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Wirtschaftsumfeld | Südafrika | Industrialisierung

Industriepolitik mit fragwürdigen Ergebnissen

Südafrika will die heimische Industrie ausbauen. Das ist typisch für Schwellen- und Entwicklungsländer. Trotz großer Anstrengungen weist das Kapland eine Negativbilanz auf. Warum?

Von Fausi Najjar | Johannesburg

Das Mantra, Südafrika sei der größte Industriestandort auf dem afrikanischen Kontinent, hat ausgedient. Das Produktionsvolumen des ägyptischen Industriesektors liegt laut Angaben der Weltbank im Jahresdurchschnitt 2017 bis 2019 knapp über dem Südafrikas. Seitdem vergrößert sich der Abstand rapide, wie die Daten für das Jahr 2020 zeigen. 

Jahrzehntelanger industrieller Niedergang

Dem gegenwärtigen Tiefpunkt geht ein lang anhaltender Prozess voraus. Während der Anteil des verarbeitenden Gewerbes 1990 bei 21,6 Prozent lag, sind es seit 2018 unter 12 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig und sicherlich schwer untereinander zu gewichten. Angeführt werden höhere Energie- und weitere Versorgungskosten, steigende Löhne, Korruption oder auch die chinesische Konkurrenz.

Ebenso in der Kritik steht die Industriepolitik Südafrikas. Dies geschieht nicht ohne Grund: Zum einen sprechen die skizzierten Tendenzen einer Deindustrialisierung eine eigene Sprache. Zum anderen ist es kaum gelungen, das durch die historische Rassendiskriminierung verfestigte wirtschaftliche Gefälle zwischen der ehemals privilegierten weißen Bevölkerung und den benachteiligten ethnischen Bevölkerungsgruppen (kurzum Schwarze) zu überwinden. Dies trotz Einzelerfolgen und entgegen dem erklärten industriepolitischen Ziel.

Ausgeprägte Politik zur Förderung der Industrie

Produktionszweige, die gefördert werden sollen, legt nach langen Konsultationen das Ministerium für Handel, Industrie und Wettbewerb (Department of Trade, Industry and Competition, DTI) im jährlichen Industrial Policy Action Plan (IPAP) fest. Von Gewicht sind insbesondere steuerfreie Zuwendungen von bis zu 30 Prozent bei Investitionen. Teil des IPAP sind die Förderprogramme im Rahmen des Black Industrialist Scheme (BIS). Infolgedessen konzentriert sich die Unterstützung - wie häufig auch bei weiteren Förderprogrammen - auf Industriebetriebe mit schwarzen Eigentümern.

Der Local Content soll außerdem mittels Ausschreibungen durch staatliche Stellen und Staatsunternehmen erhöht werden. So müssen bei Ausschreibungen beispielsweise Hochspannungsmasten oder Textilprodukte komplett im Land hergestellt werden. Bei Zugsignal-Systemen beträgt der lokale Anteil 65 Prozent und bei Solarwarmwasserbereitern 70 Prozent.

Black Economic Empowerment als industriepolitisches Instrument

Nicht zuletzt nimmt die breitere wirtschaftspolitische Ausrichtung im Rahmen des Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BBEE) eine wichtige industriepolitische Rolle ein. Die im B-BBEE festgelegten Kriterien zur wirtschaftlichen Stärkung während der Apartheid diskriminierter Gruppen setzen sich aus fünf Säulen zusammen, die in einem Punktesystem erfasst werden.

Die Teilnahme an dem Programm ist nicht verpflichtend. Es schließt jedoch Unternehmen, die nicht teilnehmen, von öffentlichen Ausschreibungen und Lizenzerteilungen aus. Dabei übt ein gewisser Mechanismus „Druck“ auch auf Anbieter aus, die nicht unmittelbar mit dem Staat Geschäfte machen möchten. Unternehmen, die Geschäftsinteressen mit dem Staat verfolgen, präferieren Zulieferer mit hoher Punktzahl, weil sie so wiederum selbst Punkte generieren können. 

Bilanz fällt mager aus

Die Industriepolitik in Südafrika konzentriert sich insbesondere auf die Bereiche Kfz- und Teileindustrie, Textilindustrie und die Veredelung von Mineralien. Die für diese Bereiche ausgegebenen Ausbauziele wurden trotz hoher Kosten für Konsumenten und Steuerzahler allerdings verfehlt. Für die Automobilindustrie hat die Regierung beispielsweise 2008 ein Produktionsziel von 1 Million bis 1,2 Millionen Fahrzeugen bis 2020 ausgegeben. Im Jahr 2019 - vor dem globalen Einbruch durch Corona - lag die Fertigung allerdings bei nur 627.012 Einheiten. Mehr noch: Anteile an der heimischen Produktion sind gefallen und liegen unter 40 Prozent. Auch der Beschäftigungszuwachs für den Zeitraum 2009 bis 2019 um 10,7 Prozent auf 95.000 fällt eher bescheiden aus.  

Noch ernüchternder ist die Bilanz für den arbeitsintensiven Textil- und Bekleidungssektor. Im Jahr 2009 hat Südafrika die Zölle für Textilprodukte kräftig erhöht, nur noch heimische Erzeugnisse  für die öffentliche Beschaffung zugelassen und Investitionen subventioniert. Dennoch ist die Textilindustrie von 2014 bis 2019 um 9 Prozent geschrumpft. Beobachter monieren in diesem Zusammenhang, dass die Anschaffung von Maschinen und Anlagen weitaus stärker gefördert wird als die unmittelbare Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dadurch fällt die Förderung der arbeitsintensiven Textilindustrie gegenüber kapitalintensiven Produktionszweigen zurück, so die Kritik. 

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Trotz geringer Erfolge setzt die südafrikanische Regierung ihren wirtschaftspolitischen Ansatz fort. Im Industrial Policy Action Plan 2018/19 bis 2020/21 war jedenfalls kein Wandel zu erkennen. Gleiches gilt für den neu aufgelegten Masterplan für die Automobilindustrie. Wiederum sind hier ehrgeizige Ziele formuliert. So ist bis 2025 ein Local Content an der Kfz-Produktion von 60 Prozent vorgesehen. Industriekenner weisen aber auf Schwierigkeiten hin. Allein schon, weil lokale Anteile mit dem Bau von Elektroautos nur schwer zu halten sein werden.

Auch in den REIPPP-Ausschreibungen für erneuerbare Energieprojekte (gegenwärtig 1.600 Megawatt Windkraft, 1.000 Megawatt Fotovoltaik) ist ein Local Content vorgesehen. Hier fällt aber die Gewichtung nicht-preislicher Aspekte bei den Ausschreibungen geringer aus als ursprünglich geplant. Ob dies im Rahmen der allgemeinen reformpolitischen Anstrengungen eine stärkere Hinwendung zu mehr Pragmatismus in der Industriepolitik einleitet, bleibt abzuwarten.

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