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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Brexit

Deutsch-britischer Außenhandel erholt sich nur langsam

Der britische Außenhandel mit Deutschland und der Europäischen Union (EU) hat das Coronatief zwar hinter sich gelassen, die EU-Zollgrenze verhindert jedoch einen echten Höhenflug.

Von Marc Lehnfeld | London

Das Vereinigte Königreich erholt sich nach dem Coronaschock nur langsam vom starken Einbruch im Außenhandel. In den ersten fünf Monaten 2021 lag der britische Handel mit der EU bei den Importen 0,5 Prozent und bei den Exporten 3,8 Prozent über dem Corona-bedingt niedrigen Niveau aus dem Vorjahr. Im Handel mit Deutschland zeigten sich die Importe mit 9,2 Prozent deutlich über dem Tiefpunkt im letzten Jahr, während die Warenexporte in die Bundesrepublik noch 4,0 Prozent zurückliegen.

Britische Warenimporte aus den fünf wichtigsten Herkunftsländern (Januar bis Mai 2021)

Herkunftsland

in Mio. Euro1

in Mio. brit. Pfund3

Veränderung ggü. Vorjahresperiode (in %)2,3

Veränderung ggü. Durchschnittsperiode 2018-2020 (in %)2,3

Gesamter Warenimport

206.238

179.314

8,2

-8,4

EU

100.049

86.998

0,5

-16,6

Rest der Welt

106.189

92.316

16,6

1,0

China

32.076

27.879

52,4

50,2

Deutschland

25.901

22.512

9,2

-13,5

USA

15.674

13.622

-15,7

-22,6

Niederlande

14.078

12.248

-16,0

-26,6

Frankreich

10.845

9.431

-1,0

-19,4

1) Umrechnung auf Basis der jeweiligen monatsdurchschnittlichen Wechselkurse der Bundesbank ; 2) nominale Veränderungsrate gegenüber der Vorjahresperiode auf Pfundbasis; 3) saisonbereinigte Volumen in Milliarden Pfund SterlingQuelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten des britischen Statistikamts 2021

Vergleicht man aber die Handelsentwicklung von Januar bis Mai 2021 mit den Durchschnitten von 2018 bis 2020, zeigt sich, wie weit der britische Außenhandel zurückliegt. Während die Exporte in die EU und Deutschland dann noch 10,5 Prozent beziehungsweise 12,4 Prozent niedriger sind, sind es bei den Importen sogar 16,6 Prozent beziehungsweise 13,5 Prozent. 

Zweistelliger Brexit-Effekt im britischen Außenhandel

Die Vergleiche mit den Vorperioden sind schwierig. Zum einen sorgten die (verstrichenen) Brexit-Fristen 2019 und die Coronakrise 2020 für eine außergewöhnliche Volatilität im Handel. Zum anderen zeigen entsprechend berechnete Lücken nur die Defizite im Vergleich zur Vergangenheit und ignorieren potenzielle Zugewinne im Vergleich zu einer fortgesetzten EU-Mitgliedschaft der Briten. 

Deshalb vergleicht das UK Trade Policy Observatory (UKTPO) die britische Handelsentwicklung mit einem Nicht-Brexit Szenario (synthetic counterfactual). Nach diesen Berechnungen der Forscher entwickelten sich im Zeitraum Januar bis April 2021 die britischen Exporte in die EU 18,7 Prozent und die Importe 25,8 Prozent schwächer als im Vergleich zu einer fortgesetzten EU-Mitgliedschaft. Auch wenn die Ökonomen darauf hinweisen, dass die Daten vorläufig sind und revidiert werden könnten, zeigen sie doch die Bremsspur im britischen Außenhandel nach dem Brexit.

Zollbürokratie und Hürden steigen weiter

Weit unterschätzt wird, dass der Berg neuer Zollbürokratie noch nicht gänzlich erklommen ist. Gerade für den europäischen Export auf die britische Insel kommen in den nächsten Monaten weitere Hürden hinzu. So müssen zum Beispiel ab dem 1.10.2021 Waren tierischen Ursprungs angekündigt und Gesundheitszertifikate nachgewiesen werden. Ab dem 1.1.2022 kommen physische SPS-Checks an der Grenze hinzu. Außerdem sind ab dem 1.1.2022 vollständige Einfuhrzollerklärungen einzureichen. Bisher gilt eine großzügige Übergangsregelung, die nachgelagerte Zollerklärungen ermöglicht. 

Nicht nur durch die Zollbürokratie entstehen neue Hürden. Auch durch den veränderten Regulierungsrahmen, vor allem durch die schrittweise Einführung von UK REACH und dem CE-Nachfolger UKCA in den nächsten Jahren, wird der Markteintritt verteuert und erschwert. Auch hat das schwierige Reiseumfeld im Zuge der Coronakrise noch nicht offengelegt, wie die neuen Einreisebestimmungen Geschäftsreisen und Montagedienstleistungen erschweren. Die Beschränkungen des Freihandelsabkommens werden vor allem im Handwerk noch sichtbar werden.

Britische Warenimporte aus Deutschland 2020

Kategorie

Einfuhrwert in Mrd. britischen Pfund2

Veränderung ggü. Vorjahresperiode (in %)1

Anteil am Gesamtimport aus Deutschland (in %)

Gesamt

54,9

-16,0

100,0

Pkw

10,4

-23,2

19,0

Kfz-Teile3

2,9

-30,0

5,2

Chemie

8,0

-9,9

14,6

  davon medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse

2,7

-9,4

5,0

Industriemaschinen

6,2

-22,6

11,3

  davon als Vorleistungsgüter

3,3

-25,1

5,9

  davon als Investitionsgüter

2,9

-20,0

5,2

1) nominale Veränderungsrate; 2) keine saisonale Bereinigung; 3) als VorleistungsgüterQuelle: Britisches Statistikamt 2021

Einfuhren aus Deutschland bleiben schwach

Im britischen Außenhandel mit der Bundesrepublik bremst vor allem der Faktor "Automobil" den Erholungskurs. Autos und Kfz-Teile für die Produktion machen rund ein Viertel der britischen Importe aus Deutschland aus. Sie treiben zwar die britischen Einfuhren aus Deutschland, die Importe bleiben aber weiter gehemmt durch niedrige Neuregistrierungen, die noch unter den Vorkrisenniveaus zurückbleiben. Hinzu kommen Produktionsprobleme durch Lieferengpässe und Coronavirus-bedingte Personalausfälle. 

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Strukturell belastet die neue Zollgrenze den bilateralen Handel. Bei den Lieferungen auf die Insel wird die steigende britische Zollbürokratie den Handel verlangsamen, vor allem bei Nahrungsmitteln. Zudem fehlen auf britischer Seite zunehmend Lkw-Fahrer, das verschärft die Störungen im Außenhandel.

Auffällig schwach entwickeln sich bisher die Chemieimporte, vor allem bei medizinischen und pharmazeutischen Produkten, die in diesem Jahr nicht nur 18,8 Prozent unter dem Vorjahresniveau, sondern auch noch mehr als ein Drittel unter dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen. 

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Gute Absatzchancen trotz Zollgrenze

Auch wenn die Zollgrenze dazu führt, dass vor allem kleine und mittelgroße Exporteure mit höheren Markteintrittskosten rechnen müssen, bleiben die grundsätzlichen Absatzchancen in vielen britischen Branchen gut. Insbesondere das Geschäft mit Maschinen und Anlagen wird in den nächsten zwei Jahren von einer starken Nachfrage profitieren. Grund dafür ist die befristet eingeführte Sonderabschreibungsmöglichkeit ("super deduction") von 130 Prozent im ersten Jahr auf bestimmte Fabrikausrüstungen und Maschinen.

Ohnehin haben unzählige britische Firmen ihre Investitionspläne seit Jahren wegen der Brexit-Unsicherheit und der Coronakrise auf Eis gelegt. Diese Pläne werden nun reaktiviert. Oxford Economics prognostiziert einen Anstieg der Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft um 11 Prozent im Jahr 2022. Den Analysen zufolge sind insbesondere Großunternehmen gut durch die Krise gekommen und haben ihre Finanzlage dank der staatlichen Hilfen verbessert. Mittelständler haben hingegen haben im Schnitt 28 Prozent mehr Schulden bei der Bank als noch vor der Coronakrise.

China wird wichtigstes Lieferland

Rasant entwickelt sich bereits der britische Handel mit China. Ein starkes Wachstum der chinesischen Warenimporte zwischen Januar und Mai 2021 um 52,4 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode macht die Volksrepublik zum wichtigsten Lieferland der Briten. Grund dafür sind starke Chemie- und Büromaschinenlieferungen. Hält die Dynamik an, könnte die Volksrepublik ihren neuen Spitzenplatz ausbauen und auch auf Jahresbasis erstmals wichtigster Warenlieferant der Briten werden. Es zeichnet sich eine Zeitenwende ab, denn seit Jahrzehnten belegt die Bundesrepublik den ersten Rang bei den Importen.

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