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IndienArbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht
Wirtschaftsumfeld
Rechtsbericht | Indien | Arbeitsrecht
Regelungen des indischen Arbeitsrechts sind in diversen Gesetzen zu finden, unterschiedliche Bestimmungen bestehen auf nationaler und lokaler Ebene.
20.04.2020
Von Julia Merle | Bonn
Vergütung | Regelungen durch Individualverträge nach Maßgabe gesetzlicher Mindestlohnvorgaben; i.d.R. bestehend aus Grundgehalt und Zulagen |
Mindestlohn | Kein genereller nationaler Mindestlohn; unterschiedlich u.a. je nach Region, Branche, Art der Tätigkeit, Ausbildungsstand; Code on Wages, 2019 als einheitliches Gesetz (noch nicht in Kraft getreten) |
Arbeitsstunden pro Woche | Sec. 51 und 54 Factories Act: 48 Std., nicht mehr als 9 Stunden pro Tag; Sec. 56 Factories Act: in Fabriken maximal 10,5 Std. pro Tag; Büroangestellte i.d.R. 40-45 Std.; Üblicherweise 6 Arbeitstage bei Fabrikarbeitern und 5 Tage bei Büroangestellten |
Zulässige Überstunden | Sec. 64 Factories Act: Regelarbeitszeit plus Überstunden maximal 60 Std. pro Woche; maximal 50 Überstunden in einem Quartal |
Gesetzliche Feiertage | landesweit uneinheitlich, verschiedene nationale, regionale und religiöse Feiertage |
Urlaubsanspruch | 1 Tag pro gearbeitete 20 Tage; pro 15 Tage für Minderjährige (Sec. 79 Factories Act) |
Sonderzahlungen pro Jahr | Unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Payment of Bonus Act, 1965 |
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall | Keine eindeutige Regelung zur Pflicht des Arbeitgebers; für bestimmte Arbeitnehmer nach Employees´ State Insurance Act; Industrial Standing Orders: 6-12 Tage im Kalenderjahr |
Mutterschaftsurlaub | 26 Wochen vergütet für die ersten beiden Kinder, danach 12 Wochen; bei Adoption und Leihmutterschaft 12 Wochen |
Probezeit | Freie Vereinbarung möglich, bis zu sechs Monate üblich |
Die Bestimmungen zu Arbeitsverhältnissen sind sehr differenziert und in einer Vielzahl von Gesetzen enthalten. Es bestehen Regelungen auf nationaler und lokaler Ebene mit einer Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern (workmen), die uneinheitlich im jeweiligen Gesetz definiert werden. Besondere Relevanz haben der Minimum Wages Act 1948, Contract Labour (Regulation and Abolition) Act 1970, Workmen's Compensation Act 1923, Payment of Wages Act 1936, Payment of Gratuity Act 1972, Payment of Bonus Act 1965 sowie der Industrial Disputes Act 1947. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Spezialvorschriften für bestimmte Branchen, wie den Factories Act 1948, Sales Promotion Employees (Conditions of Service) Act 1976, Plantations Labour Act 1951 oder den Beedi and Cigar Workers (Conditions of Employment) Act 1996 sowie den jeweiligen Shops and Establishment Act der Bundesstaaten. Tarifvertragliche Bestimmungen haben grundsätzlich Vorrang vor den gesetzlichen Vorgaben.
Im August 2019 wurde ein einheitliches Gesetz über Löhne (Code on Wages, 2019) verabschiedet, das die Vielzahl der Arbeitsgesetze etwas reduzieren soll, indem es den Payment of Wages Act, 1936, den Minimum Wages Act, 1948, den Payment of Bonus Act, 1965 und den Equal Remuneration Act, 1976 ersetzt. Der Code on Wages wird zu einem Termin, der von der Zentralregierung in der offiziellen Gazette bekannt zu geben ist, in Kraft treten. Das neue Gesetz wird Anwendung auf alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrem monatlichen Gehalt finden. Der Anspruch auf Mindestlohn soll für alle Arbeitnehmer aller Branchen gelten (Sec. 5 Code on Wages). Die Zentralregierung kann künftig einen „floor wage“, einen Grundlohn, der auf Basis der Mindestlebenshaltungskosten berechnet wird, je nach Region festlegen.
Grundsätzlich herrscht Vertragsfreiheit. Angesichts einer hohen gesetzlichen Regelungsdichte bleibt der Schutz des Arbeiters auch ohne Arbeitsvertrag gewährleistet, dieser richtet sich vorrangig an geringfügig Qualifizierte wie Tagelöhner. Entsprechend ist der Abschluss schriftlicher Arbeitsverträge nicht vorgeschrieben und lediglich im Rahmen von anspruchsvolleren Tätigkeiten üblich. Der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages ist aus Nachweisgründen dennoch sinnvoll.
Arbeitsverhältnisse können befristet oder unbefristet eingegangen werden. Eine Höchstdauer der Befristung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Der Arbeitgeber ist die Lohnhöhe betreffend an die Kraft des Minimum Wages Act vorgegebenen Mindestlöhne gebunden. Diese variieren insbesondere je nach Bundesstaat, Branche, Altersgruppe sowie Tätigkeit und werden regelmäßig angepasst. In der Regel kommen (teilweise regional) unterschiedliche Zuwendungen hinzu.
Die wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt 48 Stunden, Sec. 51 Factories Act. Überstunden sind in beschränktem Umfang zulässig und nach Sec. 59 Factories Act mit dem Doppelten des normalerweise gezahlten Stundenlohns zu vergüten. Entsprechende Vorschriften finden sich in anderen Spezialgesetzen (wie Mines Act, Plantations Labour Act). Nach bestimmten Gesetzen dürfen Frauen grundsätzlich nachts von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr nicht arbeiten.
Bezahlter Erholungsurlaub steht einem Arbeiter nach Sec. 79 Factories Act erst dann zu, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 240 (in Bergwerken 190) Tage lang gearbeitet hat. Für erwachsene Arbeiter entsteht alle 20 geleistete Arbeitstage ein Anspruch auf einen Urlaubstag, bei Minderjährigen alle 15 Arbeitstage.
Angestellte erhalten nach dem Shops and Establishment Act des jeweiligen Bundesstaates meist zusätzlich zum regulären Urlaub eine festgelegte Anzahl an Casual Leave-Tagen - bezahlte Abwesenheit an einzelnen Tagen, die für Behördengänge, familiäre Angelegenheiten etc. genutzt werden kann. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall legt ein Unternehmen unter Berücksichtigung des regionalen Shops and Establishment Act oder sonstiger anzuwendender Rechtsvorschriften fest.
Wegen der kulturellen und religiösen Vielfalt besteht keine landesweit einheitliche Liste der gesetzlichen Feiertage.
Die ordentliche Kündigung unterliegt der Schriftform und hat eine Begründung zu enthalten. Die Kündigungsfrist beträgt nach Sec. 25F Industrial Disputes Act 1947 (IDA) einen Monat.
Kündigungen können insbesondere verhaltens- oder betriebsbedingt erfolgen.
Die Höhe des Abfindungsanspruchs des Arbeitnehmers (Sec. 25C IDA) hängt von Betriebszugehörigkeit und Vergütungsklasse ab: Pro vollendetem Jahr Betriebszugehörigkeit erwächst ihm ein Abfindungsanspruch in Höhe von 15 Tagesgehältern. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind in der Regel unwirksam und im Falle einer Kündigung nicht durchsetzbar.
Der Kündigungsschutz greift nach Sec. 25A und 25F IDA nur ein, wenn der Arbeitnehmer eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von mindestens einem Jahr vorweisen kann und die Belegschaft die Anzahl von 50 Mitarbeitern nicht unterschreitet. Arbeitnehmer in Führungspositionen können sich nicht auf den Kündigungsschutz nach dem IDA berufen.
Unternehmen, die in den vergangenen zwölf Monaten nicht weniger als 100 Angestellte beschäftigten, bedürfen nach Sec. 25M (i.V.m. Sec. 25K) IDA für eine betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich zudem einer behördlichen Genehmigung; die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt dann drei Monate, Sec. 25N IDA.
Abfindungszahlungen sind gesetzlich festgelegt. Im Rahmen des Contract Labour Act ist darauf zu achten, dass eine Arbeitskraft, die eine Arbeitszeit von 120 Tagen im Jahr bei einer Firma absolviert, wie eine fest angestellte Kraft behandelt wird.
Arbeitnehmer können die Gewerkschaften einschalten. Für Streitigkeiten zur Kündigung sind bei workmen insbesondere die Arbeitsgerichte und evtl. weitere Instanzen zuständig.
Die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund oder einvernehmliche Beendigung durch einen Aufhebungsvertrag sind jederzeit möglich.
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