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GeorgienAußenwirtschafts-, Industriepolitik / Konjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick Georgien Außenwirtschafts-, Industriepolitik
18.11.2019
Tiflis (GTAI) - Die georgische Wirtschaft weist weiterhin ein erfreuliches Wachstum auf. Das Klima für Unternehmen und die Investitionsbedingungen aber sind rauer geworden.
Die Aussichten der Wirtschaft Georgiens auf ein markantes Wachstum in den Jahren 2019 und 2020 stehen grundsätzlich gut. Ursprünglich erwartete höhere Zuwächse haben viele Marktbeobachter aber nach unten korrigiert. So prognostiziert die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) für die Jahre 2019 und 2020 reale Wachstumsraten von 4,7 und 4,6 Prozent gegenüber früher 5 und 4,9 Prozent. Die meisten Beobachter rechnen für 2019 mit einem Plus von im Schnitt 4,5 Prozent und 4,8 Prozent für das Folgejahr.
Die Gründe für das nun schwächere Wachstum sind vielschichtig: Verschärfte Regelungen für Kreditvergaben, aus Sicht der Unternehmer zu strenge neue Bauvorschriften und die Abwertung der Landeswährung Lari. Dies drosselt Investitionen und zum Teil auch den Privatverbrauch. Sich wieder zuspitzende politische Konflikte zum russischen Nachbarn führten zur Einstellung von Direktflügen zwischen Russland und Georgien. Unter dem seit Anfang Juli 2019 verhängten Flugverbot leidet das Tourismus-Geschäft, das die Wirtschaft heute stark prägt. Zunehmende Spannungen zwischen konservativen und progressiven politischen Kräften in Georgien bleiben nicht ohne negative Auswirkungen auf das unternehmerische Klima im Land.
Hauptmotoren des für 2019 und 2020 erwarteten Wachstums sind der Privatverbrauch, darunter vorrangig der Dienstleistungssektor, das Exportgeschäft, die trotz eines geringeren Touristenstroms aus Russland weiterhin hohen Erlöse aus dem Incoming-Tourismus (2018: 3,2 Milliarden US-Dollar). Zudem erhöhen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Produktionszuwächse in einigen Sparten der verarbeitenden Industrie und nicht zuletzt öffentliche Bauinvestitionen mit dem Schwerpunkt Straßenbau. Der Ausbau der Ernährungswirtschaft und anderer für die Diversifizierung der Wirtschaft wichtiger Branchen kommt bislang noch nicht im gewünschten Tempo voran. Die traditionell hohe Importlastigkeit der Wirtschaft verspricht ausländischen Firmen auch künftig gute Geschäfte auf dem kleinen georgischen Markt.
Indikator | 2017 | 2018 | Vergleichsdaten Deutschland 2018 |
BIP (nominal, Mrd. US$) | 15,1 | 16,2 | 3.949,7 |
BIP pro Kopf (US$) | 4.047 | 4.346 | 47.642 |
Bevölkerung (31.12.; Mio.) | 3,7 | 3,7 | 82,9 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Lari, GEL) | 2,5129 | 2,5403 | - |
Quellen: Geostat, Statistisches Bundesamt
Die aktuelle Lage und die mittelfristigen Aussichten für die Investitionsneigung sind weniger gut. Im 1. Halbjahr 2019 wurden rund 2 Milliarden US-Dollar gegenüber fast 2,3 Milliarden US-Dollar im gleichen Vorjahreszeitraum investiert. Für die Jahre 2019 und 2020 ist mit einem realen Rückgang zu rechnen. Nominal seien bestenfalls kleine Zuwächse der Investitionen zu erwarten.
Hauptgründe für die sinkende Investitionsneigung sind neue strenge Bestimmungen für die Kreditvergabe und das Baurecht, eine schleppende Klärung ökologischer und anderer Fragen für den Bau von Wasserkraftwerken und die Abwertung des georgischen Lari gegenüber dem US-Dollar. Im Vergleich zu privaten Kapitalanlagen lässt sich bei den öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur und Regionalentwicklung ein stetiges Wachstum beobachten. Das für diese Sektoren zuständige Ministerium verfügt im Jahr 2019 und voraussichtlich auch im Folgejahr über ein Anlagebudget von etwa 680 Millionen US-Dollar (2018: 624 Millionen US$).
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung/Kontaktpartner |
Autobahn Ost-West (Gesamttrasse Tsiteli-Khidi-Sarpi: 450 km; Teiltrassen führen über sehr bergiges Relief) | 3.000 bis 3.200 (Etat 2019: 353) | Bauphase: 2006/2007 bis 2022 (Realisierungsquote per 1.10.19: knapp 60%; weitere Ausschreibungen geplant) | Straßenbehörde Roads Department Georgia (http://www.georoad.ge), Finanzierung vorrangig über ausländische Kredite (ADB, EIB, JICA und Weltbank) |
Ölraffinerie, Kulevi (Produktion von Kraftstoffen der EURO-Norm 5 und 6, Kerosin und anderen Erzeugnissen, geplanter Gesamtausstoß: 4,2 Mio. t Ölprodukte) | circa 1.000 | vorläufige Machbarkeitsstudie liegt vor (Deloitte and Touche), zz. Suche nach weiteren Investoren (einschl. Crowdfunding), geplante Bauzeit: 3 Jahre | Phasis Oil, Ltd. (Tochter der Streamtrade SA, Schweiz; weitere Partner: Phasis Invest LLC, USA und FinMed AG, Schweiz); Kontakt über http://www.crowdfunder.com/phasis-invest-lc/invest |
Wasserkraftwerk Nenskra am Enguri (280 MW, 1,2 Mrd. kWh/Jahr) | 1.300 | zz. infrastrukturelle Erschließung des Geländes (Straßen, Brücken, Stromversorgung); geplante Fertigstellung: 2025 | JSC Nenskra Hydro (Partner: K Water, Korea (Rep.), 80% und Partnerschaftsfonds Georgiens, 20%, http://www.nenskrahydro.ge), Bauauftragnehmer (EPC): Salini Impreglio S.p.A.; Kofinanzierung über Kredite der EBRD, ADB, EIB und KDB (758 Mio. US$) |
Wasserkraftwerk Namakhvani (333 und 100 MW; 1,5 Mrd. kWh/Jahr) | 750 | Baustart steht bevor, Bauzeit: vier Jahre | Auftragnehmer: ENKA Insaat ve Sanay A.S., Türkei, Clean Energy Group AS, Norwegen (http://www.namakhvani.com) |
Neuer Tiefseehafen Anaklia, Phase 1 (Umschlagkapazität bis zu 900.000 TEU und bis zu 1,5 Mio. Güter) | 600 (Phase 1) | Bauphase: Dezember 2017 bis 2022/23, nach dem Rückzug von Conti International/USA aus dem Projekt zz. Suche nach einem neuen Konsortialpartner | Anaklia Development (TBC Holding/Georgien, SSA Marine/USA, British Wondernet Expres/Großbritannien, Usbekistan, G-Star Ltd./Bulgarien; http://www.anakliadevelopment.com) |
Ausbau des Straßenkorridors Nord-Süd Mtskheta - Stepanzminda - Lars (Phase 1: Bau von 23 km Straßen, 5 Tunnels, darunter eines 9 km langen Tunnels, und 6 Brücken auf der Trasse Kvesheti-Kobi, Region Mtskheta-Mtianeti) | 415 | Geplanter Baubeginn: 2020 | Straßenbehörde Roads Department Georgia (http://www.georoad.ge), Finanzierung über einen Kredit der ADB |
Projekt Batumi Riviera, Batumi (Hochhaus-Komplex,2 Hotels, 4 Apartment-Häuser, Jachtklub, Swimming Pools, künstlicher See) | 250 bis 300 (Phase 1: 65) | Projekt in fortgeschrittener Vorbereitungsphase | Silk Road Group (http://www.silkroadgroup.net), Georgian Co-Investment Fund (http://www.gcfund.ge) |
Errichtung einer Stadtbahn zwischen Tiflis und Rustavi (25 km, 7 Stationen und Anbindung an die Metro) | 174 bis 218 | Projekt in der Planungsphase, Finanzierungsgespräche mit der EBRD und der EIB in Vorbereitung | Stadtverwaltung von Tiflis (http://www.tbilisi.gov.ge) |
Green Resort (mehr als 100 Villen, 317 Apartments, Fünf-Sterne-Hotel mit mindestens 200 Betten, Sport-/Freizeitanlagen, Spa-Komplex, Handelszentren nach dem Prinzip einer Green City), Kobuleti (Adscharien) | 185 (1. Phase) | Realisierung: 2019/2020 bis 2022/23, zz. Suche nach weiteren Investoren | L&R Company, Tschechien/Slowake, Green Resort LLC (http://www.gr.ge, http://www.greenresort.cz) |
Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Online-Ausschreibungsdatenbank: https://tenders.procurement.gov.ge
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten unter http://www.gtai.de/georgien, "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Das Verbrauchervertrauen hat sich in den letzten zwei Jahren aufgehellt. Negative Erwartungen übersteigen dennoch die positiven Bewertungen des Konsumklimas. Das gilt namentlich für die Verbraucher in den Regionen außerhalb der Hauptstadt Tiflis. Eine gegenüber dem US-Dollar schwache Nationalwährung und verschärfte Bankregularien für eine Kreditaufnahme drosseln den Konsum. Bis zu zwei Drittel der Einwohner Georgiens gelten als arm.
Dennoch ist es um den Einzelhandel nicht schlecht bestellt. Der Handel profitiert vom starken Incoming-Tourismus, vom hohen Geldtransfer georgischer Gastarbeiter aus dem Ausland, vom Interesse vieler Verbraucher am Einkauf in modernen Geschäften und nicht zuletzt von der großen Schattenwirtschaft. Der Fachhandel weitet seine Präsenz auf dem Markt aus. Der Handel dürfte 2019 preisbereinigt auf dem hohen Niveau des Vorjahres verharren und 2020 wieder um einige Prozentpunkte zulegen.
Für ein sattes Plus bei den Exporten sorgten höhere Preise für Kupfer und Ferrolegierungen, ein starker Reexport von Pkw und Arzneimitteln (vorrangig nach Aserbaidschan und Armenien) und eine strake Ausfuhr von Wein, Mineralwasser und Spirituosen. Diese sieben Warenpositionen stehen für gut 50 Prozent der gesamten Ausfuhren zwischen Januar und September 2019. Die gesamten Warenexporte dürften 2019 und 2020 mindestens um jeweils 10 Prozent steigen.
Nach einem nominalen Wachstum der Importe im Jahr 2018 um 15 Prozent ist für 2019 nur ein leichter Zuwachs um etwa 2 Prozent zu erwarten. Für die ersten drei Quartale 2019 meldet die Statistik einen Rückgang der Einfuhren um 3,3 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Auch im Jahr 2020 dürfte der nominale Importzuwachs bescheiden ausfallen. Gründe dafür sind eine verhaltene Investitionsneigung, eine schwächere Nachfrage nach importierten Konsumgütern und der sinkende Reexport von Dieselkraftstoffen.
Traditionell muss Georgien das Gros seines Bedarfs an Energieträgern, Nahrungsgütern sowie Maschinen und Ausrüstungen importieren. Hauptbezugsländer waren in den ersten acht Monaten 2019 die Türkei (994 Millionen US$), China (574Millionen US$) und Russland (565 Millionen US$). Deutsche Firmen lieferten Waren für 286 Millionen US-Dollar.
2017 | 2018 | 2019 1) | Veränd. (in %) 2) | |
Warenimporte (cif) | 7.943 | 9.137 | 6.475 | -3,3 |
Warenexporte (fob) | 2.736 | 3.356 | 2.719 | 11,1 |
Handelsbilanzsaldo | -5.203 | -5.781 | -3.756 | - |
1) Januar bis September 2019 (vorläufige Angaben); 2) Veränderung Januar bis September 2019: Januar bis September 2018
Quelle: Geostat
Weitere Informationen (zum Beispiel SWOT-Analyse, Branchenberichte) finden Sie unter HYPERLINK "http://www.gtai.de/georgien