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Wirtschaftsumfeld | Australien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote dürfte im Jahresverlauf 2023 auf rund 4 Prozent steigen. Der Fachkräftemangel sorgt weiterhin für Probleme.

Von Heiko Stumpf | Sydney

Der australische Arbeitsmarkt verliert etwas an Kraft. Im April 2023 lag die Arbeitslosenrate bei 3,7 Prozent. Nachdem im Oktober 2022 mit 3,4 Prozent der niedrigste Stand seit fast 50 Jahren erreicht wurde, bewegt sich die Erwerbslosigkeit wieder leicht nach oben.

Die Erwerbstätigenquote erreicht mit saisonbereinigt 66,7 Prozent weiterhin ein sehr hohes Niveau. Unter der männlichen Bevölkerung gehen knapp 71 Prozent aller Personen über 15 Jahre einer Beschäftigung nach. Bei den Frauen liegt der Anteil bei über 62 Prozent.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten (saisonbereinigt)

Bevölkerung (in Mio.)

26,1

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre, in Mio.)

14,4

Erwerbstätige (in Mio.)1

13,9

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition)

3,7

Analphabetenquote (in %)

1,0

Universitätsabschluss (in %)2

36,8

1 enthält Erwerbstätige über 65 Jahre; 2 Anteil der 20- bis 64-Jährigen mit Bachelorabschluss oder höherQuelle: Australian Bureau of Statistics (ABS) April 2023

Schwächelnde Konjunktur macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar

Für die kommenden Monate ist mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Nach Erwartung der Zentralbank soll bis Ende 2023 ein Wert von rund 4 Prozent erreicht werden. Für Mitte 2024 wird eine Erwerbslosenrate von rund 4,5 Prozent prognostiziert.

Hauptursache ist die sich abkühlende Wirtschaftsentwicklung. Mit rund 1,8 Prozent senkt die Notenbank ihre Wachstumsprognose für 2023 deutlich. Im Vorjahr war die australische Wirtschaft noch um 3,7 Prozent gewachsen. Im Jahr 2024 soll die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts nur noch 1,5 Prozent betragen.

Gleichzeitig erhöht sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte. Im Finanzjahr 2022/2023 (Juni bis Juli) soll die Nettozuwanderung aus Übersee einen Rekordwert von rund 400.000 Personen erreichen. Dabei handelt es sich in erster Linie um gut ausgebildete Fachkräfte. Zu deren Anwerbung erstellt die australische Regierung verschiedene "Skilled Occupations Lists".

Die Listen enthalten zwischen 200 und 500 verschiedene Berufe und ermöglichen die Visavergabe nach einem Punktesystem. Das "Employer Nomination Scheme" ermöglicht es Firmen beispielsweise, ausländische Fachkräfte zeitlich unbegrenzt ins Land zu holen. Über das "Temporary Skills Shortage Visa" (Subclass 482) ist eine Beschäftigung für vier Jahre möglich.

Fachkräfte sind weiter begehrt

Durch das gegenwärtig schwierigere konjunkturelle Umfeld dauert es länger, bis das steigende Angebot vom Arbeitsmarkt absorbiert ist. Durch die hohe Zuwanderung dürfte sich die Gesamtbeschäftigung in den kommenden Jahren aber weiter erhöhen. Zuletzt wurde ein Allzeithoch von rund 13,9 Millionen Beschäftigten erreicht.

Trotzdem leiden weiterhin viele Branchen unter Fachkräftemangel. Die Probleme beschränken sich dabei nicht nur auf den IT-Sektor oder das Ingenieurwesen. Auch im Rohstoffsektor und in der Bauwirtschaft müssen Unternehmen um Personal kämpfen. Stark betroffen sind auch handwerkliche Berufe wie Elektriker.

Flexible Beschäftigung weit verbreitet

Einen deutlichen Rückgang gibt es bei der Unterbeschäftigung. So beklagen zwar noch immer rund 6 Prozent der Beschäftigten, dass sie gerne mehr Arbeitsstunden pro Woche verrichten würden, als in ihren gegenwärtigen Beschäftigungsverhältnissen möglich sind. Vor der Pandemie lag dieser Wert jedoch noch bei rund 9 Prozent.

Über die vergangenen Jahrzehnte deutlich zugenommen hat die Teilzeitarbeit. Seit 1990 legte der Anteil von Teilzeitarbeit von 25 auf zuletzt etwa 30 Prozent zu. Weit verbreitet sind in Australien auch die "Casual Worker", die ohne festgeschriebene Stundenzahl beschäftigt sind. Casual Worker erhalten zwar Zuschläge auf den Stundenlohn von 15 bis 25 Prozent, haben jedoch keine Ansprüche auf Jahresurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Mit insgesamt 2,7 Millionen Casual Worker fallen rund 20 Prozent aller Beschäftigten in diese Kategorie. Nach zwölf Monaten regelmäßiger Beschäftigung können diese Arbeiter eine Festanstellung verlangen.

Ein ebenfalls häufiges Beschäftigungsmodell sind "Contractor". Diese gelten als selbstständig, sind jedoch häufig von einem Auftraggeber abhängig und beschäftigen kein eigenes Personal. Im Jahr 2022 stellten die rund 1,1 Millionen Contractor etwa 8 Prozent aller Erwerbstätigen. Das Modell kommt besonders häufig in der Bauwirtschaft und im Handwerk zum Einsatz.

Guter Ausbildungsstand, aber auch hohe Fluktuation

Das Bildungsniveau in Australien ist gut. Der Anteil der 20- bis 64-Jährigen, die mindestens einen Bachelorabschluss haben, liegt bei etwa 37 Prozent. Rund 63 Prozent der 15- bis 75-Jährigen haben einen außerschulischen Abschluss.

Die Regierung bemüht sich um die Stärkung der berufspraktischen Ausbildungen (Apprenticeship oder Traineeship), wofür Lohnzuschüsse bereitgestellt werden. Im Finanzjahr 2021/2022 stieg die Anzahl der Auszubildenden um circa 22 Prozent auf rund 415.000 an.

Bei der Personalsuche spielen in Australien die "Recruitment Agencies" eine wichtige Rolle. Viele Unternehmen lagern ihre Einstellungsprozesse größtenteils aus und beauftragen Agenturen für die Vorauswahl. Insgesamt ist der australische Arbeitsmarkt von hoher Fluktuation geprägt, häufige Jobwechsel sind die Regel. Nach Angaben von Branchenkennern müssen Arbeitgeber damit rechnen, dass sich Mitarbeiter bereits nach durchschnittlich 18 bis 24 Monaten neu orientieren und das Unternehmen verlassen. Headhunter unterstützen diesen Trend zusätzlich. Eine Folge davon ist, dass Arbeitgeber Kosten für die Ausbildung ihrer Mitarbeiter tendenziell eher scheuen.

Der Bedeutungsverlust der Gewerkschaften ist spürbar

Noch in den 1980er Jahren stand der Arbeitsmarkt unter großem gewerkschaftlichen Einfluss. Die Gewerkschaftsdichte lag bei deutlich über 40 Prozent, häufige Streiks lähmten die Wirtschaft. In den 1990er Jahren waren es ausgerechnet die traditionell eng mit den Gewerkschaften verbundenen Labor-Regierungen, die diesen Einfluss zurückdrängten.

Das Streikrecht wurde sehr rigide ausgestaltet. Kollektive Lohnverhandlungen waren fast ausschließlich zum Abschluss von Firmentarifverträgen (Enterprise Agreements) möglich. Seit Juni 2023 eröffnet die amtierende Labor-Regierung wieder die Möglichkeit für branchenweite Tarifverträge (Multi-Employer Bargaining). Der gewerkschaftliche Organisationsgrad liegt zurzeit bei knapp 12,5 Prozent, im Privatsektor nur bei rund 8 Prozent.

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