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Wirtschaftsumfeld | Griechenland | Verhandlungspraxis

Kultureller Hintergrund

Lockere Umgangsformen in einer eher konservativen Gesellschaft, die zunehmend moderner wird. Auf höchster Hierarchieebene kommen Geschäfte auch bei einem Kaffee zustande.

Von Michaela Balis | Athen

Aufgrund seiner Geschichte, seiner Geografie, aber auch seiner Religion (orthodoxes Christentum) fühlt sich Griechenland nicht nur im Zwiespalt zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Morgen- und Abendland. Im Jahr 1981 ist Griechenland der Europäischen Union beigetreten, seit 2001 ist das Land Teil der Eurozone.

Die Griechen sind stolz auf ihre antike Geschichte. Das byzantinische Kaiserreich, die rund 400-jährige osmanische Herrschaft und die griechische Revolution von 1821, die in der Gründung eines modernen Staates mündete, prägen bis heute die Wahrnehmung der Griechen von ihrem eigenen Land.

Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts berühren die Griechen noch heute. Dazu zählen die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges, die Kleinasiatische Katastrophe (Vertreibung der Griechen aus Kleinasien 1922), der Bürgerkrieg (1946-1949), die Militärdiktatur (1967-1974), die bis heute ungelöste Zypernfrage nach der Besetzung Nordzyperns durch die Türkei (1974) sowie die Abschaffung der Monarchie (1974). Gespräche zu diesen Themen können emotional geladen sein, da die jüngere Geschichte noch nicht ausreichend aufgearbeitet wurde.

Die deutsch-griechische Beziehung: Sympathie mit Hindernissen

Obwohl Deutschland der wichtigste Handelspartner Griechenlands ist, ziehen immer wieder kleine Wölkchen auf, die das bilaterale Verhältnis trüben. Während der griechischen Wirtschaftskrise gingen durch neu erweckte Ressentiments aus dem Zweiten Weltkrieg und lang gehegte Vorurteile Geschäftsbeziehungen in die Brüche.

Zu dem griechischen Nachbarland Türkei haben beide Länder ein sehr unterschiedliches Verhältnis: Was für Griechenland der Erzfeind ist, ist für Deutschland ein wichtiger Kooperationspartner im Handelsgeschäft. Deutschland wird oft unzureichendes Verständnis für dieses komplizierte und bis heute angespannte Verhältnis vorgeworfen.

Lebhafte Gestik und laute Stimmen gehören zum Alltag

Die Griechen sind in ihren Umgangsformen im Allgemeinen lockerer als die Deutschen: Der Übergang vom "Sie" zum "Du" ist schnell passiert und ein freundliches Klopfen auf den Rücken ist auch Damen gegenüber üblich. Lautstarke Gespräche sowie lebhaftes Gestikulieren gehören zu einer angeregten Konversation. Gegenüber Ausländern vermittelt das oft den Eindruck, dass ihre Gesprächspartner sich zanken. Keineswegs! Das ist ihr südländisches Temperament. Unter Griechen darf auch ruhig laut gelacht werden.

Zwischen Tradition und Moderne

Griechenland bleibt ein eher konservatives Land. "Es ist recht offensichtlich, wie hierarchiebewusst griechische Arbeitnehmer noch sind und Seniorität als Prinzip gilt", äußert sich Andreas Pollner, geschäftsführender Vorstand des deutschen Pharmaunternehmens Bayer Hellas S.A. "Jüngere Mitarbeiter mit internationaler Ausbildung denken fortschrittlicher", fügt er hinzu. Bei internen Besprechungen erwarten die Mitarbeiter eine Anweisung, zumindest eine Aussage des Vorgesetzten, wie weiter verfahren wird. Auch ist es üblich, den Mitarbeitern bestimmte Arbeiten zuzuweisen. Initiativen und Vorschläge seitens der Arbeitnehmer sind nicht selbstverständlich. Einer der Gründe hierfür ist die Angst vor der Verantwortung oder vor Fehlern. In Griechenland ist keine Fehlerkultur verbreitet.

Es ist zu beobachten, dass rund 80 Prozent der griechischen Unternehmen nur bis zu zehn Mitarbeiter zählen. Das wirkt sich auf ihre Entscheidungen und ihre Handlungsweise aus. Agis Papadopoulos, Vorstandsvorsitzender der Wasser- und Abwassergesellschaft von Thessaloniki, EYATH, erklärt: "Der Inhaber ist meistens gleichzeitig der Geschäftsführer. Trotz flacher Hierarchien hat er selbstverständlich das letzte Wort und das unabhängig von der Expertise". Wenn die jüngere Generation übernimmt, ändert sich dieses Denken oftmals.

Noch in jüngster Vergangenheit war das Land stark patriarchalisch geprägt. Doch immer mehr Frauen schaffen es an die Spitze von Unternehmen und übernehmen leitende Positionen, auch wenn sich die griechische Mentalität nicht deutlich in Richtung Gleichstellung geändert hat. Trotz der Zweifel an der weiblichen Kompetenz, ist das Benehmen seitens des männlichen Geschlechts höflich und zuvorkommend. Höflichkeitsformen den Damen gegenüber anzuwenden, wie zum Beispiel Tür öffnen, den Vortritt lassen oder die Rechnung begleichen, sind immer noch die Regel.

Geschäfte kommen bei einer Tasse Kaffee zustande

Das Essen und Kaffeetrinken gehören zur griechischen Kultur. Was häufig wie "Nichtstun" aussieht, ist der effektivste Weg für Geschäftsanbahnungen und -abschlüsse. Häufig finden die Geschäftstreffen in Cafés und Restaurants statt. Ein Laptop steht auf dem kleinen Beistelltisch. Dabei kommt es vor, dass mehrere Bekannte und Freunde des griechischen Gesprächspartners auch zufällig dort sind und ihn begrüßen. Der deutsche Gast wird hierbei nicht unbedingt vorgestellt. Das gesetzliche Rauchverbot in öffentlichen Räumen wird in der Regel befolgt.

"Chronia polla" zu jedem Feiertag

Dieser Ausdruck, der übersetzt "Wünsche für ein langes Leben" bedeutet, wird zu und nach jedem Feiertag sowie zu Namens- und Geburtstagen gewünscht. Die wichtigsten Feiertage der griechisch-orthodoxen Kirche sind Ostern, Mariä Himmelfahrt, Weihnachten und Neujahr. In der Zeit um den 15. August ist grundsätzlich alles geschlossen. Dem Namenstag wird in Griechenland mehr Bedeutung zugemessen als dem Geburtstag. Zum Namenstag zu gratulieren, per Telefon oder Mail, macht bei dem griechischen Partner immer einen guten Eindruck, muss aber nicht eingehalten werden.

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