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Wirtschaftsumfeld | Indien | Finanzwesen

Indien erschafft Bad Bank für notleidende Kredite

Die zweite Welle der Covid-19-Pandemie hat auch für indische Banken und Kreditinstitute negative Konsequenzen. Abhilfe soll eine Abwicklungsbank schaffen.

Von Mareen Haring | Berlin

Nach einem zehnwöchigen landesweiten Lockdown und einer verheerenden zweiten Coronawelle sind zahlreiche Haushalte und Unternehmen in eine schwere finanzielle Schieflage geraten. Viele Schuldner können ihre aufgenommenen Kredite nicht mehr bedienen. Die Banken und Kreditinstitute bleiben auf den Schulden sitzen. Neben Privatpersonen sind vor allem Betriebe in den Bereichen Tourismus, Gastronomie, körpernahe Dienstleistungen, Flugverkehr, Textil und Baugewerbe am schlimmsten betroffen. Viele Unternehmen verdienen nach wie vor weniger als vor der Pandemie und haben Probleme, ihre Darlehen zu tilgen. Dadurch entstehen notleidende Kredite. Sobald eine Rückzahlung mehr als 90 Tage in Verzug ist, gelten Kredite als faul oder notleidend.

Gefahr einer indischen Bankenkrise besteht

Laut der indischen Zentralbank Reserve Bank of India (RBI) könnte die Non-Performing Loan-Quote (NPL) von 7,5 Prozent im September 2020 auf 13,5 Prozent im September 2021 steigen. Die NPL-Quote beschreibt die Summe der faulen Kredite eines Bankenportfolios im Verhältnis zu der Gesamtdarlehenssumme der Bank. In absoluten Zahlen entspräche das einer Kreditausfallsumme von rund 197 Milliarden US-Dollar (US$). Bis Mai 2021 standen noch Bruttobankkredite in Höhe von insgesamt ungefähr 1,4 Billionen US$ aus.

Wenn viele Unternehmen ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können, geraten in Konsequenz auch die Kreditgeber in finanzielle Nöte. Die Gefahr einer Bankenkrise durch Eigenkapitalaufzehrung ist imminent. Daher möchte die indische Regierung, dass die Finanzinstitute ihre NPL abstoßen und auf die im Juli 2021 gegründete Bad Bank National Asset Reconstruction Company Ltd (NARCL) übertragen. Eine Bad Bank ist eine Abwicklungsbank. Sie erwirbt faule Kredite anderer Banken und wickelt diese ab. Damit gehen die Kreditausfallrisiken auf die Bad Bank über.

Verlorenes Vertrauen soll wiederaufgebaut werden

Die indische Regierung erhofft sich durch diesen Schritt unter anderem, dass Geschäftspartner, Kunden und Investoren wieder Vertrauen in den indischen Finanzmarkt gewinnen. Die Abwicklungsbank wird finanziell gestützt durch öffentliche Banken, allen voran die Canara Bank mit voraussichtlich 12 Prozent Anteil. Weitere Kapitalgeberbanken sind die State Bank of India, Bank of Baroda, Bank of India und die IDBI Bank. Die Kreditinstitution National Asset Reconstruction Company (NARCL) wird voraussichtlich mit rund 942 Millionen US$ kapitalisiert werden. Die indische Regierung hat circa 4 Milliarden US$ an Garantien vorgemerkt, ist aber nicht direkte Eigenkapitalgeberin der NARCL.

Bereits jetzt konnten 22 NPL mit einem Gesamtwert von über 11 Milliarden US$ identifiziert werden, die nun in Phasen an die Bad Bank übertragen werden. Aufgenommene Firmenkredite von VOVL, Amtek Auto, Reliance Naval, Jaypee Infratech, Castex Technologies, GTL, Visa Steel und Wind World zählen zu diesem Portfolio. Langfristig sollen faule Kredite in Höhe von circa 27 Milliarden US$ an die NARCL transferiert werden. Dies entspricht rund einem Viertel aller indischen notleidenden Kredite.

Weitere Vorteile der Kreditauslagerung an eine indische Bad Bank wären schnellere Entscheidungsfindungsprozesse und eine größere Verhandlungsstärke bei der Vermögenswertauflösung. Die ausstehenden Entscheidungen würden alle unter einem Dach gefällt. Sie müssten weniger Gremien durchlaufen, als es bei den Bankenkonsortien der Fall wäre. Auch könnte ein Verkauf der schlechten Kredite an die NARCL Rückstellungen der verkaufenden Banken wieder freisetzen.

Indischer Industrieverband empfiehlt mehrere Auslagerungsbanken

Kritiker des Vorhabens argumentieren, dass eine Bad Bank kein Allheilmittel sei, sondern lediglich das Problem der faulen Kredite verlagere. Für eine nachhaltige Lösung seien Reformen des Bankensystems unerlässlich. Zudem seien sowohl die indische Regierung als auch die indische Wirtschaft bereits schwer von der Pandemie gezeichnet. Zusätzliches Kapital für eine Auslagerungsbank würde eine weitere finanzielle Belastung bedeuten.

Der indische Industrieverband Confederation of Indian Industry (CII) sieht sogar die Notwendigkeit der Schaffung mehrerer Bad Banks in Indien. Schon im Dezember 2020 gab es eine entsprechende Empfehlung der CII an die indische Regierung. Internationale Reaktionen der Wirtschaft stehen noch aus. Allerdings haben bereits viele Nationen in der Vergangenheit erfolgreich Bad-Bank-Konzepte umgesetzt. Auch in Deutschland gab es bereits im Jahr 1984 mit der Bankaktiengesellschaft (BAG) die erste Auslagerungsbank.

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