Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | ASEAN | Konnektivität

Europas wirtschaftlicher Einfluss in der ASEAN schrumpft

Die EU und die ASEAN wollen stärker zusammenarbeiten. Doch die ökonomischen Verflechtungen Südostasiens mit China werden immer enger.

Von Frank Malerius | Jakarta

Die Europäische Union (EU) und der südostasiatische Staatenbund ASEAN haben eine stärkere Kooperation vereinbart. Niedergeschrieben sind die Ziele im jährlich aktualisierten sogenannten Blue Book (Erstausgabe von 2016). In seiner aktuellen Ausgabe von 2020 nennt es als Felder für Konnektivität zwischen beiden Wirtschaftsregionen Handel, Transport, Energie, Digitales und persönlichen Austausch. Die EU will den zehn Ländern der Region nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine wertebasierte Alternative zum rasant wachsenden Einfluss Chinas bieten.

In der ASEAN gibt es einen fruchtbaren Boden für eine intensivere Kooperation. Denn der Aufstieg Chinas wird in Politik und Gesellschaft mit Argwohn betrachtet. So gibt es territoriale Streitigkeiten mit mehreren ASEAN-Mitgliedstaaten im südchinesischen Meer. Von China vorfinanzierte Infrastrukturgroßprojekte schüren die Angst vor einer Schuldenfalle. Chinesische Arbeitertrupps werden von einheimischen Bevölkerungen als unwillkommene Wettbewerber um Jobs gesehen. Zudem überfluten Waren aus dem Reich der Mitte geradezu die Märkte. Bei Investitionsgütern genießen sie teilweise einen schlechten Ruf. Im Konsumgüterbereich machen sie heimischen Unternehmen zu schaffen.

Bild vergrößern

Darüber hinaus ist oft nicht transparent, wie sich die chinesischen Unternehmen den Zugang zu den Märkten der Region verschaffen und welche Rolle dabei die Kommunistische Partei in Peking spielt. Denn die Corporate-Governance-Richtlinien der Unternehmen aus dem Reich der Mitte gelten als deutlich niedriger als die ihrer europäischen Wettbewerber. Ihre Umweltstandards sind es, etwa bei Energieprojekten, ebenfalls. In Indonesien berichten Manager aus zahlreichen Branchen, dass sie gegen das Geschäftsgebaren ihrer chinesischen Konkurrenten nicht ankommen.

Zudem bringen chinesische Unternehmen (wie auch japanische) für Großprojekte die Finanzierung oftmals mit. In der Praxis gibt es in der Baubranche auch keinen deutschen Generalunternehmer für Großprojekte mehr. Ob eine solche Rolle angesichts der Korruptionsproblematik in allen ASEAN-Ländern (mit Ausnahme Singapurs) überhaupt anzustreben wäre, ist allerdings fraglich. Deutschland ist in der Region ganz überwiegend als Technologielieferant aktiv.   

Bild vergrößern

Warenstrom aus China wächst rasant

Europas Bemühungen um mehr Konnektivität mit der ASEAN werden im wirtschaftlichen Bereich eindeutig von der Realität konterkariert. Denn Chinas ökonomischer Einfluss in der Region nimmt Jahr für Jahr zu. In allen südostasiatischen Ländern ist das Reich der Mitte zum wichtigsten Warenlieferanten aufgestiegen, oft mit großem Abstand, und hat den traditionellen Technologiepartner Japan längst deklassiert.

Mittlerweile kommen mehr als 20 Prozent aller Warenlieferungen aus China - Tendenz steigend. Das Handelsbilanzdefizit der ASEAN mit dem nördlichen Wirtschaftsgiganten hat 2020 erstmals die Marke von 100 Milliarden US-Dollar (US$) überschritten. Mit der EU hingegen erzielt die ASEAN konstant einen Überschuss. Deutschland lieferte 2020 Waren im Wert von 25,3 Milliarden US$ in die ASEAN, wichtigstes Exportgut sind Maschinen.

Bild vergrößern

Laut ASEAN-Statistik stammen zwar deutlich mehr Direktinvestitionen aus der EU als aus China, doch der tatsächliche Ursprung der Zuflüsse liegt oftmals woanders als angegeben. Das lässt schon der Augenschein vermuten: Chinesische Firmen leiten in mehreren ASEAN-Ländern milliardenteure Großprojekte im Infrastrukturbereich, wie etwa die erste Schnellzugstrecke in Indonesien (Jakarta-Bandung) oder das Megaprojekt East Coast Rail Link (ECRL) in Malaysia. Und sie bauen vielerorts Kraftwerke.

Freihandelsabkommen RCEP beschert der EU Nachteile

Die im November 2020 beschlossene und noch zu ratifizierende Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) zwischen der ASEAN, China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland dürfte die regionale Einbindung des südostasiatischen Staatenbundes gegenüber einer westlichen stärken. Experten erwarten als Folge der RCEP eine höhere nationale Spezialisierung der Industrie. Die EU hat in der ASEAN bisher nur mit Singapur und Vietnam Freihandelsabkommen.

Zwar hat RCEP eine geringe Regelungstiefe, weil es viele Länder mit unterschiedlichem Entwicklungsstand einbindet. Fachbeobachter sprechen gar von einem Bündel bilateraler Abkommen. Doch GTAI-Zollexperten haben errechnet, dass RCEP in Malaysia einem japanischen Importauto gegenüber einem europäischen einen Preisvorteil von mehr als 20.000 Euro verschaffen kann.

Bild vergrößern

ASEAN kämpft um interne Konnektivität

Die ASEAN ist als Wirtschaftsblock nicht ansatzweise mit der EU vergleichbar. Schließlich muss sie den Bedürfnissen des Hochtechnologielandes Singapur genauso gerecht werden wie denen von Entwicklungsländern wie Laos oder Kambodscha. Der Staatenbund strebt deshalb weder eine gemeinsame Währung noch eine Zollunion an. 

Die im Dezember 2015 geschaffene ASEAN Economic Community (AEC) garantiert zwar den weitgehend zollfreien Handel unter den Mitgliedsländern. Doch diese schützen ihre Märkte weiter mit nichttarifären Hemmnissen. Auch von einer grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit oder integrierten Strommärkten kann keine Rede sein.

Bild vergrößern

Im Jahr 2016 wurde der Masterplan on ASEAN Connectivity 2025 erstellt (der einen Vorgänger von 2010 hat). Er visiert die Integration in den Bereichen nachhaltige Infrastruktur, grenzüberschreitende Logistik, digitale Innovation, regulatorische Exzellenz und Reisefreiheit an. Inwieweit dabei Fortschritte gemacht wurden, liegt im Auge des Betrachters. Der Mid-Term Review vom März 2021 sieht etwa bei digitalen Finanzdienstleistungen große Entwicklungen, bei der Effizienzsteigerung von Lieferketten nahezu keine. Immerhin ist der Ausbau der Infrastruktur - als Grundlage einer wirtschaftlichen Integration - allerorten mit Händen greifbar.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.