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Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Verhandlungspraxis

Kultureller Hintergrund

Konfuzianisches Denken und informelle Netzwerke prägen das Geschäftsleben. Regelmäßiger Kontakt und wasserfeste Verträge sichern deutsch-vietnamesische Geschäftsbeziehungen.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi

Im Laufe seiner 2000-jährigen Entwicklung unterlag Vietnam einer Vielzahl an Fremdherrschaften und ausländischen Einflüssen, die das Land bis heute prägen. Chinesische Dynastien regierten für fast 1000 Jahre, bis zum Jahr 939 nach Christus, den heutigen nördlichen Landesteil. Die chinesische Herrschaft entfaltet in politischer und kultureller Hinsicht bis in die Gegenwart hinein Wirkung. Insbesondere die durch China mitgeführten Lehren des Konfuzius sind heute in der vietnamesischen Kultur tief verankert.

Die jüngere Geschichte Vietnams ist von der Kolonialisierung des Landes durch die Franzosen, durch den Befreiungskrieg und Bürgerkrieg sowie den Kampf um die Wiedervereinigung des Landes geprägt. Der Sieg sowohl über die französischen Kolonialherren als auch über die USA trägt bis heute zur Legitimation der Kommunistischen Partei bei.

Die langjährige Fremdherrschaft und der gewonnene Kampf um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung haben starke Auswirkungen auf das vietnamesische Nationalverständnis. Die Skepsis gegenüber äußerer Einflussnahme sowie ein ausgeprägter Patriotismus sind tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert.

Deutschland und Vietnam haben traditionell ein enges Verhältnis

Ungeachtet der Vergangenheit haben westliche Nationen, wie die USA und die Staaten Europas, einen guten Ruf in Vietnam. Gerade Deutschland und Vietnam pflegen ein bereits zu DDR-Zeiten begründetes besonderes Verhältnis. Gerade in Hanoi und Ho Chi Minh City verfügen nicht wenige Vietnamesen über Deutschkenntnisse. Englisch ist allerdings die bevorzugte Fremd- und vor allem Geschäftssprache.

Der Einfluss konfuzianischen Denkens prägt die vietnamesische Gesellschaft und damit auch das vietnamesische Geschäftsleben. In sozialer Hinsicht führt der Verhaltenskodex des Konfuzius dazu, dass Konflikte vermieden und hierarchische Strukturen sowie Seniorität beachtet werden. Jüngere Menschen erweisen Älteren gebührenden Respekt. Ähnliches gilt im Verhältnis zu Vorgesetzten.

Auch im Geschäftsleben bilden konfuzianisch geprägte sowie pragmatische Verhaltensregeln das Grundgerüst wirtschaftlicher Beziehungen. Zwar verfügt Vietnam über umfassende wirtschaftsrechtliche Regelungen. Allerdings ist die Durchsetzung rein rechtlicher Vorgaben nach wie vor schwierig.  Daher sind persönliche Netzwerke und ein tragfähiges Vertrauens- und Loyalitätsverhältnis für Vietnamesen bei Aufbau und Erhalt von Geschäftsbeziehungen von wesentlicher Bedeutung. Familiäre und informelle Kontakte spielen auch bei Geschäften eine wichtige Rolle. Die Rückendeckung durch einflussreiche Partner verbessert im innervietnamesischen Geschäftsleben die eigene Verhandlungsposition und Durchsetzungsfähigkeit.

Deutsche Unternehmer sind in der Regel nicht in innervietnamesische Netzwerke eingebunden. Daher fehlen ihnen auch die damit einhergehenden sozialen Sicherungs- und Kontrollmöglichkeiten sowie vor allem entsprechende Loyalitätsverpflichtungen. Gerade bei neuen, nicht bekannten Geschäftspartnern ist es daher wichtig, die eigene Position konsequent abzusichern, beispielsweise durch effektive Zahlungssicherungen. Ist das Geschäftsverhältnis auf längere Dauer ausgelegt, empfiehlt sich zudem die gründliche Überprüfung des künftigen Geschäftspartners. Praktische Hilfestellung bei der Informationssammlung können beispielsweise die Auslandshandelskammer vor Ort  oder kompetente Beratungs- und Wirtschaftsinformationsunternehmen leisten.

Der Aufbau eines vertrauensvollen Geschäftsverhältnisses resultiert meist erst aus einer längeren Zusammenarbeit. Sofern keine eigene Niederlassung vor Ort vorhanden ist, sind regelmäßige Besuche in Vietnam und/oder Einladungen des Geschäftspartners nach Deutschland förderlich. Gelingt es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, hilft die gewachsene Verbundenheit, auch schwierigeres Fahrwasser unbeschadet zu durchlaufen. Die Corona-Pandemie und die daraus folgenden Reisebeschränkungen haben die Aufnahme neuer sowie die Pflege bestehender Geschäftsbeziehungen allerdings stark erschwert. 

Höflichkeit ist oberstes Gebot

Höfliches Verhalten ist vermutlich die wichtigste Pflicht. Grobes, arrogantes oder egoistisches Auftreten wird mit Nichtachtung quittiert und kompromittiert den Ruf. Auch Gefühlsausbrüche, insbesondere negativer Art, führen auf beiden Seiten zum Gesichtsverlust und sind äußerst geschäftsschädigend. Bei Geschäftsterminen wird gerade von deutschen Gesprächspartnern Pünktlichkeit erwartet. Auch vietnamesische Gegenparts sind in der Regel pünktlich.

Es gelten genaue Hierarchien nach Seniorität und Position, in der jeder seinen Platz hat. Am Ende aber bestimmen die Chefs und die Untergebenen erwarten im Gegenzug detaillierte Weisungen. Dementsprechend ist es wichtig, die richtige Ansprechperson zu identifizieren. Zwischen Frauen und Männern besteht zumindest im Geschäftsleben kein automatisches Hierarchieverhältnis. Viele Frauen sind ausgesprochen erfolgreich und in Führungspositionen tätig.

Bei Geschäftsterminen ist Businesskleidung Pflicht, für die Herren inklusive Sakko. Ohnehin ist ein gepflegtes Auftreten wichtig; zu legere Kleidung findet im Geschäftsleben keine Akzeptanz.

Zum vietnamesischen Neujahrsfest liegt das Land still

Die wichtigsten Feiertage sind das rund eine Woche dauernde vietnamesische Neujahr (Tet), welches regelmäßig Ende Januar/Anfang Februar gefeiert wird. Während der Tet-Feiertage können keine Geschäftstermine vereinbart werden. Aber auch in den Tagen vor und nach den eigentlichen Feiertagen liegt das offizielle Geschäftsleben in weiten Bereichen brach. Geschäftsreisen sollten zu diesem Zeitpunkt also möglichst vermieden werden. Der Befreiungstag (30. April) und der Tag der Arbeit (1. Mai) werden von Vietnamesen gerne für Kurzurlaube genutzt und bieten sich daher ebenfalls nur wenig für Geschäftsbesuche an. Christliche Hochfeiertage wie Ostern oder Weihnachten sind in Vietnam hingegen ohne Belang und in rein vietnamesischen Unternehmen normale Arbeitstage.

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