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Special Hongkong Coronavirus
Hongkong bringt die Virusausbreitung zwar zunächst zum Stillstand. Doch sobald die Grenzen öffnen, dürfte Covid-19 umso heftiger wiederkehren. Eine Exit-Strategie fehlt bislang.
24.04.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong ist bislang weitgehend von der Covid-19-Pandemie verschont geblieben. Schon frühzeitig hat die Metropole ihre Grenzen sowie Schulen dichtgemacht. Geschäfte und Restaurants blieben unter Auflagen geöffnet. Ausgangsbeschränkungen hielten sich stark im Rahmen.
Dass sich das neuartige Virus trotzdem nicht stark verbreitet hat, dürfte auch der Disziplin der Bevölkerung geschuldet sein. Die meisten Menschen tragen, sobald sie das Haus verlassen, eine Gesichtsmaske. Infolgedessen sind auch Ansteckungen durch die Grippe drastisch zurückgegangen.
Bis zum 23. April 2020 zählte die SVR laut dem lokalen Gesundheitsamt insgesamt lediglich gut 1.000 Ansteckungen (davon fast 700 Genesungen) und gerade einmal vier Todesfälle. Die Statistik kann als weitgehend zuverlässig bezeichnet werden. Solch niedrige Werte sind angesichts einer Bevölkerung von 7,5 Millionen außergewöhnlich. Länder mit ähnlicher Einwohnerzahl wie die Schweiz, Österreich oder Singapur kommen auf ein Vielfaches von Infektionen.
Seit Mitte April 2020 liegen zudem die täglichen Ansteckungen in Hongkong im einstelligen Bereich. Unter diesen Vorzeichen könnte man davon ausgehen, dass die Pandemie in der SVR bis Mitte/Ende Mai 2020 zum Erliegen käme. Dann dürften auch die seit Ende Januar 2020 geschlossenen Schulen wieder öffnen.
Doch letztendlich dürfte die ehemalige britische Kolonie im Kampf gegen das Virus lediglich einen Pyrrhussieg errungen haben. Es gibt nämlich praktisch keine Herdenimmunität und irgendwann müssen auch die Grenzen wieder geöffnet werden. Spätestens nach der Sommerpause 2020 dürfte es unter ökonomischen Aspekten betrachtet so weit sein.
Die Grenzen bis zur massenhaften Einführung eines Impfstoffes – derzeit wird Mitte 2021 anvisiert – zuzulassen, kann sich die SVR ökonomisch nicht leisten. Sie ist nicht nur eine wichtige Handels- und Finanzdrehscheibe, sondern auch ein bedeutender Messestandort und Touristenmagnet. Jährlich kommen 60 Millionen Besucher in die Metropole. Ohne sie gehen ganze Branchen pleite.
Darüber, wie man mit dem Virus leben und wirtschaften könnte, wird in Hongkong noch nicht mal ansatzweise diskutiert. Fast schon halsstarrig will die Regierung die Pandemie – koste es, was es wolle – zum Stillstand bringen. In ihrer Haltung wird sie von einem Großteil der traditionell risikoscheuen Bevölkerung unterstützt. Eine mittelfristige Exit-Strategie fehlt somit.