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Tschechiens Volkswirtschaft wurde 2020 zurückgeworfen
Die Pandemie hat Konsum und Investitionen einen Schlag versetzt, sich auf die Lohndynamik gelegt und die Währung geschwächt. Im Jahr 2021 soll die Erholung greifen.
15.04.2021
Von Miriam Neubert | Prag
Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Corona-Jahr 2020 um real 5,6 Prozent war der tiefste in der jüngeren Geschichte. Auch Anfang April 2021 war das sichere Ufer der Post-Corona-Phase noch nicht erreicht. Teile des Handels und der Dienstleistungen sahen sich weiterhin durch einen Lockdown ausgeschaltet, was auf der Erholung lastete. Doch gehen die Prognosen davon aus, dass sich mit zunehmender Impfung der Bevölkerung die epidemische Lage weiter beruhigt und die Geschäftsaktivität belebt. Für 2021 rechnet die Regierung in der im April vorgelegten Prognose des Finanzministeriums mit einem Zuwachs des BIP um real 3,1 Prozent.
Bild vergrößernAnlageinvestitionen werden 2021 zunehmen
Nach sechs Wachstumsjahren haben 2020 alle Stützen der Konjunktur nachgegeben. Der private Verbrauch fiel nach vorläufigen Angaben des Tschechischen Statistikamts um real 5,2 Prozent, die Anlageinvestitionen um 8,1 Prozent. Auch die Auslandsnachfrage wirkte leicht negativ, schlug aber in Verbindung mit den rückläufigen Importen im 3. und 4. Quartal positiv durch. Allein der Staat steigerte seine Ausgaben.
Geht es nach der Prognose des Finanzministeriums, wird auch 2021 der öffentliche Verbrauch mit einem Plus von real 3,4 Prozent das Wachstum weiter stützen. Hingegen dürfte der private Verbrauch eher stagnieren (+0,1 Prozent) und erst 2022 zum Wachstumsmotor werden. Hintergrund sind die fortgesetzten Restriktionen und eine größere Vorsicht und Sparsamkeit der Verbraucher. Erst im 2. Halbjahr soll der Konsum merklich aufleben.
Zum Wachstum tragen dafür die Bruttoanlageinvestitionen bei, die der Prognose zufolge real um 3,8 Prozent zunehmen sollen. Der Rückgang hatte 2020 alle Segmente erfasst und sich im Jahresverlauf vertieft. Sonderabschreibungen sollen die Unternehmen motivieren, mehr in Maschinen und Ausrüstungen anzulegen.
Mit höheren Investitionsausgaben will der Haushalt 2021 den Aufschwung stützen. Eingeplant sind erste Mittel aus dem Wiederaufbaupaket NextGenerationEU. Bis 2026 stehen Tschechien rund 7 Milliarden Euro zu, um die Folgen der Coronakrise zu bewältigen und sich zukunftsfähig, umweltfreundlich und digital aufzustellen.
Gemischtes Bild im Einzelhandel
Direkt und besonders schwer getroffen hat die Pandemie Tourismus, Personentransport, Kreativwirtschaft, verbrauchernahe Dienstleistungen, Beherbergungsgewerbe und Gastronomie. Es sind die Sektoren, denen, anders als dem Handel, keine oder kaum Alternativen im Onlinegeschäft offenstehen.
Der Einzelhandel ohne Autoverkauf hingegen hat 2020 auf den ersten Blick vergleichsweise gut überstanden. Real nahmen die Umsätze um 0,6 Prozent ab. Im Lebensmitteleinzelhandel stagnierten sie. Dem Segment der Non-Food-Waren verhalfen der Onlinehandel und gefragte Produkte wie Elektronik oder Arzneimittel sogar zu einem Zuwachs von 0,6 Prozent. Doch war das Bild gespalten. Supermärkte und Discounter blieben leicht im Plus. Die Erlöse der Lebensmittelfachgeschäfte schrumpften um 13 Prozent. Zu Verlierern mit hohen Rückgängen gehörten auch der Handel mit Schuhen und Bekleidung, mit Produkten für Sport und Freizeit sowie mit Autos.
Die Industrie blieb von Produktionsverboten unbehelligt. Es war der Markt, der im Frühjahr 2020 besonders die Automobilhersteller schockte – durch Grenzschließungen, Zulieferprobleme und Nachfragerückgänge. Die Entscheidung dieser Schlüsselbranche, die Produktion einige Wochen herunterzufahren, führte im 2. Quartal zu einem Einbruch, den sie auch im anschließenden Aufschwung nicht mehr wettmachen konnte. In der zweiten Infektionswelle aber kamen die Betriebe ohne Produktionsstopps zurecht - trotz Personalausfälle und fragilerer Lieferketten. Dank steigender Aufträge und Exporte konnte die Industrie, gezogen durch die Autohersteller, ihre Kapazitäten wieder hochfahren. Im Januar 2021 erreichte die Auslastung des verarbeitenden Gewerbes fast 86 Prozent.
Durchschnittslohn stieg nominal um 4,4 Prozent
Nach mehreren überhitzten Jahren hat die Pandemie auf dem Arbeitsmarkt die Vorzeichen verändert. Im Jahr 2020 wurde Beschäftigung abgebaut, was etwa 107.000 Menschen betraf. Die Arbeitslosenrate nahm zu, wenn auch in Maßen. Im 4. Quartal 2020 betrug sie 3 Prozent. Sie dürfte 2021 noch leicht wachsen. Als wichtiger Stabilisator des Arbeitsmarktes erwies sich das staatliche Kurzarbeitsprogramm Antivirus.
Der durchschnittliche Bruttomonatslohn stieg 2020 auf rund 35.600 Tschechische Kronen (Kč; umgerechnet 1.346 Euro). Das war ein nominaler Zuwachs um 4,4 Prozent, der niedrigste der vergangenen vier Jahre. Inflationsbereinigt entsprach es einem Plus von 1,2 Prozent. Den Zuwachs trieben aber die öffentlichen Dienstleistungen. Nur leicht aufwärts ging es um die 1,5 Prozent im verarbeitenden Gewerbe, in Transport und Logistik sowie dem Handel. Im Hotel- und Gaststättenwesen, das ohnedies die geringsten Löhne zahlt, sank der Durchschnittslohn auf unter 20.000 Kč (756 Euro).
Bild vergrößernTurbulentes Jahr für die Tschechische Krone
Mit heftigen Ausschlägen reagierte der Wechselkurs auf das Infektions- und Wirtschaftsgeschehen. Die tschechische Krone unterbrach ihre Aufwertungstendenz und schwächte 2020 auf im Durchschnitt 26,444 Kč pro Euro ab. Rasch reagierte die Zentralbank, die in drei Schritten den wichtigsten Leitzins (2-Wochen-Repo) um 200 Basispunkte auf 0,25 Prozent senkte. Auch für die weitere Entwicklung bleibt neben der wirtschaftlichen Erholung die Geldpolitik entscheidend. In ihrer Februar-Prognose 2021 ging die Tschechische Nationalbank ČNB von einer schrittweisen Anhebung der Zinsen ab Mitte 2021 aus. Das wird die Krone stärken.
Die Inflation nahm 2020 um 3,2 Prozent zu. Dahinter standen vor allem die im Zuge der Pandemie und einzelner Verknappungen gestiegenen Lebensmittelpreise und regulierte Preise. Doch schwächte der Trend zum Jahresende ab. Für das Jahr 2021 rechnet die Nationalbank mit einer Inflation von 2 Prozent, was ihrem Ziel entspräche.
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