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Wirtschaftsausblick | Ukraine

Starkes Wachstum auf niedriger Basis

Die ukrainische Wirtschaft wächst 2024 wieder stark. Vor allem staatliche Investitionen treiben das Wachstum an. Von einer stabilen Entwicklung kann jedoch noch keine Rede sein.

Von Waldemar Lichter | Bonn

Topthema: Wiederaufbau, Energie und Transportwege im Fokus

Russlands Angriffskrieg geht 2024 in sein 3. Jahr, und ein Ende ist nicht absehbar. Die russische Armee setzt die zielgerichtete Zerstörung der ukrainischen Wirtschaft und Infrastruktur fort. Die Kriegsschäden beliefen sich zum 1. September 2023 auf mindestens 140 Milliarden Euro - Tendenz steigend.

Dennoch beginnt das osteuropäische Land bereits mit dem Wiederaufbau. Dieser wird eine Generationenaufgabe. Kurzfristig geht es darum, die Arbeitsfähigkeit und die Versorgung der Wirtschaft mit Energie und Rohstoffen zu gewährleisten. Gesichert werden müssen auch die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Transportwege, damit ukrainische Unternehmen exportieren und Einnahmen generieren können. Die Ausfuhren sollen in den Folgejahren ein wichtiger Wachstumsfaktor werden. 

Energiewirtschaft besser für Kriegswinter gewappnet

Die Ukraine kann die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit Strom und Wärme nach den schweren Angriffen im letzten Winter größtenteils wieder sicherstellen. Vereinzelt kann es zu Versorgungsunterbrechungen und Notabschaltungen kommen. Die Schäden an der Energieinfrastruktur sind zwar beträchtlich und belaufen sich auf rund 10 Milliarden US$. Doch geht das Energiesystem – auch dank ausländischer Hilfe – besser vorbereitet in die Wintersaison 2023/24.

Sicherung der Logistik für Versorgung und Exporte

Die Ukraine exportiert ihre wichtigsten Produkte hauptsächlich auf dem Seeweg. Die russische Blockade der Seetransportwege und der Häfen im Schwarzen und Asowschen Meer hat den Ausfuhren deshalb einen schweren Schlag versetzt. Die ukrainischen Exporteure passen sich zwar an die veränderte Lage an. Doch die Suche nach neuen Transportwegen ist schwierig und macht Exporte weniger oder nicht rentabel. Wo Alternativen gefunden werden, zerstört Russland mit Drohnen und Raketen die dafür vorgesehene Lager- und Hafeninfrastruktur. Für Abhilfe sorgt die EU. Für den Wiederaufbau der beschädigten Hafeninfrastruktur stellt der Staatenverbund der Ukraine 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Schwierigkeiten gibt es derzeit auch bei dem Straßentransport. Die wochenlange Blockade der ukrainischen Grenze durch polnische und slowakische Spediteure und Landwirte im November 2023 haben zu Millionenverlusten geführt. Besonders betroffen sind ukrainische Automobilzulieferer, die ihre Kunden im Westen nicht pünktlich und zuverlässig beliefern können.

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum wird 2025 deutlich anziehen

Ungeachtet der russischen Angriffe hat sich die ukrainische Wirtschaft im Jahr 2023 besser entwickelt als von den meisten Experten erwartet. Nach dem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2022 um fast 30 Prozent, geht es seit dem Frühjahr 2023 wieder aufwärts. In den ersten drei Quartalen 2023 belief sich das BIP-Plus auf 5,3 Prozent. Das hohe Wachstum ist allerdings vor dem Hintergrund einer niedrigen Basis zu sehen. Berechnungen des Kiewer Institute for Economic Research zufolge sei das ukrainische BIP im Oktober 2023 rund 28 Prozent geringer gewesen als im Oktober 2021.

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Angesichts des starken Wachstums seit dem 2. Quartal 2023 sind die meisten Prognosen der Wirtschaftsdaten für das Gesamtjahr nach oben korrigiert worden. So geht die ukrainische Nationalbank für das Gesamtjahr von einem realen BIP-Wachstum von 4,9 Prozent (vorher: 2,9), die EU-Kommission von 4,8 Prozent und der Internationale Währungsfonds (IWF) von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus.

Für das Jahr 2024 rechnet die EU-Kommission mit einem Wachstum von 3,7 Prozent. Ab 2025 könnte die Dynamik sogar anziehen, wenn der Wiederaufbau des Landes an Fahrt gewinnt. Investitionen zum Bau von Wohnungen, Verkehrswegen und der Versorgungs- und Energieinfrastruktur werden dann die Wirtschaft ankurbeln. Private Investitionen bleiben dagegen schwach.

Zu den größten Wachstumshemmnissen zählen zerstörte Infrastruktur und Produktionsanlagen, anhaltende Sicherheitsrisiken, die eingeschränkte Exportlogistik, fehlendes Kapital und zu wenig verfügbare Kredite. Besonders schwer wiegt auch der Arbeitskräftemangel.

Deutsche Perspektive: Unternehmen beteiligen sich am Wiederaufbau

Der Krieg hat den deutsch-ukrainischen Handel nur kurz getroffen. Die deutschen Ausfuhren gingen 2022 gegenüber dem Vorjahr wertmäßig um fast ein Fünftel zurück. In den ersten drei Quartalen 2023 erholten sich die Exporte und übertreffen mit rund 5 Milliarden Euro bereits das Vorjahresniveau.

Die deutschen Importe aus der Ukraine stiegen 2022 dagegen nominal leicht um 1,3 Prozent. Zwischen Januar und September 2023 beliefen sich die Einfuhren auf 2 Milliarden Euro - ein Minus von 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Doch der bilaterale Handel mit der Ukraine wird nach Kriegsende wieder an Schwung gewinnen. Der mittelfristig angestrebte EU-Beitritt bringt mehr Rechtssicherheit und macht die Ukraine zudem attraktiver für Investitionen.

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Selbst unter Kriegsbedingungen reißen die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen nicht gänzlich ab. Das Interesse deutscher Unternehmen am ukrainischen Markt sei ungebrochen hoch, berichtet die Deutsch-Ukrainische Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine). Viele Unternehmen bereiteten sich schon jetzt darauf vor, am Wiederaufbau teilzuhaben und die damit verbundenen Chancen zu nutzen.

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Besonderes Potenzial sieht die AHK im Energiesektor. "Uns erreichen einige Anfragen von Unternehmen, die Energietechnik anbieten oder Solar- beziehungsweise Windparks entwickeln wollen“, berichtet AHK-Geschäftsführer Reiner Perau. Auch beim Thema Energieeffizienz eröffnen sich für deutsche Anbieter Geschäftschancen. Große Möglichkeiten bieten auch die Bauwirtschaft und die Herstellung von Baustoffen. Die Zerstörung von Wohnraum und Infrastruktur macht riesige Wiederaufbauinvestitionen erforderlich. Wachsender Bedarf entsteht durch die Wiederherstellung des Gesundheitswesens. Auch in der Landwirtschaft sehen deutsche Firmen mehr Chancen als Risiken.

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