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Wirtschaftsumfeld | Russland | Corona

Niedrige Impfquote beschert Russland neuen Coronasturm

Die Regierung erklärt die Woche vom 1. bis 7. November für arbeitsfrei. Um die Impfquote zu erhöhen, könnten Arbeitgeber bald in die Verpflichtung genommen werden.

Von Hans Peter Pöhlmann | Bonn

Die Coronapandemie hat Russland wieder fest im Griff. Nachdem die Behörden im Sommer 2021 ein Abflauen der dritten Welle gemeldet hatten, verdoppelte sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen seit Mitte September von rund 18.000 auf zuletzt über 40.000. Sie überschreiten damit deutlich die Höchstwerte der zweiten Welle von Ende Dezember 2020, die bei rund 28.000 Neuinfektionen pro Tag lagen. Auf die Stadt Moskau entfallen bis zu 8.400 gemeldete Neuinfektionen, auf Sankt Petersburg etwa 3.500. Seit Mitte Oktober liegt die täglich gemeldete Anzahl coronabedingter Todesfälle im Land kontinuierlich über 1.000. und erreichte mit 1.178 am 2. November einen vorläufigen Höchstwert. Ein Abflachen des Trends ist derzeit nicht in Sicht.

Arbeitsfreie Woche soll Situation entschärfen

Um die Situation zu entspannen, erklärte Präsident Putin die Woche vom 1. bis 7. November russlandweit für arbeitsfrei. Damit greift die Staatsführung auf eine Maßnahme vom Frühjahr 2021 zurück.

Für die Stadt Moskau erklärte Bürgermeister Sergej Sobjanin vom 28. Oktober bis 7. November einen Lockdown. In der russischen Hauptstadt müssen Geschäfte, Restaurants und viele Freizeiteinrichtungen wie Kinos und Fitnessclubs eine Woche lang schließen. Lebensmittelläden sind davon nicht betroffen. In Sankt Petersburg gilt der Lockdown vom 30. Oktober bis 7. November. Ab dem 8. November verhängt die Stadtverwaltung weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, darunter eine Sperrstunde ab 23 Uhr für Gastronomie- und Unterhaltungseinrichtungen.

Lockdown-Regelungen in Moskau vom 28. Oktober bis 7. November 2021
  1. Unternehmen und Organisationen aus den Bereichen Handel, Dienstleistungen, Gastronomie, Sport, Kultur, Freizeit, Unterhaltung und Kino müssen ihren Betrieb einstellen.
    Ausnahmen sind:
    - Geschäfte, die Medizin, Lebensmittel und lebensnotwendige Güter verkaufen
    - Unternehmen, die Home Delivery anbieten
    - Restaurants und Cafés, die Mitnahme von Speisen und Getränken anbieten, sowie Firmenkantinen und Hotelrestaurants
  2. Staatliche Dienstleistungen bei „Moi Dokumenty“ werden mit Ausnahme von Notfällen nicht angeboten.
  3. Kindergärten und Schulen gehen in die Ferien. Auch außerschulische Bildungsangebote, Sportschulen und Kinderzirkel müssen ihre Arbeit einstellen. Ein Sonderdienst in Kindergärten und Schulen wird für Kinder angeboten, die allein zu Hause bleiben würden.
  4. Medizinische Einrichtungen bieten weiterhin planmäßige medizinische Versorgung an. Auch die medizinische Notfallversorgung wird aufrechterhalten.
  5. Theater und Museen dürfen ihren Betrieb bei einer Auslastungskapazität von 50 Prozent aufrechterhalten. Zutritt ist nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete mit QR-Code gestattet.
  6. Kultur-, Unterhaltungs-, Sport-, Werbe- und andere Massenveranstaltungen sind verboten.

Kliniken stoßen an ihre Belastungsgrenzen

Das Ausmaß der Pandemie ist bei steigendem Trend regional unterschiedlich. Die offiziell kommunizierten tagesaktuellen Zahlen zu Neuinfektionen, Sterbefällen und Genesenen finden in russischen Medien Beachtung. Standardisierte Werte wie die Inzidenz (bezogen auf 1.000 oder 100.000 Einwohner), die einen besseren Vergleich zwischen den Regionen erlauben, oder die Sieben-Tages-Inzidenz nehmen in der Berichterstattung jedoch keinen Raum ein.

Russlands Gesundheitsminister Michail Muraschko zufolge liegt der Anteil freier Betten an der Gesamtkapazität russlandweit aktuell nur bei 12 Prozent. In den Republiken Udmurtien, Tschuwaschien, Adygeja und Mari El, den Regionen Primorje, Smolensk, Uljanowsk, Saratow, Omsk, Rjasan, Wladimir und Samara sowie auf der Halbinsel Tschukotka müssten mehr Betten für Erkrankte bereitgestellt und restriktivere Maßnahmen eingeführt werden.

Regierung setzt auf Kontaktbeschränkungen und steigenden Impfdruck

Fehlende Kontaktbeschränkungen mit mangelnder Umsetzung der Maskenpflicht, eine geringe Impfbereitschaft und Probleme im öffentlichen Gesundheitssystem sind für das aktuelle Wiederaufflammen der Pandemie verantwortlich.

Seit Ende Oktober 2020 besteht eine allgemeine Maskenpflicht in öffentlichen Einrichtungen, Geschäften und Verkehrsmitteln. Das Personal von Geschäften hat jedoch kein Recht, Kunden ohne Mund-Nasen-Schutz abzuweisen. Lediglich an der Kasse kann ihnen die Bedienung verweigert werden. Viele Kunden tragen demzufolge die Maske lediglich beim Bezahlvorgang korrekt.

Regionen wie Tschetschenien und Burjatien hatten die Maskenpflicht bereits im Februar 2021 aufgehoben. Im Juni verfügte Oberbürgermeister Sobjanin, dass in Moskau 30 Prozent aller ungeimpften Mitarbeiter ins Homeoffice überführt werden. Die QR-Code-Pflicht zum Nachweis des Impfstatus in der Gastronomie und im Unterhaltungssektor wurde in Moskau im Juli abgeschafft, ebenso die Beschränkungen der Teilnehmerzahl.

Die Restriktionen gelten nun wieder: Bis 7. November dürfen die Theater und Museen maximal 50 Prozent ihrer Besucherkapazität ausschöpfen, anschließend gilt eine Obergrenze von 70 Prozent und dem verpflichtenden Nachweis des Impfstatus per QR-Code. Bei allen Veranstaltungen mit einer Teilnehmerzahl von mindestens 500 Personen müssen Besucher ab 8. November verpflichtend einen QR-Code nachweisen.

Arbeitgeber wurden in zahlreichen Branchen zu einer kollektiven Mindestimpfquote ihrer Angestellten von 60 Prozent verpflichtet.

Branchen mit einer Mindestimpfquote von 60 Prozent in der Stadt und im Gebiet Moskau
  • Handel
  • Gaststättengewerbe
  • Öffentliche Verkehrsmittel und Taxis
  • Verbraucherdienstleistungen (z.B. Wäscherei, Reinigungen)
  • Bildungswesen
  • Gesundheitswesen
  • Sozialschutz und soziale Dienstleistungen (z.B. Wohnungs und Kommunaldienst)
  • Beamte der Stadt und des Gebiets Moskau
  • Schönheitssalons, Spas, Schwimmbädern, Saunen, Sportkomplexe und Fitnessclubs
  • Kundenbereiche von Banken und Postämtern
  • multifunktionale Zentren für öffentliche und kommunale Dienstleistungen
  • Personen, die bei Veranstaltungen tätig sind, im Kultur- und Bildungsbereich (z.B. Museen, Bibliotheken, Ausstellungen, Schulungen) oder bei Unterhaltungs-, Sport- und Vergnügungsveranstaltungen (z.B. Kinderspielzimmer, Unterhaltungszentren, Theater, Kinos, Konzertsäle, Gymnastik- und Sportveranstaltungen)

Im Februar 2021 hatte das Gamaleja-Institut, das durch die Entwicklung von Sputnik V bekannt geworden war, noch gehofft, dass bis zum Sommer des Jahres rund 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein könnten. Die Impfquote verharrt jedoch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau: Zum 29. Oktober 2021 wird der Bevölkerungsanteil mit einer vollständigen Covid-19-Impfung auf 32,5 Prozent beziffert. Dabei zeigt sich auch in Russland, dass schwere und tödlich verlaufende Krankheitsverläufe vor allem ungeimpfte Personen treffen. Erhältlich sind bislang nur Impfstoffe aus Russland, darunter Sputnik V, Sputnik Light, Covivac und EpiVacCorona-N.

Die Regierung steigert seit März 2020 ihre Ausgaben, um die Bettenzahl in Krankenhäusern und Infektionsstationen zu erhöhen. Seit Januar 2021 läuft das Programm zur „Modernisierung der medizinischen Grundversorgung“, das 9 Milliarden Euro in Polikliniken, Notaufnahmen und Erste-Hilfe-Stationen pumpt. Die Summen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein Mangel an Beatmungsgeräten und Sauerstoff veranlasste das Industrieministerium im Juli 2021 zu einem Aufruf an die Industrie, zugunsten der Versorgung von Krankenhäusern den Sauerstoffverbrauch zu senken.

Arbeitgeber müssen Impfquoten durchsetzen

Die russische Regierung fürchtet die negativen wirtschaftlichen Folgen der Beschränkungen. Mit einem allgemeinen Lockdown ist daher nicht zu rechnen, zumal Impfstoff flächendeckend zur Verfügung steht. Eine individuelle Impfpflicht gilt als unpopuläre Maßnahme und problematisch. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Behörden die verpflichteten Branchen und kollektive Mindestimpfquote für Arbeitnehmer ausdehnen, die dann von den Arbeitsgebern kontrolliert und gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesen werden müssen. Die AHK Moskau informiert, wie Unternehmen bisher die Quote umsetzen.

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