Dieser Inhalt ist relevant für:
ÄthiopienAußenwirtschafts-, Industriepolitik / Konjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick Äthiopien Außenwirtschafts-, Industriepolitik
15.11.2019
Nairobi (GTAI) - Nachdem Äthiopiens Wirtschaft sich in der Vergangenheit zu einem Shooting Star in Afrika entwickeln konnte, stehen nun schwierigere Zeiten an. Denn Vieles wurde auf Pump finanziert.
Die Prognosen für die äthiopische Wirtschaft fallen sehr unterschiedlich aus: Die Economist Intelligence Unit (EIU) erwartet für die Jahre 2020 und 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 7,4 und 7,5 Prozent. Die Weltbank geht in den beiden Jahren gar von 8,1 und 8,2 Prozent aus. Dies sind sehr optimistische Prognosen. Lokal ansässige Geschäftsleute äußern sich hingegen deutlich pessimistischer. Sie berichten von einem deutlichen Abflauen der Geschäftstätigkeit aufgrund von Kapitalmangel.
Aufgrund umfangreicher staatlicher Infrastrukturinvestitionen in den vergangenen Jahren ist auch die Staatsverschuldung in die Höhe geschnellt. Erschwerend hinzu kommt ein chronisch hohes Handelsbilanzdefizit. Beides führt zu einer seit etwa 2017 vorherrschenden massiven Devisenknappheit, welche nahezu sämtliche Bereiche der Wirtschaft beeinträchtigt.
Wichtig für die politische Stabilität des Landes und damit auch für Investoren werden die Parlamentswahlen im Mai 2020 sein. Deren Ausgang entscheidet darüber, ob die gegenwärtige Regierung unter dem frischgebackenen Friedensnobelpreisträger und amtierenden Premierminister Abiy Ahmed weiter regieren kann. Auch wenn Ahmed als Favorit gilt, scheint sein Sieg alles andere als sicher.
Ahmed hat eine Menge mutiger politischer Reformen angestoßen. Nun möchte er die wirtschaftliche Öffnung weiter vorantreiben. Unter anderem sollen die Bereiche Logistik, Telekommunikation, Flugverkehr sowie der Zuckersektor liberalisiert werden. Die Öffnung der äthiopischen Wirtschaft erscheint dringend notwendig, denn sie ist stark reguliert und für private Investitionen nur beschränkt attraktiv.
Für deutsche Unternehmen entwickelte sich Äthiopien in den vergangenen Jahren zu einem zunehmend interessanten Markt in Afrika. Mehrere Firmen eröffneten Büros in der Hauptstadt Addis Abeba. Dabei liegt ihr Schwerpunkt auf dem Vertrieb technischer Komponenten.
Indikator | 2018 | 2019 *) | Vergleichsdaten Deutschland 2018 |
BIP (nominal, Mrd. US$) | 80,3 | 83,7 | 4.001,5 |
BIP pro Kopf (US$) | 852,8 | 951,1 | 48.269 |
Bevölkerung (Mio.) | 109,2 | 112,1 | 82,9 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = x Birr (Br)) | 32,4 | 32,2 | - |
*) Schätzung
Quellen: EIU; Statistisches Bundesamt; IWF World Economic Outlook
Staatliche Infrastruktur- und private Häuserbauprojekte in Addis Abeba werden zwar in großer Zahl umgesetzt, gleichwohl handelt es sich dabei überwiegend um Aktivitäten, die schon vor einigen Jahren begonnen wurden. Neue Projekte werden angesichts des Devisenmangels laut Angaben von Landeskennern nur noch in verringerter Zahl begonnen.
Aufgrund des Devisenmangels wünscht sich der Staat Investitionen in exportorientierten Sektoren, wie Agro-Processing, Bergbau sowie Öl und Gas. Für die Ansiedlung exportorientierter Industrien werden im ganzen Land Industrieparks auf die grüne Wiese gesetzt. Potenzial für lokale Produktion ist vorhanden, was die Investitionen zahlreicher asiatischer Textilhersteller in Fabriken in Äthiopien gezeigt hat. Sie profitieren von einem weitgehend barrierefreien Zugang äthiopischer Produkte in die USA und nach Europa. Die äthiopische Regierung hofft nun auch auf Ansiedlungen in anderen Branchen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) | 5.000 | Im Bau seit 2011. Geplante Fertigstellung 2021. | Wasserkraftwerk mit 6.450 MW Kapazität. Hauptkontraktor: Salini Impregilo (Italien). Auftraggeber: Ethiopian Electric Power (EEP). |
Ethiopia-Djibouti Gas Pipeline | 4.000 | Geplant. Übereinkunft zwischen Äthiopien und Dschibuti wurde 2019 geschlossen. | Pipeline soll von den Gasfeldern Calub und Hilala über 765 km zum ebenfalls geplanten LNG-Terminal in Damerjog führen. Entwickler: Poly Group/GCL Group (beide aus China). |
Geothermiekraftwerke Corbetti und Tulu Moye | 4.400 | Geplant. Es werden noch weitere Investoren gesucht. | Beide Projekte sollen als Independent Power Producer (IPP) durchgeführt werden. Hauptakteur ist derzeit Reykjavik Geothermal (Island). Je Kraftwerk ist eine Kapazität von 500 MW geplant. |
Danakil-Pottasche-Projekt | k.A. | Geplant. | Lizenznehmer: Circum Minerals (London). |
Entwicklung von mehreren Industrieparks (derzeit mehr als 16) | k.A. | Unterschiedliche Projektstände. | Entwickler sind vornehmlich chinesische Firmen. |
Wasserkraftwerk Koysha | 2.300 | Im Bau. | Geplante Kapazität: 2.160 MW. Auftragnehmer: Salini Impregilo (Italien). Auftraggeber: Ethiopian Electric Power (EEP). |
Ethiopia-Kenya-Electricity Highway | 1.260 | Im Bau seit 2019. | Weltbank finanziert 80%, den Rest die beiden Regierungen. Bau durch China Electric Power Equipment & Technology Company. |
Awash-Weldia-Hara Gebeya Rail Projekt | 1.700 | Im Bau. | Finanzierung durch ein internationales Bankenkonsortium. Baudurchführung: Yapi Merkezi (Türkei). Die 392 km lange Trasse verbindet den Norden Äthiopiens mit der Hauptstrecke Addis Abeba nach Dschibuti. |
Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten unter http://www.gtai.de/aethiopien, "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Mit etwa 112 Millionen Menschen verfügt Äthiopien über einen der interessantesten Konsumgütermärkte Afrikas. Für ausländische Unternehmen ist der Zugang jedoch nur eingeschränkt. So können ausländische Supermarktketten keine Filialen eröffnen. Nahrungsmittel müssen in großer Menge importiert werden, was angesichts des Devisenmangels problematisch ist. Die Regale in den Supermärkten von Addis Abeba fallen durch mangelnde Warenvielfalt und teils gähnende Leere auf.
Eine lokale Produktion von Getränken, Nahrungsmitteln, Seife, Waschmitteln oder Windeln für den Massenmarkt ist attraktiv. Allerdings können die in der lokalen Währung Birr erzielten Einnahmen nur schwer in Devisen umgetauscht und aus dem Land heraustransferiert werden. Aus diesem Grund reinvestieren die lokalen Konsumgüterhersteller massiv in die Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten. Mit Glück bekommen sie Devisen vom Staat für den Maschinenimport zugeteilt. Ansonsten muss ihnen der Lieferant einen großzügigen Kredit einräumen.
Im Jahr 2019 deutet sich laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes eine leichte Zunahme der deutschen Lieferungen nach Äthiopien an. Zwischen Januar und Juni wurde ein Exportwert von 141,3 Millionen Euro erreicht, was einem Zuwachs von mehr als zwölf Prozent entspricht. Insgesamt wurden im Jahr 2018 aus Deutschland Waren im Wert von 252,3 Millionen Euro nach Äthiopien geliefert. Damit ist das Land in Ostafrika nach Kenia der zweitgrößte Liefermarkt.
Das Marktumfeld für weitere Exportsteigerungen dürfte sich in den kommenden Jahren verschlechtern. Aufgrund des Devisenmangels sind Handelsgeschäfte deutlich komplizierter in der Abwicklung. Private Käufer gelangen nur unter erschwerten Bedingungen an Auslandswährungen. Grundnahrungsmittel und Medikamente haben hier noch die besten Chancen. Handelsgeschäfte mit dem Staat leiden ebenfalls. Weil dessen Zahlungsmoral zuletzt gelitten hat, werden Konnossemente (Wertpapiere) seitens der Banken zum Teil nicht mehr ausgestellt.
2018 | 2019 *) | Veränderung 2019/18 | |
Importe | 15.215 | 15.447 | +1,5 |
Exporte | 2.528 | 2.966 | +17,3 |
Handelsbilanzsaldo | -12.687 | -12.481 | - |
*) Schätzung
Quelle: EIU
Weitere Informationen (zum Beispiel SWOT-Analyse, Branchenberichte) finden Sie unter http://www.gtai.de/aethiopien