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Wirtschaftsumfeld | Polen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Lohnkosten

Die Löhne steigen deutlich. Grund dafür ist auch die Inflation. Immerhin: In einigen Branchen entspannt sich die Lage etwas. Im regionalen Vergleich bleibt Polen konkurrenzfähig.

Von Christopher Fuß | Warschau

Löhne und Gehälter 

In nur wenigen Ländern in der EU müssen Arbeitgeber so hohe Lohnsteigerungen verkraften wie in Polen. Im April 2023 lag das Durchschnittsgehalt nominal um 12,8 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die zweistelligen Wachstumsraten sind seit Ende 2021 ein Dauerphänomen.

Einige Branchen spüren diese Entwicklung besonders deutlich. So steigen die Entgelte im Logistiksektor merklich schneller als im Industrie-Durchschnitt. Vergleichsweise moderate Gehaltszuwächse gibt es bei IT-Dienstleistern. Das ist eine Trendwende, denn lange Zeit konnten Informatiker mit Aufschlägen von bis zu 20 Prozent rechnen. Auch das Baugewerbe muss sich angesichts der Konjunkturflaute mit unterdurchschnittlichen Zuwächsen abfinden.

Bitter für Arbeitnehmer: Die hohe Inflation frisst das Einkommensplus wieder auf. Immerhin sinkt mittlerweile die jährliche Teuerungsrate. Im Mai 2022 fiel sie auf 13 Prozent. Im Jahresdurchschnitt bleibt sie aber laut Polens Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) noch bis 2024 zweistellig. Gepaart mit dem hohen Leitzins und teuren Krediten auf Eigentumswohnungen bedeutet das für Arbeitgeber: Auch in den kommenden Lohnrunden werden die Arbeitnehmer Druck machen.

Erste Anzeichen finden sich bereits in verschiedenen Untersuchungen vom Mai 2023. Laut Befragungen von Personaldienstleistern wie Randstad oder Personnel Service rechnen zwischen 60 Prozent und 80 Prozent aller Arbeitnehmer mit einer Gehaltserhöhung in den kommenden 12 Monaten.

Internationale Firmen zahlen mehr

Die zweistellige Inflation führt zu ungewöhnlichen Ansätzen. Arbeitgeber und Beschäftigte einigen sich auf eine Indexierung, also eine Kopplung des Gehalts an die Teuerungsrate. Die Manpower Group beobachtet solche Initiativen vor allem bei mittleren und höheren Führungskräften. Insgesamt handelt es sich bislang aber nicht um ein Massenphänomen.

Auch die unteren Einkommen sind in Bewegung. Bis Mitte 2024 wird der gesetzliche Mindestlohn in Polen voraussichtlich um fast 20 Prozent steigen - auf umgerechnet 1.022 Euro monatlich für Vollzeitbeschäftigte. Bereits zwischen 2022 und 2023 hatte die polnische Regierung ähnlich hohe Zuwächse durchgesetzt.

Laut WTW Consulting werden die Gehälter 2023 um 9 Prozent steigen. Internationale Investoren und Exporteure sehen mehr Spielraum. Sie wollen durchschnittlich 9,8 Prozent mehr zahlen. Das geht aus einer Befragung der internationalen Handelskammern in Polen unter ihren Mitgliedsunternehmen hervor.

Gehälter werden in der Landeswährung Złoty vereinbart. Der Wechselkurs zum Euro erholt sich seit Anfang 2023 von einer längeren Talfahrt.

Entwicklung der durchschnittlichen Bruttomonatslöhne

2020 

2021

2022

2023 1

nominal (in Złoty)

5.167

5.663

6.346

k.A.

nominal (in Euro) 2

1.165

1.241

1.354

k.A.

reale Veränderung (in %) 3

1,7

3

-2,1

0,3

1 Prognose; 2 Umrechnungskurse 1 Euro = 2020: 4,4430 Zł, 2021: 4,5652 Zł, 2022: 4,6861 Zł; 3 gegenüber Vorjahr bezogen auf ZłotyQuelle: Europäische Kommission 2023; Bundesbank 2023; GUS 2023

Die Arbeitskosten, bestehend aus Arbeitnehmerentgelt und Steuern, lagen in Polen 2022 bei 12,50 Euro die Stunde und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Im regionalen Vergleich mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn zahlen Arbeitgeber nur im letztgenannten Land noch weniger. Aber: Während die Lohnkosten im EU-Durchschnitt seit 2020 um 6,6 Prozent gestiegen sind, war es in Polen mehr als doppelt so viel. Für 2023 rechnet die Europäische Kommission mit einem weiteren Plus von 12,1 Prozent.

Die Gehälter ziehen nicht überall gleich an. Als Faustregel gilt: Im Osten Polens fallen die Lohnzuwächse niedriger aus als im Westen. In den industriestarken Woiwodschaften zahlen Unternehmen um ein Drittel höhere Durchschnittsgehälter als in den östlichen Regionen. Eine vergleichsweise günstige Region nahe der deutschen Grenze ist Lubuskie. Die höchsten Gehälter erhalten Beschäftigte in den Städten Krakau, Gdańsk und Warschau. Wichtig ist auch die Unternehmensgröße. In einer Firma mit weniger als 10 Beschäftigten liegt das mittlere Gehalt im Schnitt um 30 Prozent niedriger als in einer Firma ab 250 Beschäftigten.

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Durchschnittliche Bruttomonatslöhne nach Branchen

1. Quartal 2023 (in Złoty)

Veränderung 1. Quartal 2023/2022 (in %)11. Quartal 2023 (in Euro)2

Information, Telekommunikation

12.628

13

2.681

Finanz-, Versicherungswesen

12.189

11

2.588

Energieerzeugung, -versorgung

10.801

14

2.293

Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit

10.081

10

2.141

Bergbau

10.759

13

2.285

Bildung

7.539

13

1.601

Gesundheits- und Pflegewesen

7.525

16

1.598

Immobilienbranche

7.293

13

1.549

Insgesamt

7.124

14

1.513

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

7.428

17

1.577

Verarbeitendes Gewerbe

6.736

12

1.430

Handel, Reparaturen von Kraftfahrzeugen 

6.725

11

1.428

Bauwirtschaft

6.584

8

1.398

Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung

6.161

10

1.308

Transport, Lagerwirtschaft

6.772

22

1.438

Verwaltung, unterstützende Tätigkeit

5.579

14

1.185

Hotel und Gastronomie

5.299

14

1.125

1 nominal; 2 Umrechnungskurs 1 Euro = 4,7094 ZłQuelle: GUS 2023; Bundesbank 2023

Im Ingenieurwesen oder im IT-Sektor sind deutsche Sprachkompetenzen mit einem spürbaren Lohnaufschlag verbunden. Kommunikatives Englisch gilt ab mittleren Positionen als selbstverständlich. Ausländische Herstellungsbetriebe in Polen sind wegen ihres modernen Maschinenparks oft sehr produktiv. Das hat Auswirkungen auf die Gehälter. Die Personalagentur Sedlak & Sedlak rechnet vor, dass Medianlöhne in Firmen mit polnischem Eigentümer um 35 Prozent unter den Medianlöhnen von Unternehmen mit ausländischer Muttergesellschaft liegen.

Durchschnittliche Bruttomonatslöhne nach ausgewählten Positionen

Januar 2023 (in Złoty)

Januar 2023 (in Euro)*

Geschäftsführung (mittelgroßer Produktionsbetrieb)

48.000

10.193

Programmierung (Sprache .NET)

16.000

3.398

Vertriebsleitung (mittelgroßer Produktionsbetrieb)

25.500

5.415

Ingenieurwesen (Elektronik)

10.700

2.272

Buchhaltung (3 Jahre Erfahrung)

8.000

1.699

Kraftfahrende (ohne Zuschläge)

5.700

1.210

Sekretariat

4.500

956

Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden.

* Umrechnungskurs Januar 2023: 1 Euro = 4,7090 ZłQuelle: Hays 2023; Sedlak & Sedlak 2023; Bundesbank 2023

Median der Bruttolöhne (Produktion)

Januar 2023 (in Złoty)

Januar 2023 (in Euro)*

Angelernte Arbeitskraft (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist)

4.190

890

Mitarbeitende mit einer mehrjährigen Berufsausbildung, die unter Aufsicht in der Produktion tätig sind

4.710

1000

Ausgebildete Arbeitskräfte mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung; Sie erledigen Aufgaben in Produktions- und Fertigungsprozessen ohne Aufsicht

5.600

1.189

Mitarbeitende mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis; Sie verantworten als Vorarbeitende die Arbeit in verschiedenen Produktionsbereichen 

7.250

1.540

Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden.

* Umrechnungskurs Januar 2023: 1 Euro = 4,7090 EuroQuelle: Portal wynagrodzenie.pl 2023

Weitere Lohnbestandteile

Lohnzusatzleistungen gelten in Polen als Standard. Zu den häufigsten Extras gehören Weiterbildungskurse, eine private Krankenzusatzversicherung oder eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio.

Angesichts der hohen Inflation fragen Arbeitnehmer laut der Agentur Randstadt zunehmend nach Einmalzahlungen oder Einkaufsgutscheinen. Auch Urlaubsgutscheine oder Urlaubsgeld sind beliebt. Erfreulich für Arbeitgeber: Im März 2022 stieg die Höhe des monatlichen Verpflegungszuschusses, den ein Unternehmen frei von Sozialabgaben an Mitarbeiter zahlen kann – von 42 Euro auf knapp 67 Euro.

Beschäftigte in Führungspositionen erhalten in der Regel einen Dienstwagen. Seltener übernehmen Firmen die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr. Auch Tankgutscheine sind nicht weit verbreitet. Telearbeit gilt in mittelgroßen und großen Dienstleistungsbüros als etabliert.

Sozialversicherungsbeiträge 

Die Lohnnebenkosten in Polen liegen unter dem EU-Durchschnitt. Im Jahr 2022 machten sie laut Eurostat 18 Prozent der Lohnkosten aus. Im EU-Durchschnitt erwartete Arbeitgeber ein Anteil von 24,8 Prozent. Verglichen mit anderen Ländern der Region landet Polen im unteren Mittelfeld.

Die polnische Regierung führte im Januar 2019 sogenannte Arbeitnehmer-Kapitalpläne (Pracownicze Plany Kapitalowe; PPK) ein. Die PPK sind eine zusätzliche Altersvorsorge. An den Kosten beteiligen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Seit dem 1. Januar 2021 müssen fast alle Betriebe PPK gründen.

Die Sozialversicherungsbeiträge liegen in Polen bei einem Arbeitnehmeranteil in Höhe von 22,71 Prozent des Bruttogehaltes und bei einem Arbeitgeberanteil in Höhe von in der Regel 20,48 Prozent, welcher auf das Bruttogehalt aufgeschlagen wird.

Sozialbeiträge 2023 (in Prozent der Bemessungsgrundlage)

Altersrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1

9,76

Invalidenrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1

6,5

Arbeits- und Solidaritätsfonds (Arbeitgeberanteil)

2,45

Arbeitnehmer-Kapitalpläne (PPK; Arbeitgeberanteil)2

1,5

Unfallversicherung (Arbeitgeberanteil)3

0,67 - 3,33

Fonds garantierter Arbeitnehmerleistungen (Arbeitgeberanteil)

0,1

1 wird nur bis zu einer jährlichen Einkommenshöhe von 208.050 Zł (etwa 46.200 Euro) abgeführt; 2 der Arbeitgeber kann seinen Anteil auf bis zu 4 Prozent erhöhen; 3 wird von der ZUS in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren individuell festgelegtQuelle: Sozialversicherungsanstalt ZUS 2023

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