Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Russland | Coronavirus

Impfpflicht stellt Unternehmen vor Herausforderungen

Angesichts der sich zuspitzenden Infektionslage verschärft Russland seine Impfkampagne. Unternehmen werden zum Teil verpflichtet, Mitarbeiter impfen zu lassen oder zu suspendieren.

Von Gerit Schulze | Moskau

Russland kämpft mit der dritten Welle der Corona-Pandemie. Die Zahl der Neuinfektionen liegt im Juli 2021 jeden Tag deutlich über 20.000. Besonders dramatisch sind die täglich 700 bis 800 Todesfälle.

Ein Grund für die hohe Sterblichkeit ist die geringe Impfquote. Laut Internetportal Gogov.ru waren bis zum 23. Juli 2021 erst 15 Prozent der russischen Bevölkerung komplett geimpft.

Bild vergrößern

Impfskepsis führt zu drastischen Maßnahmen

Wegen der weit verbreiteten Impfskepsis haben mehrere Regionen die Vorschriften verschärft und eine Impfpflicht für bestimmte Personengruppen eingeführt. Laut einem Bericht der Wirtschaftszeitung RBK betrifft das inzwischen 36 russische Regionen (Stand: 21. Juli 2021). In der Stadt Moskau und im Moskauer Gebiet, wo die Pandemie besonders heftig wütet, müssen bis zum 15. August in 14 Wirtschaftssektoren mindestens 60 Prozent der Beschäftigen vollständig geimpft sein.

Branchen mit Impfpflicht in Moskau und im Moskauer Gebiet

Groß- und Einzelhandel, Onlinehandel

Staatsverwaltung

Gastronomie

Spas und Schönheitssalons

Banken

Haushaltsnahe Dienstleistungen (z.B. Reinigungen)

Sporteinrichtungen und Massensportveranstaltungen

Öffentlicher Nahverkehr und Taxis

Kommunale Versorgung und Energie

Gesundheitswesen und soziale Dienste

Kultur und Freizeitstätten

Kinderferienlager und Kinderbetreuung

Quelle: Tageszeitung RBK

Entscheidend ist die Haupttätigkeit des Unternehmens gemäß Klassifikator der Wirtschaftstätigkeiten OKWED, sagt Anastasija Sajzewa, Expertin für Arbeitsrecht bei Balashova Legal Consulting. Sie erläuterte die Regelungen Ende Juli 2021 bei einer Infoveranstaltung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. Wenn der Haupt-Code des OKWED in eine der genannten Kategorien fällt, muss die Impfquote für die gesamte Belegschaft erfüllt werden. Für reine Produktionsbetriebe dürfte die Impfpflicht nach Einschätzung Sajzewas daher nicht gelten. Die OKWED-Kategorie einer Firma kann über die Webseite der Steuerbehörde recherchiert werden.

Nur russische Impfstoffe werden anerkannt

Unter die notwendige Impfquote von 60 Prozent fallen alle Beschäftigten eines Unternehmens mit gültigem Arbeitsvertrag, die in der entsprechenden Region arbeiten. Arbeitnehmer in auswärtigen Filialen zählen laut Sajzewa nicht dazu. Angerechnet werden nur in Russland zugelassene Impfstoffe, also Sputnik-V, EpiVacCorona, CoviVac und Sputnik Light.

Praxisempfehlungen für die Umsetzung der Impfpflicht in Unternehmen
  • Anordnung über Impfpflicht im Unternehmen erlassen
  • Verantwortliche Personen und Abteilung festlegen
  • Fristen bestimmen
  • Jedem Beschäftigen eine Benachrichtigung über seine Impfpflicht zukommen lassen
  • Dokumente über die erfolgte Impfung der Beschäftigten anfordern oder medizinische Nachweise, dass eine Impfung nicht möglich ist
  • Ablehnung einer Impfung schriftlich bestätigen lassen
  • Dokumentieren, dass alle erforderlichen Schritte eingeleitet wurden
  • Impfung direkt im Unternehmen organisieren, um die Impfwilligkeit zu erhöhen

Suspendierung für Impfverweigerer

Rechtsgrundlage für die Impfpflicht in Moskau ist die offizielle Anordnung Nummer 1 des obersten Amtsarztes der Stadt Moskau. Erreicht ein Unternehmen die Impfquote nicht, müssen entsprechend viele ungeimpfte Arbeitnehmer freigestellt werden, damit bei den Weiterbeschäftigten der Anteil Geimpfter 60 Prozent erreicht. Wer sich der Impflicht widersetzt und keine medizinischen Gründe anführen kann, darf unter Umständen nicht mehr zur Arbeit erscheinen. 

Bei der Auswahl der Suspendierten sollte berücksichtigt werden, wer das höchste Ansteckungsrisiko darstellt, weil er viele Kontakte zu Kunden oder Mitarbeitern hat. Die Entscheidung muss objektiv und gut begründet sein. Gesetzliche Grundlage für die strenge Regelung zur Suspendierung ist das Föderale Gesetz  „Über die Immunprophylaxe von Infektionskrankheiten“ vom 17. September 1998 (Artikel 5).

Die Freistellung von der Arbeit erfolgt auf Anweisung des Arbeitgebers. Anspruch auf Arbeitslohn besteht für diese Zeit nicht. 

Bei Missachtung drohen hohe Strafen

Die verantwortlichen Personen in Unternehmen, die die Vorschriften nicht fristgemäß umsetzen, müssen mit Verwaltungsstrafen von 50.000 bis 150.000 Rubel (EZB-Wechselkurs am 22. Juli 2021: 1 Euro = 86,95 Rubel) rechnen. Juristischen Personen drohen Strafen von bis zu 500.000 Rubel und von Amts wegen eine Aussetzung der Tätigkeit für bis zu 90 Tage. Noch höher sind die Strafen, wenn durch die Nichtumsetzung Menschen zu Schaden oder zu Tode kommen.

Deutsche Unternehmen in Russland müssen die Impfpflicht ebenfalls umsetzen. In Uljanowsk hatte die Gebietsverwaltung Betriebe schon Ende Mai 2021 angewiesen, mindestens 40 Prozent der Belegschaft ins Homeoffice zu schicken, solange nicht 60 Prozent aller Beschäftigten geimpft sind.

Das betraf auch das örtliche Werk des Industriezulieferers Schaeffler. „Als der Erlass des Gouverneurs veröffentlicht wurde, waren bei uns erst 17 Prozent der Beschäftigten geimpft“, erläutert Maxim Schachow, Geschäftsführer von Schaeffler Russland. „Also haben wir eine Aufklärungskampagne gestartet, sind als Geschäftsführung mit gutem Beispiel vorangegangen, verteilten Infoblätter und luden Ärzte ein, die mögliche Nebenwirkungen erläuterten.“ Hinzu kamen persönliche Einzelgespräche zu den Gründen der Impfverweigerung.

Für Schachow sei es wichtig gewesen, niemanden zum Impfen zu zwingen, berichtete er bei der AHK-Veranstaltung. „Und wir setzen keine finanziellen Anreize.“ Geholfen hätten organisierte Impftermine für die Schaeffler-Beschäftigten in verschiedenen Kliniken. Inzwischen sei die Impfquote von 60 Prozent sowohl im Werk Uljanowsk als auch in der Verwaltung in Moskau erreicht.

Aufklärung hilft im Kampf gegen Impfskepsis

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer. „Wir organisieren in Moskau und Sankt Petersburg regelmäßig Infoveranstaltungen für unsere rund 100 Beschäftigten, bei denen Ärzte Fragen beantworten. Der Geschäftsführer eines großen deutschen Pharmaunternehmens erklärte die Unterschiede der Impfstoffe“, führt der AHK-Vorstandsvorsitzende Matthias Schepp aus.

Kammermitarbeiter ohne Antikörper dürfen keine Dienstreisen mehr antreten. Mehrmals pro Woche bekommt das AHK-Team kurze Covid-19-Infos zur Entwicklung der Pandemie und zur Gefährlichkeit neuer Virusvarianten. Impfskeptiker wurden zu persönlichen Aufklärungsgesprächen mit der AHK-Leitung eingeladen. Viele konnten durch den Auftritt eines deutschen Firmenchefs umgestimmt werden, der über den qualvollen Tod seines Fabrikdirektors am Beatmungsgerät berichtete. Inzwischen ist die Hälfte der AHK-Beschäftigten geimpft, ein weiteres Drittel hat Antikörper nach überstandener Krankheit.

Andere deutsche Unternehmen berichten, dass sie Impfwilligen Prämien von bis zu 5.000 Rubel zahlen oder Mitarbeitern einen Tag frei geben, um die Impfung durchzuführen.

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.