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Vereinigtes KönigreichArbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht
Wirtschaftsumfeld
Rechtsbericht I Arbeits- und Genehmigungsrecht
Das britische Arbeitsrecht unterscheidet sich deutlich vom deutschen System. Das sind die wichtigsten Regelungen zum Vereinigten Königreich auf einen Blick.
02.09.2020
Von Ina Redemann (AHK Großbritannien) | London
Vergütung Individuell Mindestlohn (brutto) Seit April 2020: 8,72 £ pro Stunde (für Arbeitnehmer ab 25 Jahre) Wochenarbeitszeit Maximal 48 Stunden (vertragliche opt-out Möglichkeit) Zulässige Überstunden Differenz zwischen der normalen Arbeitszeit und 48 Stunden; bei opt-out unbegrenzt Gesetzliche Feiertage England und Wales: 8 Tage (in Schottland und Nordirland gelten zum Teil andere Feiertage); fällt ein Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag, wird dieser am folgenden Montag nachgeholt (bank holiday) Anspruch auf bezahlten Urlaub Mindestens 5,6 Wochen (bei einer 5-Tage-Arbeitswoche sind das 28 Tage inklusive der gesetzlichen Feiertage) Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit Kein Anspruch; Statutory Sick Pay (SSP) bis zu 28 Wochen, derzeit 95,85 £ pro Woche ab dem vierten Tag der Krankheit Probezeit Frei vereinbar; Dauer grundsätzlich zwischen drei und sechs Monaten, jedoch verlängerbar Mutterschutz Maximal 52 Wochen, bis zu 39 Wochen gesetzliche Zahlungen |
Wie im angelsächsischen Recht allgemein, so ist auch bezüglich des Arbeitsrechts zwischen dem common law und dem kodifizierten Recht (statutes) als Rechtsquellen zu unterscheiden. Grundlage des common law sind die Gerichtsentscheidungen. Nicht zuletzt dank der Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft ist kodifiziertes Recht auf dem Gebiet des Arbeitsrechts häufiger anzutreffen als in anderen Rechtsgebieten.
Das wesentliche arbeitsrechtliche Gesetz im Rahmen des kodifizierten Rechts ist das Arbeitsrechtsgesetz (Employment Rights Act 1996).
Grundsätzlich gelten dieselben arbeitsrechtlichen Regelungen für England, Wales und Schottland, wobei für Schottland einige Besonderheiten existieren. Für Nordirland gibt es oftmals abweichende Vorschriften. Die folgenden Ausführungen beziehen sich, soweit nicht anders angegeben, hauptsächlich auf Großbritannien (England, Wales, Schottland).
Vom Grundsatz her kann ein Arbeitsvertrag formfrei geschlossen werden, also auch mündlich. Gemäß Abschnitt 1 des Employment Rights Acts 1996 muss jedoch der Arbeitgeber auf jeden Fall die wesentlichen Vertragsbestimmungen schriftlich niederlegen und die Niederschrift dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen. Dies erfolgt in einem written statement of particulars. Das Statement muss der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses erhalten. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieses Zeitraumes endet, es sei denn, das Arbeitsverhältnis bestand weniger als einen Monat.
Für befristete Arbeitsverhältnisse gelten die Fixed term Employees (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2002. Hiernach müssen für befristet angestellte Arbeitnehmer die gleichen Arbeitsbedingungen wie für unbefristet angestellte Arbeitnehmer gelten, soweit deren Positionen vergleichbar sind; es sei denn, für die Ungleichbehandlung existiert ein objektiver Grund. Wenn ein befristeter Vertrag verlängert worden ist oder der Arbeitnehmer mehrfach nacheinander befristet beschäftigt worden ist und der Zeitraum der dauerhaften Beschäftigung vier Jahre überschreitet, gilt der Arbeitsvertrag automatisch als unbefristet. Dies gilt nicht, wenn ein sachlicher Grund für eine weitere Befristung vorliegt.
Eine wichtige Besonderheit ist, dass der Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses wie eine Kündigung behandelt wird. Hat der Arbeitnehmer die Wartefrist bis zum Eintreten des Kündigungsschutzes erreicht, kann dieser Kündigungsschutzklage erheben, sollte sein befristetes Arbeitsverhältnis auslaufen. Deswegen ist es für den Arbeitgeber wichtig, die verfahrensrechtlichen Vorschriften einzuhalten sowie einen rechtlich anerkannten Kündigungsgrund vorbringen zu können.
Für Teilzeitarbeitsverhältnisse gelten die Part time Workers (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2000. Hiernach ist eine Schlechterbehandlung von in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund unzulässig.
Zentrale Pflicht des Arbeitnehmers ist die Erbringung von Arbeit. Geschuldet wird kein bestimmter Erfolg, sondern die Tätigkeit für den Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Die Vergütung ist entweder im Vertrag genau festgelegt oder ergibt sich (selten) aus Bezugnahmen auf Tarifvereinbarungen. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem April 2020 genau 8,72 Pfund Sterling (£) brutto pro Stunde für alle ab 25 Jahren (8,20 £ für 21- bis 24-Jährige, 6,45 £ für 18- bis 20-Jährige; 4,55 £ für unter 18-Jährige und 4,15 £ für Auszubildende). Der Mindestlohn wird grundsätzlich im April eines jeden Jahres angepasst.
Hinzu kommen Sorgfalts- und Treuepflichten. So darf der Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht mit seinem Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Darüber hinaus können die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Ein solches muss inhaltlich, räumlich und zeitlich "angemessen" beschränkt sein. Die inhaltliche, räumliche und zeitliche Reichweite des Verbots darf umso größer sein, je größer der Verantwortungsbereich des jeweiligen Mitarbeiters ist. Die Zahlung einer Karenzentschädigung ist möglich, aber anders als in Deutschland nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.
Nachvertragliche Wettbewerbsabreden im Vereinigten Königreich leiden unter einer gewissen Rechtsunsicherheit, da es schwierig ist, vorauszusagen, was ein Gericht als "angemessen" einstuft. Es wird jedoch allgemein dazu geraten, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten zu beschränken.
Der Arbeitnehmer unterliegt einer Verschwiegenheitspflicht. Er muss es grundsätzlich unterlassen, vertrauliche Informationen zulasten des Arbeitgebers weiterzugeben. Da der Umfang der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt, empfiehlt sich eine Konkretisierung im Arbeitsvertrag.
Gemäß der Working Time Regulations 1998 darf der Arbeitnehmer grundsätzlich über einen Referenzzeitraum von 17 Wochen nicht mehr als durchschnittlich 48 Stunden pro Woche arbeiten. Die grundsätzliche Grenze kann durch eine individuelle Vereinbarung überschritten werden (sogenanntes opt-out Agreement). Eine solche Vereinbarung kann bereits im Rahmen des Arbeitsvertrags geregelt werden, aber auch nachträglich noch abgeschlossen werden. Sie muss auf freiwilliger Basis zustande kommen und schriftlich erfolgen. Sie kann sich auf eine bestimmte Dauer oder einen unbegrenzten Zeitraum beziehen. Der Arbeitnehmer hat jedoch das Recht, eine solche opt-out-Vereinbarung jederzeit mit einer Frist von sieben Tagen zu kündigen. Diese Kündigungsfrist ist vertraglich verlängerbar, sie darf jedoch nicht mehr als drei Monate betragen.
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub. In den Working Time Regulations 1998 ist ein Mindestanspruch von 5,6 Wochen festgelegt (dies sind bei einer 5-Tage-Arbeitswoche 28 Tage inklusive der gesetzlichen Feiertage). Es gibt allerdings keinen gesetzlichen Anspruch auf - bezahlten oder unbezahlten - Urlaub an gesetzlichen Feiertagen.
Im Vereinigten Königreich besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Vielmehr entfällt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers vollständig. Nach einer Wartezeit von drei Tagen, an welchen der Arbeitnehmer ursprünglich gearbeitet hätte (qualifying days), hat dieser jedoch einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung von Statutory Sick Pay nach dem Social Security Contributions and Benefits Act 1992. Seit dem 6. April 2020 beträgt die Zahlung 95,85 £ pro Woche und wird für einen Zeitraum von maximal 28 Wochen gezahlt.
Das im Vereinigten Königreich geltende Arbeitsrecht unterscheidet sich in weiten Teilen von dem Arbeitsrecht Deutschlands. Während es in vielerlei Hinsicht als arbeitgeberfreundlich gilt und zudem regelmäßig weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen bietet, sind ihm auch gravierende Gefahren immanent. Verstöße gegen das geltende Recht können zu erheblichen Schadensersatzansprüchen von Arbeitnehmern führen. Zudem verbieten sich noch mehr als im deutschen Recht pauschale Antworten auf sich ergebende Rechtsfragen. Vielmehr können auch nur leicht unterschiedlich gelagerte Fälle gänzliche andere Vorgehensweisen erfordern. Dies ist sicherlich ein Aspekt des hiesigen Arbeitsrechts, der auch der common law-Tradition geschuldet ist. Zu beachten sind zudem die Hinweise zu den Einflüssen von Brexit und Covid-19 auf das britische Arbeitsrecht sowie die geltenden Regelungen zur Vertragsbeendigung.
Die Autorin Ina Redemann ist stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und
Leiterin der Rechtsabteilung bei der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer.