternehmen in einem liberalisierten Dienstleistungshandel im Hochlohnland Schweiz zu Dumpingpreisen anbieten. Dies wird bislang durch strenge, penibel überprüfte und sanktionierte Auflagen ("flankierende Maßnahmen") verhindert. Zum anderen ist die Schweiz gegen eine automatische Übernahme von aktualisiertem EU-Recht und wehrt sich gegen den EU-Gerichtshof als höchsten Streitschlichter. 

Als Folge des Abbruchs der Verhandlungen laufen nach und nach verschiedene Sektorabkommen aus. Für Unternehmen bedeutet dies einen bürokratischen Mehraufwand, so geschehen, durch den Wegfall der gegenseitigen Anerkennung von Produktionsstandards für Medizintechnik. Auch kann die Schweiz zurzeit nicht mehr an Forschungs- und akademischen Austauschprogrammen der EU wie Horizon Europe oder Erasmus teilnehmen und ihr droht zudem, Nachteile und Risiken in der Stromwirtschaft zu erleiden. Ziel ist es, sich bis Juni 2024, also vor der Europawahl, auf ein neues Paket von Abkommen zu einigen. Experten rechnen mit komplizierten Verhandlungen. 

Deutsche Perspektive: Solider Partner

Die Schweiz war 2022 der neuntgrößte Absatzmarkt und elfgrößte Lieferant Deutschlands. Den Zuwachs beim Schweizer Import 2022 aus Deutschland verursachten besonders Energieprodukte. In den ersten drei Quartalen 2023 büßte Deutschland als Lieferland 2,5 Prozentpunkte Anteil ein. Auch Frankreich, China und die USA verloren. Gewinner waren Italien und Slowenien, besonders bei Medikamenten. Ein Grund ist, dass der Pharma-Riese Novartis seit kurzem verstärkt in Slowenien produziert. 

In der Umfrage "Going International" der Deutschen Industrie -und Handelskammer vom März 2023 gaben bei zunehmenden Handelshemmnissen im Ausland 13 Prozent die Schweiz an und bezogen sich unter anderem auf Schwierigkeiten bei der gegenseitigen Produktanerkennung infolge des ausgesetzten Rahmenvertrages. Im AHK "World Business Outlook" aus dem Herbst 2023 hielten sich positive und negative Geschäftserwartungen für die Schweiz die Waage, während Konjunktur und Investitionsabsichten einen negativen Saldo ergaben. 

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