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Wirtschaftsausblick | Brasilien

Wachstum setzt sich 2024 fort, aber langsamer

Nach dem überraschend guten Jahr 2023 blickt Brasiliens Wirtschaft zuversichtlich auf 2024. Sinkende Zinsen kurbeln die Investitionen an. Risiken bergen die hohen Staatsausgaben.

Von Gloria Rose | São Paulo

Top-Thema: Reformen stützen den Aufschwung

Im vierten Jahr in Folge überrascht Brasilien mit einem Wachstum, das deutlich über den Erwartungen der Finanzinstitute zu Jahresbeginn liegt. Entscheidend dazu beigetragen haben die Wirtschaftsreformen der Vorgängerregierungen. Besonders wichtig waren die Arbeitsmarktreform, die Rentenreform, die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Privatisierungen, die den Infrastrukturausbau ermöglichen. 

Zwei Reformen, die die neue Regierung seit dem Amtsantritt von Lula da Silva auf den Weg gebracht hat, legen den Grundstein für weiteres Wachstum. So soll der neue fiskalpolitische Rahmen ein Ausufern der Staatsverschuldung verhindern. Die zweite wichtige Maßnahme ist die Steuerreform, die derzeit noch im Nationalkongress verhandelt wird. Die Reform soll Bürokratie abbauen und Anreize für die Reindustrialisierung des Landes schaffen, unter anderem durch umfassende Steuererleichterungen für Unternehmen.

Wirtschaftsentwicklung: Brasilien ist auf einem stabilen Wachstumskurs

Im 1. Halbjahr 2023 profitierte die Wirtschaft von einer Rekordernte. Auch die hohen Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Eisenerz sowie die Erholung des Dienstleistungssektors kurbeln das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der Finanzmarkt mit einem Anstieg des BIP um real fast 3 Prozent.

Im Jahr 2024 sind keine neuen Wachstumsimpulse aus der Agrarwirtschaft und der Rohstoffindustrie zu erwarten. Positiv dürften sich aber die sinkenden Zinsen auswirken. Die Finanzinstitute erwarten, dass der Leitzins bis Ende 2024 auf 9,25 Prozent fällt. Die Zentralbank hatte die Zinswende im August 2023 eingeleitet. Seitdem senkte sie den Leitzins in drei Schritten von 13,75 auf 12,25 Prozent.

Die Zinssenkungen werden die Investitionen und den Konsum stimulieren. Davon profitieren insbesondere die verarbeitende Industrie und die Bauwirtschaft. Insgesamt dürfte das BIP-Wachstum 2024 mit voraussichtlich 1,5 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr.

International gewinnt Brasilien an Bedeutung. Dank des soliden Wachstums seit 2021 und der schrittweisen Aufwertung der Landeswährung hat Brasilien Kanada von Rang 9 der größten Volkswirtschaften der Welt verdrängt. Dies zeigen Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Oktober 2023. Bis 2026 könnte Lateinamerikas größte Volkswirtschaft auf Platz 8 vorrücken, vor Italien. Allerdings hatte Brasilien 2008 bis 2011 bereits einmal den 6. Platz im IWF-Ranking inne.

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Trotz guter Perspektiven ist Vorsicht geboten

Die erwarteten Zinssenkungen sind jedoch nicht ausgemacht. Sollten die Risiken für die Preisentwicklung zunehmen, muss die Zentralbank den Leitzins hoch halten, um der Inflation entgegenzuwirken. Das größte Inflationsrisiko stellt die Fiskalpolitik dar trotz des neuen Rechtsrahmens für die Neuverschuldung. Denn die Staatsausgaben steigen sehr stark an. Die Regierung will nun eine Obergrenze (Schuldenbremse) einführen. Doch laut Prognose des IWF könnte die Staatsschuldenquote bis Ende 2024 auf über 90 Prozent des BIP steigen und bis Ende 2028 weiter auf 96 Prozent wachsen. Damit ist Brasilien neben Ägypten, Argentinien und Indien eines der Schwellenländer, das am stärksten verschuldet ist.

Mitte 2023 stuften die Ratingagenturen Fitch und S&P die Kreditwürdigkeit Brasiliens hoch. Von der Anerkennung einer sehr guten Bonität ist das Land aber noch weit entfernt. Die Auszeichnung "Investment Grade" hatte Brasilien 2015 verloren.

Zinssenkungen und Infrastrukturprogramm regen Investitionen an

Nach dem Rückgang 2023 sollen die Bruttoanlageinvestitionen 2024 wieder anziehen. Dafür sorgt auch das neue Investitionsprogramm Programa de Aceleração do Crescimento (PAC), das die Regierung Anfang August 2023 auflegte. Im Rahmen des PAC sollen bis 2026 etwa 285 Milliarden US-Dollar (US$) in Infrastrukturprojekte fließen. Vorhaben im Umfang von 40 Milliarden US$ werden über das Programa de Parcerias de Investimentos (PPI) strukturiert und an private Betreiber vergeben. Derzeit befinden sich 209 Projekte in der Pipeline.

Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten finden Sie auf der GTAI-Länderseite Brasilien unter "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

Konsum: Positive Signale am Arbeitsmarkt 

Die privaten Konsumausgaben werden 2024 voraussichtlich zulegen, jedoch nicht ganz so stark wie 2023. Der Verkauf langlebiger Konsumgüter stagniert. Im Zuge der Zinssenkungen dürfte sich der Nachfragestau entladen. In Umfragen äußern sich die Verbraucher optimistischer als die Haushalte in Europa und in anderen Schwellenländern. Auch die Unternehmer blicken positiv in die Zukunft und planen Neueinstellungen. Damit bleibt die Arbeitslosigkeit niedrig. Im 3. Quartal 2023 fiel die Quote auf 7,7 Prozent, den niedrigsten Wert seit 2014. 

Außenhandel: Exportüberschuss auf Rekordniveau

In den ersten zehn Monaten 2023 exportierte Brasilien Waren mit einem ähnlich hohen Wert wie im Vorjahreszeitraum. Dagegen brachen die Importe um 12 Prozent ein. Entsprechend erhöhte sich der Handelsbilanzüberschuss um fast 60 Prozent auf über 80 Milliarden US$. China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Brasiliens, auf den rund 30 Prozent der Exporte und über 20 Prozent der Importe entfallen. 

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Deutsche Perspektive: Konkurrenz aus China nimmt zu

Deutschland überholte in diesem Jahr Argentinien und ist derzeit nach China und den USA das drittwichtigste Lieferland. Das Importvolumen aus China ist heute allerdings etwa viermal so hoch wie das aus Deutschland. Deutsche Produkte genießen in Brasilien einen hervorragenden Ruf, können auf dem preisorientierten Markt jedoch kaum mit Waren aus der Volksrepublik mithalten. Deutsche Maschinenbauer gewinnen ihre Kunden durch einen zuverlässigen After-Sales-Service. Jetzt strömen immer mehr chinesische E-Autos auf den Kfz-Markt. So will Chery 2024 auch die Marken Omoda und Jaecoo einführen. Der Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens würde eine Wende einleiten. 

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Weitere Informationen zu Brasilien erhalten Sie auf der Länderseite.

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