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Telemedizin steht vor einem Boom

Corona hat der Telemedizin einen Schub gegeben. Allerdings braucht Israel fernmedizinische Betreuung auch unabhängig von Covid-19. Deshalb sind die Zukunftsaussichten positiv.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Paradigmenwechsel durch die Epidemie

Eine massive Einführung von Fernkonsultationen und -diagnostik ist in Israel ein erklärtes gesundheitspolitisches Ziel, ging aber bis zum Ausbruch der Coronapandemie nur langsam voran. Diese gab der israelischen Telemedizin einen kräftigen Entwicklungsschub.

Dazu erklärte das israelische Gesundheitsministerium gegenüber Germany Trade & Invest: „Die Notwendigkeit, Erkrankte zu isolieren, Patienten zu betreuen, die einen Klinik- oder Krankenhausbesuch fürchteten, sowie die soziale Distanzierung haben das Gesundheitswesen gezwungen, die Einstellung gegenüber der Fernmedizin zu ändern.“

So errichtete das Sheba-Krankenhaus, das größte des Landes, 2 Kilometer vom Krankenhaus entfernt eine besondere Abteilung, in der Corona-Patienten ohne oder mit nur minimalem Kontakt zum medizinischen Personal betreut wurden. Unter anderem wurde der Zustand der Patienten mit dem im Bett des Erkrankten installierten EarlySense-System überwacht. Das System zeigt Puls, Atmung und Bewegungen an und kann eine drohende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten frühzeitig melden.

Israel braucht Telemedizin nicht nur wegen COVID-19

Telemedizinische Technologie wurde an zahlreichen Orten eingesetzt und hat ihre Nützlichkeit über jeden Zweifel hinaus bewiesen. Daher wurde ihre Notwendigkeit vom medizinischen Personal ebenso wie von den Entscheidungsträgern des Gesundheitswesens schnell verinnerlicht. Das ist wichtig, weil Israel Telemedizin keineswegs nur wegen der Coronapandemie benötigt. Vielmehr kann das Gesundheitswesen medizinische Fernbetreuung auch aus Kostengründen gut gebrauchen.

Ein Beispiel dafür liefert das Rambam-Krankenhaus in Haifa. Als erstes in Israel hat es offiziell eine Abteilung für innere Medizin, die für die Betreuung von zu Hause hospitalisierten Patienten zuständig ist. Dabei handelt es sich um Erkrankte, deren Zustand keine plötzliche, lebensgefährliche Zustandsverschlechterung befürchten lässt.

Solche Patienten werden regelmäßig mit telemedizinischen Geräten untersucht. Im Einklang mit klinischen Anforderungen werden sie in regulären Zeitabständen von Ärzten oder Krankenschwestern per Videogespräch betreut oder, falls medizinisch indiziert, zu Hause besucht. Nach den Worten von Dr. Gidon Berger, Leiter der Abteilung B für Innere Medizin am Rambam-Krankenhaus und auch für die Abteilung „Haus-Hospitalisierung“ verantwortlich, verfügt das Krankenhaus durchaus über die technische Möglichkeit, „Haus-Patienten“ einer ständigen medizinischen Überwachung zu unterziehen. Allerdings, so Berger gegenüber Germany & Invest, würden Personen, die der ständigen Zustandsüberwachung bedürften, dann doch lieber im Krankenhaus untergebracht.

Adäquate Wirtschaftsmodelle müssen her

Die „Haus-Hospitalisierung“, so Berger, ermögliche erhebliche Kosteneinsparungen. Gleichzeitig biete sie medizinische Vorteile wie die Vermeidung von Delirium, von Ansteckung mit Krankenhauskeimen und von Stürzen. In der gegenwärtigen Phase werde noch an Wirtschaftsmodellen gearbeitet, die die Kosteneinsparungen auf eine für alle Beteiligten - Krankenhäuser, Krankenkassen und die Regierung - annehmbare Weise aufteilen.

Es ist klar, dass adäquate Wirtschaftsmodelle den Weg zu weitverbreiteter fernmedizinischer Betreuung von Kranken in deren eigenen vier Wänden öffnen kann. Die für die kommenden Jahre zu erwartenden Fortschritte der Telemedizin würden auch Kranken in dünn besiedelten Regionen zugutekommen, die einen weiten Weg zum nächsten Krankenhaus haben.

Das gilt insbesondere für den Landessüden. Dieser entspricht im Wesentlichen dem Regierungsunterbezirk Beer Sheva, der 60 Prozent des Staatsgebiets bedeckt, aber nur etwa 8 Prozent der Landesbevölkerung beherbergt und über gerade mal zwei Krankenhäuser verfügt: eines in Beer Sheva, der größten Stadt des Südens und das andere in der Rotmeerstadt Eilat. Die Entfernung zwischen ihnen beträgt 230 Kilometer. Daher kann ein gut ausgebautes telemedizinisches Netz für viele Patienten in diesem Teil des Landes eine große Erleichterung bedeuten. In gewissem Maße gilt das auch für Galiläa im Norden Israels. So sind ein Ausbau der „Haus-Hospitalisierung“ und eine Expansion der Ferndiagnostik denn auch erklärte Ziele des Gesundheitsministeriums.

Ferndiagnostik und videotelefonische Beratung bieten zunehmend auch die Krankenkassen an. Hierbei ist zu bedenken, dass diese nicht nur Versicherer, sondern zugleich Leistungsträger des Gesundheitswesens sind. Unter anderem offerieren sie das in Israel entwickelte Diagnostikgerät TYTO, mit dem sich neben der Herz- und Lungenfunktion auch Ohren- und Nasen-, Bauch- und Hautuntersuchungen durchführen lassen. Die Nachfrage nach diesen Geräten weist einen stark steigenden Trend auf.

Die größte Krankenkasse des Landes, Clalit, bietet ferner Schwangerschaftsuntersuchungen daheim an. Entsprechende Ergebnisse werden in Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus ausgewertet.

Eine weitere Verbesserung der Patientenbetreuung ebenso wie finanzielle Entlastung des Gesundheitswesens wird von automatischen Diagnostiksystemen erhofft, die die Daten nicht nur sammeln, sondern auch auswerten und bei Normabweichungen Alarm schlagen. Diese Technologie kann in Israel angesichts des akuten Ärztemangels besonders wichtig sein.

Chancen für ausländische Unternehmen

Unter dem Strich ist für die kommenden Jahre ein rapides Wachstum des israelischen Marktes für telemedizinische Ausrüstungen zu erwarten. Israelische Firmen sind sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Produktion von telemedizinischen Produkten tätig. Dessen ungeachtet werden sich ausländischen Anbietern Chancen in Israel bieten, zumal einheimische Hersteller von Hightechprodukten ihr Wachstum in aller Regel nicht zu Hause, sondern auf dem Weltmarkt suchen.


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