Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Tunesien | Handelspolitik

Reformen könnten Warenhandel mit Tunesien erleichtern

Tunesien ist stark in den globalen Warenhandel integriert. Trotz zahlreicher Abkommen bestehen Handelshemmnisse. Ein neues IWF-Programm könnte sich positiv auswirken.

Von Peter Schmitz | Tunis

An der grundsätzlichen Handelsstrategie hält Tunesien fest. Man setzt auf eine exportorientierte Wirtschaft. Traditionell dominiert als Partner im Außenhandel die Europäische Union (EU). Zusätzlich sind neue Absatzmärkte im Visier. Das gilt insbesondere für Länder südlich der Sahara.

Chancen in der Krise - auch für den Warenfluss

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie hofft Tunesien mittelfristig zu profitieren, wenn Unternehmen ihre Produktion zur Diversifizierung der Lieferketten näher an wichtige Märkte verlagern. Gleichzeitig will man die heimische Wirtschaft schützen. Diese Ambivalenz spiegelt sich beispielsweise in der Einstufung Tunesiens im Economic Freedom Index der Heritage Foundation wider.

Die Gesamteinstufung in der zweiten Tabellenhälfte (119 von 183) begründet sich nicht zuletzt in der relativ schlechten Einstufung der Marktoffenheit. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich, dass die Freiheit des Warenhandels nahe am globalen Durchschnitt liegt, Restriktionen aber in den Bereichen Investitionsfreiheit und vor allem Finanzmarkt bestehen.

Hier könnte ein neues Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Veränderungen führen. Anfang Mai 2021 war eine tunesische Delegation zu Gesprächen mit dem IWF in Washington. Reformzusagen sind die Grundlage für ein neues Finanzierungsprogramm – es kursierten Zahlen von 4 Milliarden US-Dollar, die vom IWF jedoch nicht bestätigt worden sind. Zudem wurden bei einem vergangenen IWF-Programm die zugesagten Reformen nur zu einem geringen Teil umgesetzt. Der Erfolgsdruck ist aber nun nochmals gestiegen.

EU und Afrika sind die wichtigsten Zielmärkte

Der wichtigste Markt ist die EU. Zahlreiche europäische Unternehmen produzieren in Tunesien Vor- oder Fertigprodukte und exportieren diese nach Europa. Seit 2015 befindet sich Tunesien in Verhandlungen mit der EU zu einem vertieften und umfassenden Handelsabkommen (DCFTA). Bereits vor der Coronapandemie kamen diese aber nicht recht vorwärts. Daran hat sich in der Zwischenzeit wenig geändert. Auf tunesischer Seite bestehen weiterhin Vorbehalte. Langfristiges Ziel des DCFTA wäre die Integration Tunesiens in den europäischen Binnenmarkt. Unter anderem in der Pharma- und Nahrungsmittelindustrie sowie in der Landwirtschaft könnte die lokale Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig genug sein.

Bisher ist das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen die Grundlage für den Handel zwischen der EU und Tunesien. Nach dem schrittweisen Zollabbau bildet Tunesien seit 2008 eine Freihandelszone mit der EU für nahezu alle gewerblichen Ursprungswaren. Im April 2021 betonte der Botschafter der EU in Tunesien die Bereitschaft der EU, die Verhandlungen fortzuführen. In der kurz davor veröffentlichten neuen EU-Agenda für den südlichen Mittelmeerraum werden die Gespräche zum DCFTA als Basis für weitere Dialoge bezeichnet.

Innerhalb Afrikas sind vor allem die nordafrikanischen Nachbarn wichtige Handelspartner, allerdings mit großem Abstand nach den wichtigsten europäischen Partnern. Es bestehen Freihandelsabkommen mit Algerien und Libyen, zudem ist Tunesien Mitglied der Union des arabischen Maghreb (Union Maghreb Arabien, UMA), der neben Tunesien Algerien, Marokko, Mauretanien und Libyen angehören.

Offiziell ist die weitere wirtschaftliche und politische Integration das Ziel, de facto gibt es aber bei verschiedenen Themen unterschiedliche Auffassungen, was ein rasches Fortschreiten der Integration fraglich erscheinen lässt. Tunesien gehört, wie ein großer Teil der Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga der Greater Arab Free Trade Area an, und war im Vorfeld einer der Unterzeichner des Agadir-Abkommens, zusammen mit Ägypten, Jordanien und Marokko.

Letzteres erlaubt zollfreien Handel, es bleiben aber bürokratische Hindernisse. Bereits seit 2018 gehört Tunesien dem gemeinsamen Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA) an. Seit dem 1. Januar 2020 sind, bis auf einige Ausnahmen, alle Waren von Abgaben befreit. Der Beitritt zur Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Economic Community of Western African States, ECOWAS) ist angestrebt. Das inzwischen in Kraft getretenen Abkommen zur African Continental Free Trade Area (ACFTA) hat Tunesien unterzeichnet. Bis sich das über den Kontinent hinweg voll entfaltet ist es aber noch ein weiter Weg.

USA und China verstärken ihr Engagement 

Abgesehen von der Coronapandemie haben die großen Themen des Welthandels (wie der Brexit und der Handelskonflikt zwischen der USA und China) Tunesien eher indirekt betroffen. Schon vor dem Amtsantritt von Joe Biden ließ sich steigendes US-Engagement feststellen. Auch China weitet seine Aktivitäten in Tunesien aus, wenn dies auch eher im Verborgenen geschieht und noch weit von dem Einfluss in anderen afrikanischen Ländern entfernt ist. Sowohl die USA als auch China spielen als Handels- und Investitionspartner Tunesiens noch keine Hauptrolle. Mit dem Vereinigten Königreich schloss Tunesien bereits 2019 ein Assoziierungsabkommen, das mit dem Vollzug des Brexit in Kraft trat. Gegenüber dem Vereinigten Königreich hat Tunesien einen Exportüberschuss.

Grundsätzlich beschreiben Unternehmer die Zollabwicklung in Tunesien als schwierig. Die Vorgänge sind nicht konsistent, Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten kommen häufig vor. Das geben auch internationale Rankings, wie das Doing Business Ranking der Weltbank wieder. In der Evaluierung des grenzüberschreitenden Handels schneidet Tunesien schlechter ab als in den meisten anderen Kategorien, was vor allem an der Dauer der Zollabwicklung liegt. Einschränkend für freien Handel und Investitionen ist auch der Zustand des Finanzsektors und der eingeschränkte Zugang zum internationalen Finanzmarkt für Einheimische. Auch das Investitionsgesetz, das 2016 verabschiedet wurde, enthält noch Einschränkungen für ausländische Beteiligungen oder sieht Genehmigungen von tunesischen Behörden vor.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.