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Wirtschaftsumfeld | Russland | Geschäftspraxis

Neue Betrugsmaschen im Russlandgeschäft

Deutsche Unternehmen sind wieder häufiger das Ziel von Betrugsmanövern aus Russland. Die Auslandshandelskammer warnt vor Zahlungen ohne Prüfung der vermeintlichen Geschäftspartner.

Von Gerit Schulze | Moskau

Die E-Mail klang sehr vielversprechend: Ein kasachisches Bauunternehmen benötigt hochwertige Abwassertechnik und will diese direkt in Deutschland kaufen. Also nimmt der "Direktor" höchstpersönlich Kontakt zu Marc Herkenberg auf. Der ist Prokurist bei der KaRo Kanal- und Rohrreinigungsmaschinen GmbH in Hückeswagen im Oberbergischen Kreis. „Der Absender kannte unsere Produktpalette sehr gut, schrieb in einem hervorragenden Deutsch und wirkte zunächst sehr seriös“, beschrieb Herkenberg Ende September 2021 bei einem Webinar der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau die Kontaktaufnahme.

Kauf ab Werk und ohne Preisverhandlungen

Das Unternehmen KazStroi wollte bei den Rheinländern ohne Preisverhandlungen Spülfahrzeuge ab Werk kaufen und alle Zollformalitäten selbst erledigen. „Für uns schien das sehr lukrativ und ein schneller Auftrag zu sein“, erzählt Herkenberg rückblickend. Das Unternehmen KaRo mit einem Jahresumsatz von rund 10 Millionen Euro hat bislang kaum Erfahrung im Auslandsgeschäft und war froh über die vermeintlich einfache Abwicklung. Die Ware wurde bestellt und der Auftrag bestätigt. 

Dann kam plötzlich ein neues Schreiben des Kunden. Ein Konformitätszertifikat für die Maschinen sei nötig, und die Anfertigung koste 5.400 Euro. „Galant wurde uns vorgeschlagen, die Gebühren zu teilen. Doch ich machte gleich klar, dass es so nicht funktioniert“, berichtet KaRo-Prokurist Herkenberg. Ohne Anzahlung für die Maschine mindestens in Höhe der Zertifikatskosten werde sich sein Unternehmen nicht an den Ausgaben beteiligen. Damit endete der Kontakt. „Uns wurde schnell klar, dass wir hier einem Betrug aufgesessen waren“, sagt der Manager.

Betrüger locken mit hohen Gewinnmargen 

Katharina Schöne beobachtet solche Betrugsfälle in letzter Zeit wieder häufiger. Sie leitet die Repräsentanz der AHK Russland in Berlin und nennt ein typisches Beispiel: Deutschen Firmen aus dem Bereich Heimtextilien werden beste Kontakte im russischen Hotel- und Tourismussektor versprochen. Die Geschäftspartner nennen sich Christian Lemmer oder Jürgen Seiler oder Sven Kreuzer. Sie stellen sich als Deutsche vor, die schon lange in Russland leben und winken mit vertraglich zugesicherten Umsätzen. „Einziger Haken: Vor Abschluss des Vertrages soll eine kostenpflichtige Zertifizierung der Waren vorgenommen werden“, beschreibt Russlandexpertin Schöne die Masche.

In anderen Fällen wandten sich vermeintliche Bauunternehmen aus Russlands Nordwesten an deutsche Hersteller von Baustoffen und Baumaschinen, die für eine große Ferienanlage gebraucht würden. Auch dabei werden die Firmen mit hohen Gewinnversprechen in Verträge gelockt.

Sobald das Unternehmen den Vertrag unterzeichnet oder Vollmachten zur Zertifizierung seiner Produkte in Russland erteilt, trudeln Rechnungen für Zertifizierungen, Marktrecherchen oder Marketingmaßnahmen ein, meist zwischen 1.500 und 5.000 Euro. Nach Zahlungseingang verschwindet der vermeintliche Auftraggeber schnell und ist unter den angegebenen Kontaktdaten nicht mehr erreichbar.

Bei Nichtzahlung wird mit der Mafia gedroht

„Die Betrüger sind erstaunlich gut über die Zielunternehmen und deren Branche informiert, sprechen sehr gut Deutsch und bauen damit viel Vertrauen auf“, sagt Katharina Schöne. Weigert sich die deutsche Seite jedoch zu zahlen, kann die Stimmung schnell kippen. „Dann werden die Firmen eingeschüchtert, Rassismusvorwürfe in den Raum gestellt oder sogar mit der russischen Mafia gedroht.“ Die Berliner AHK-Repräsentantin empfiehlt, die Fälle in Russland zur Strafanzeige zu bringen, doch bislang sei kein deutsches Unternehmen dazu bereit gewesen. Offenbar schreckten die Kosten, die geringen Erfolgsaussichten und die langwierigen Verfahren ab.

Viktor Spakow, Leiter der Rechtsabteilung bei der AHK Moskau, bedauert, dass nicht vor jedem Vertragsabschluss eine Geschäftspartnerprüfung durchgeführt wird. „Das ist das A und O für ein gutes Geschäft in Russland“, betont der Jurist. 

So prüfen Sie schnell die Echtheit eines Vertragsangebots aus Russland
  • Beantragung des Handelsregisterauszugs
  • Anfrage der staatlichen Registrierungsnummer (OGRN)
  • Anfrage der Steueridentifikationsnummer (INN)
  • Testanrufe bei der auf Webseiten angegebenen Telefonnummer

Schnelle Überprüfung im Internet möglich

Wer über Sprachkenntnisse verfügt, kann Informationen zu russischen Kunden schnell im Internet recherchieren. Im GTAI-Bericht "Gute Prüfverfahren schützen vor bösen Überraschungen" sind die wichtigsten Links aufgeführt. Bei der Prüfung von Geschäftspartnern hilft die AHK Russland

Die Alarmglocken sollten auf jeden Fall schrillen, wenn Geschäftspartner Verträge mit Druckfehlern, ohne Rundstempel und ohne kyrillische Buchstaben zuschicken. „Banken, Finanzämter und der Zolldienst hierzulande verlangen russische Verträge. Es wäre sehr seltsam, wenn kein russischsprachiger Vertrag vorgelegt wird“, begründet AHK-Rechtsexperte Spakow. Er betont aber, dass solche Faktoren noch kein eindeutiger Hinweis auf unzuverlässige Geschäftspartner seien. „Man sollte sich auch von den Ergebnissen der Bonitätsprüfung leiten lassen.“

Vorsicht Falle! Hier sollten Unternehmen skeptisch sein
  • Private E-Mail-Adresse (mit Endung @gmail.com, @yandex.ru, @mail.ru etc.)
  • Dringende Vorkasse wegen angeblichen Zeitdrucks verlangt
  • Berechnung von unrealistisch hohen Zollgebühren
  • Vertragsentwurf und andere Urkunden ohne kyrillische Buchstaben
  • Kein Rundstempel und keine kyrillischen Buchstaben auf Unternehmensformularen
  • Druckfehler in Urkunden, Verträgen und sonstigen Dokumenten

AHK-Repräsentantin Katharina Schöne rät dazu, lieber ein wenig misstrauischer zu sein, als blind auf einen großen Auftrag zu hoffen. Sie betont aber, dass es sich bei den Betrugsversuchen um Einzelfälle handelt. „Es überwiegen die sehr guten Geschäfte, die unsere Mitgliedsfirmen seit vielen Jahren mit russischen Kunden machen.“

Fehlendes Impressum muss kein Warnsignal sein

Manchmal ist das Misstrauen auch völlig unbegründet, erzählt Jurist Viktor Spakow. „Wenn Webseiten von russischen Firmen veraltet sind und kein Impressum enthalten, dann mag das daran liegen, dass manche Unternehmen andere Prioritäten als ihren Internetauftritt haben.“

Auch bei der Antwortgeschwindigkeit der russischen Geschäftspartner sollten deutsche Verkäufer ihre Ansprüche herunterschrauben. „Die Reaktionszeiten sind im Schnitt deutlich länger als in Deutschland und können bis zu einem Monat betragen.“ Wichtig sei, so Jurist Spakow, dass die Angebote aus Deutschland konkrete Details zu Produkten, Preisen und Lieferfristen enthalten. „Ansonsten kann es passieren, dass gar keine Rückmeldung aus Russland kommt.“

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