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Wirtschaftsausblick | Tunesien

Wachstum der tunesischen Wirtschaft bleibt schwach

Tunesiens reale Wirtschaftsleistung wird auch 2023 nicht das Vor-Corona-Niveau erreichen. Die Entwicklung im Jahr 2024 birgt viele Unwägbarkeiten.

Von Verena Matschoß | Tunis

Das Résumé für die tunesische Wirtschaft war 2023 nicht gerade positiv, der Ausblick bleibt trübe. Die Staatsfinanzen sind angespannt, die große Dürre lastet auf der Agrarwirtschaft und nötige Strukturreformen lassen auf sich warten. Trotz des schwierigen Umfelds gab es im Jahr 2023 auch einige gute Nachrichten. So profitierte der Staat von gesunkenen Energiepreisen, gestiegenen Einnahmen aus dem Export- und Tourismusgeschäft und stabilen Rücküberweisungen. 

Top-Thema: Staatsfinanzen bleiben Sorgenkind

Dennoch malen internationale Beobachter ein düsteres Bild für Tunesiens Staatsfinanzen, denn der Schuldendienst dürfte 2024 Rekordhöhen erreichen. Insgesamt muss das nordafrikanische Land umgerechnet 7 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgung aufbringen, das sind knapp 19 Prozent mehr als 2023. 

Mit der Absage des Präsidenten Kais Saied an ein 1,9 Milliarden US$ schweres Kreditprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) bleibt unklar, woher das Geld für die nötigen Ausgaben kommen soll. Zu internationalen Finanzmärkten hat Tunesien den Zugang verloren und auch andere Geber halten sich zurück. Das Land konnte sich so bis Ende August nur ein Viertel der ursprünglich für das Jahr 2023 eingeplanten externen Finanzierung sichern. Bereits jetzt nimmt der Staat immer mehr Schulden bei lokalen Banken auf. Die Staatsverschuldung betrug 2022 rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Wegen der angespannten Finanzlage und der Importabhängigkeit müssen die Verbraucher weiterhin mit Versorgungsengpässen bei Grundnahrungsmitteln rechnen. Verantwortlich dafür ist eine Mischung aus exzessiven Subventionen, wachsender Verschuldung staatlicher Unternehmen, die den Einkauf von Grundnahrungsmitteln zentralisieren, und sinkender landwirtschaftlicher Produktion.

Um den Staatshaushalt zu entlasten, wären Subventionskürzungen und ein Umbau der Staatsunternehmen nötig. Hier sind im Jahr 2024 aber keine drastischen Reformen zu erwarten, da im Herbst die Präsidentschaftswahl ansteht. Immerhin haben Saudi-Arabien und die Afrikanische Entwicklungsbank Tunesien Gelder zur Verfügung gestellt. Auch die Einnahmen aus dem Tourismus legten in den ersten neun Monaten 2023 um über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Mit den hohen Rücküberweisungen der Auslandstunesier sind sie ein wichtiger Devisenbringer. 

Wirtschaftsentwicklung abhängig von Strukturreformen und Regen

Da schwer voraussehbar ist, wie schnell die Regierung Strukturreformen angeht und wie sich die Finanzlage weiterentwickelt, gehen die Prognosen der internationalen Institute für das Jahr 2024 weit auseinander. Während die Weltbank ein Wachstum von real 3 Prozent für möglich hält, geht der IWF von 1,9 Prozent aus. Die Economist Intelligence Unit (EIU) hält sogar lediglich 1,5 Prozent für wahrscheinlich.

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Tunesiens Wirtschaft benötigt deutlich höhere Wachstumsraten. Bereits 2023 wird die Wirtschaftsleistung vermutlich nur knapp über 1 Prozent zulegen. Damit erreicht das reale BIP immer noch nicht das Vor-Corona-Niveau. Auch im Vergleich zu anderen Ländern der Region hinkt die wirtschaftliche Entwicklung Tunesiens hinterher.

Im Jahr 2023 führte die große Trockenheit zu einem starken Rückgang in der Landwirtschaft. In der Folge wuchs das Bruttoinlandsprodukt von Januar bis September nur um real 0,7 Prozent. Trotz gesunkener Exportmengen konnten einige landwirtschaftliche Produkte wie der Exportschlager Olivenöl mehr Ausfuhrerlöse erwirtschaften. Insgesamt stiegen die Nahrungsmittelexporte in den ersten zehn Monaten 2023 wertmäßig um 16 Prozent. Tunesiens Exportunternehmen profitieren stark von gestiegenen Preisen. So legten auch die Ausfuhrerlöse von Bekleidung und elektrotechnischen Ausrüstungen zu.

Schwache Konjunktur bei wichtigen Abnehmern der EU erwartet

Wichtigster Abnehmer für tunesische Waren ist die Europäische Union. Hierhin gehen über 70 Prozent der Ausfuhren. Dadurch ist das Land allerdings auch abhängig von der Konjunktur in Europa. Wichtige Wirtschaftspartner wie Frankreich, Italien und Deutschland werden laut Herbstprognose der EU-Kommission schwächer als der Rest der EU wachsen. Für die gesamte Union geht die Kommission von einem realen BIP-Wachstum um 1,3 Prozent aus.

Im Einklang mit den Ausfuhren stieg von Januar bis September 2023 die Wertschöpfung im Bekleidungssektor und im Bereich Mechanik und Elektronik. Hier produzieren auch viele ausländische Unternehmen für den Bedarf der europäischen Industrie. Im 1. Halbjahr 2023 flossen laut Foreign Investment Promotion Agency (FIPA) um 5 Prozent mehr ausländische Direktinvestitionen nach Tunesien.

Lokale Unternehmen leiden unter eingeschränktem Zugang zu Finanzierung

Dagegen ist es für lokale Unternehmen weiterhin schwer, Finanzierungen für ihre Investitionen zu erhalten. Sie leiden auch unter der vermehrten Kreditvergabe der lokalen Banken an den Staatssektor. Insgesamt rechnet die EIU damit, dass die Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2024 nur um real 0,2 Prozent zulegen.

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Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und Inflation wird sich der Privatkonsum 2024 nur schwach entwickeln. Die EIU rechnet mit einem realen Wachstum um 0,3 Prozent. 

Deutsche Perspektive: Unternehmen vor Ort investieren weiter

Deutschland ist der drittwichtigste Handelspartner Tunesiens. Traditionell übersteigen die deutschen Importe die Exporte. Das liegt daran, dass Tunesien stark in die deutschen Lieferketten einbezogen ist, vor allem im Bereich der Kfz-Zulieferindustrie und der Bekleidungsproduktion. Fast alle deutschen Kfz-Zulieferer erweitern derzeit ihre Produktion im Land. Daneben investieren die Hersteller auch in die Forschung und Entwicklung vor Ort. 

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Mengenmäßig ging der Warenaustausch zwischen Tunesien und Deutschland in den ersten neun Monaten 2023 zurück. Wertmäßig stieg der bilaterale Handel aber um 9 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Hier schlägt sich vor allem der rege Handel im Kfz- und Bekleidungssektor nieder. 

GTAI-Informationsangebote zu Tunesien

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Ferner sind auf der GTAI-Länderseite weitere Berichte (zum Beispiel Zoll-und Rechtsinformationen sowie Branchenberichte) zu finden sowie Meldungen zu Entwicklungsprojekten und Ausschreibungen.

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