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Vereinigtes KönigreichAußenwirtschafts-, Industriepolitik / Konjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten / Brexit
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick Vereinigtes Königreich Außenwirtschafts-, Industriepolitik
03.06.2019
London (GTAI) - Das britische Wirtschaftswachstum verliert an Dynamik. Unternehmen halten Investitionen zurück. Positive Impulse bringen der robuste Arbeitsmarkt und der Privatverbrauch.
Im Frühjahr 2019 wurde der für Ende März 2019 geplante Austritt des Vereinigten Königreiches verschoben. Nun soll der Brexit bis spätestens zum 31. Oktober 2019 vollzogen werden. Der geplante Brexit bleibt das Kernthema der politischen Diskussionen im Königreich und verdrängt alle anderen wirtschaftspolitische Themen in den Hintergrund.
Seit dem Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union (EU) verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum. Die EU-Kommission rechnet für 2019 mit einem Wachstum des britischen Bruttoinlandprodukts (BIP) von real 1,3 Prozent. Das ist das niedrigste Wachstumsniveau seit der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009. Prognosen zur mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung werden durch die noch unklaren Rahmenbedingungen des EU-Austritts erschwert.
Unternehmen im Vereinigten Königreich leiden unter der andauernden Brexit-Unsicherheit. Investitionspläne werden zurückgeschraubt, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Im Jahr 2018 sanken die Unternehmensinvestitionen zum ersten Mal seit 2009 in vier darauffolgenden Quartalen. Staatlich finanzierte Großprojekte im Energie- und Infrastrukturbereich können den Investitionsrückgang nur zum Teil kompensieren.
Indikator | 2017 | 2018 | Vergleichsdaten Deutschland 2018 |
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 2.312 | 2.364*) | 3.388,2 |
BIP pro Kopf (Euro) | 35.421 | 36.020*) | 40.871 |
Bevölkerung (Mio.) | 66,1 | 66,5*) | 82,9 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 GBP (£) = ? Euro) | 1,1413 | 1,1305 |
*) Schätzung
Quellen: Office for National Statistics; Bank of England; Berechnungen von Germany Trade & Invest; Statistisches Bundesamt
Die verunsicherte Wirtschaft hält Investitionen seit dem Brexit-Referendum zurück. Nach jüngsten Schätzungen der EU-Kommission gingen die Ausrüstungsinvestitionen 2018 um 4,5 Prozent zurück. Für 2019 wird ein weiterer Rückgang um 4,0 Prozent erwartet.
Das deutlichste Beispiel ist die Kfz-Branche, dessen Wertschöpfungskette eng mit dem europäischen Festland verflochten ist. Die Autohersteller im Vereinigten Königreich investierten im Jahr 2016 insgesamt 2,5 Milliarden Pfund Sterling, rund 3,1 Milliarden Euro, in ihre Werke. Im Jahr 2018 lagen die Investitionen der britischen Kfz-Branche bei lediglich 560 Millionen Pfund Sterling (631 Millionen Euro).
Vorhaben | Investitionssumme (Mrd. Euro) | Projektstand | Entwickler/Anmerkungen |
Schienenprojekt High Speed Rail 2 (HS2): London-Birmingham-Manchester/Leeds | 64,5 *) | Baubeginn des Abschnitts London-Birmingham 2019 | HS2 Ltd. http://www.hs2.org.uk/supply-chain/ |
Schienenprojekt Crossrail 2; geplanter Streckenverlauf: Süd-Ost England-London-Hertfordshire | 34,7 *) | Geplanter Baustart: 2021/2022 | Crossrail 2 Ltd.; http://www.crossrail2.co.uk |
Atomkraftwerk Hinkley Point C | 22,7 | Bauarbeiten laufen seit 2017; erwartete Inbetriebnahme: 2025 | EDF mit Beteiligung von China General Nuclear Power http://www.hinkleysupplychain.co.uk |
Ausbau Flughafen Heathrow, Start-und Landebahn, Terminalbau | 16,2 | Anhörungen laufen (Anwohner, Umweltauflagen) | Heathrow Airport Ltd. |
Wohnungsbauprojekt in Thamesmead, Südostlondon (11.500 Wohnungen) | 9,3 | Baubeginn noch unklar; Finanzierungsabschluss Sommer 2019 | Peabody; bevorzugter Bieter: Lendlease |
Abwasserkanal Thames Tideway Tunnel in London (25km) | 4,4 | Im Bau; geplantes Bauende: 2024 | Bazalgette Tunnel Ltd., www.tideway.london |
Offshore-Windfarm East Anglia Three (1,2 GW), Ostengland | 4,1 | Baugenehmigung: August 2017; erwarteter Baustart: 2022 | ScottishPower Renewables (gehört zu Iberdrola Group) |
U-Bahn Erweiterung London (Bakerloo Line) | 3,6 | Finanzierungsgespräche laufen; angedachter Baustart: 2023 | Transport for London |
U-Bahn Züge für Piccadilly Line in London (94 Züge) | 1,7 | Auslieferung beginnt ab 2023 | Transport for London; Zulieferer Siemens Mobility |
Straßentunnel unter der Themse in Ost-London: Silvertown Tunnel | 1,2 | Vergabe im Frühsommer 2019; geplanter Baustart: 2019/2020 | Transport for London; Hochtief unter den Bietern |
Gas- und Dampfkombikraftwerk, Selby, Yorkshire (2.500 MW) | k.A. | Baugenehmigung erhalten: September 2018 | Eggborough Power Ltd. (gehört zu EPH Group) |
*) inklusive Kosten für Züge
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen unter http://www.gtai-EU-Ausschreibungen.de.
Die nationale Ausschreibungsdatenbank finden Sie unter
https://www.gov.uk/contracts-finder
Seit dem Brexit-Referendum wächst der private Konsum langsamer. Laut Schätzungen der EU-Kommission soll die private Nachfrage 2019 und 2020 um jeweils 1,8 Prozent zulegen. Sorgen bereitet jedoch die sinkende Sparquote der Haushalte und die steigende Privatverschuldung.
Der robuste Arbeitsmarkt sendet positive Signale. Für 2019 wird trotz der niedrigen Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent ein Beschäftigungszuwachs von 0,8 Prozent erwartet. Die nahezu Vollbeschäftigung führt jedoch in manchen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung zu Engpässen.
Die Ausbreitung des E-Commerce in Verbindung mit dem sich abschwächenden privaten Konsum treiben immer mehr Einzelhändler in den Konkurs. Laut einer Analyse von PriceWaterhouseCoopers schlossen im Jahr 2018 rund 40 Prozent mehr Geschäfte als im Vorjahr. Im Jahr 2019 kamen bekannte Ketten wie das Warenhaus Debenhams, die Modekette L K Bennett, die Café-Kette Patisserie Valerie und die Restaurants des Starkochs Jamie Oliver hinzu.
Unmittelbar nach dem Brexit-Referendum begünstigte die Abschwächung des Pfund Sterlings britische Exporte. Seit Mitte 2018 wachsen die Einfuhren allerdings schneller als die Ausfuhren. Hauptgrund hierfür ist die Vorratsbildung von Unternehmen im Zuge des ursprünglich festgelegten Brexit-Datums am 29. März. Der Lageraufbau erreichte unter britischen KMU laut Unternehmerverband CBI im 1. Quartal 2019 einen Rekordwert. Nachdem das Austrittsdatum auf Ende Oktober verschoben wurde, verlangsamte er sich wieder.
Unter den ersten zehn Handelspartnern Deutschlands ist das Vereinigte Königreich 2018 das einzige Land mit einem rückläufigen Warenaustausch. Der Außenhandelsumsatz (Importe und Exporte) zwischen Deutschland und den britischen Inseln nahm 2018 gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent ab. Dadurch rutschte das Vereinigte Königreich in der Rangliste der Handelspartner Deutschlands um einen Platz ab und belegt nun hinter Italien den sechsten Platz.
Auch wenn die Warenimporte aus Deutschland 2018 um 1,1 Prozent rückläufig waren, bleibt Deutschland mit einem Anteil von 13,6 Prozent an den Gesamteinfuhren das wichtigste Lieferland des Vereinigten Königreichs. Der Grund für den Rückgang war der Nachfrageeinbruch bei Pkw.
2017 | 2018 | Veränderung 2017/2018 | |
Importe | 569.599 | 570.433 | 0,1 |
Exporte | 390.824 | 411.259 | 5,2 |
Handelsbilanzsaldo | -178.775 | -159.174 | -11,0 |
*) nominale Veränderung im Vergleich zur Vorjahresperiode
Quelle: Eurostat
Weitere Informationen (zum Beispiel SWOT-Analyse, Branchenberichte) finden Sie unter http://www.gtai.de/vk.
Germany Trade & Invest informiert regelmäßig auf der Sonderseite http://www.gtai.de/brexit.