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Wirtschaftsumfeld | Tunesien | Investitionsförderung

Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen

Internationale Unternehmen fertigen in Tunesien Vor- und Fertigprodukte für den europäischen Markt. Der Trend zu Nearshoring könnte den Investitionsstandort beflügeln.

Von Peter Schmitz | Tunis

Tunesien befindet sich in einer angespannten Situation. Seit dem Krieg in der Ukraine ist das ohnehin stark defizitäre Staatsbudget aufgrund der Subventionen für Energie und Grundnahrungsmittel noch stärker unter Druck geraten. Die Industrie hängt von der Konjunktur in Europa ab, da viele Zulieferbetriebe von Tunesien aus den europäischen Markt versorgen. Andererseits erweiterten zahlreiche der in Europa angesiedelten Unternehmen, größtenteils aus der Automobilzulieferbranche, ihre Produktionskapazitäten in Tunesien.

Tunesien gilt als attraktiver Beschaffungsmarkt

Mit etwas über 12 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 48 Milliarden US-Dollar (US$) ist Tunesien kein bedeutender Absatzmarkt für deutsche Exporteure. Dafür fertigen zahlreiche Unternehmen hier Vor- und Fertigprodukte, in erster Linie für den europäischen Markt. Tunesien gehört zu den wenigen Ländern, aus denen Deutschland wertbezogen mehr importiert, als es liefert. Neben der geografischen Nähe sind das Bildungsniveau, wettbewerbsfähige Löhne, eine im regionalen Kontext gute Infrastruktur und die entwickelte Institutionalisierung Pluspunkte des Landes.

Um im Wettbewerb bestehen zu können, müsste der Verwaltungsapparat effizienter arbeiten. Insbesondere nach der Revolution 2011 wurde der öffentliche Sektor erweitert. Zudem zeigten sich zuletzt die Risiken des strukturellen Handelsdefizits. Vor allem die hohen Energie- und Nahrungsmittelimporte (insbesondere Getreide) erweisen sich als Risiko. Grundsätzlich besteht ein großes Potenzial, die Standortstärken für arbeitsintensive Industrien und Dienstleistungen im IT-Sektor noch besser zu nutzen. Zudem könnte Tunesien durch die Produktion von grünem Wasserstoff mittelfristig vom Energieimporteur zum -exporteur werden.

Nach einigen Jahren des Wachstums gingen die Nettozuflüsse der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Jahr 2019 auf 845 Millionen US$ zurück und erreichten 2020 mit 652 Millionen US$ einen Tiefstand, der insbesondere auf die Coronapandemie zurückzuführen ist. Seitdem geht es wieder aufwärts. Im Jahr 2022 meldete die Foreign Investment Promotion Agency einen Zuwachs der Nettotransfers von 18 Prozent. Sie dürften nun wieder auf Vorkrisenniveau liegen. Deutschland belegte 2022 den vierten Rang als ausländischer Investor, nach Frankreich, Katar und Italien. Deutsche Unternehmen gehören zu den größten privaten Arbeitgebern Tunesiens und dürften inzwischen rund 100.000 Arbeitsplätze stellen.

Hohe Zinsen und politische Unsicherheit dämpfen Investitionen

Die Investitionen tunesischer Unternehmen gehen seit Jahren zurück. Dazu tragen hohe Kreditkosten bei. Zuletzt erhöhte die Zentralbank den Leitzins im Januar 2023 auf nun 8,0 Prozentpunkte. Zudem steigen die Produktionskosten, da viele Vorprodukte importiert werden müssen und der tunesische Dinar in den vergangenen zehn Jahren an den Devisenmärkten einem Abwärtstrend folgte. Unsicherheit besteht in Bezug auf den politischen Kurs. Staatspräsident Kais Saied setzte im Sommer 2021 das Parlament ab. Die neue Verfassung stellt den Präsidenten ins Zentrum der Macht. Parteien spielen im neu gewählten Parlament keine Rolle. Westliche Partner warnen vor eingeschränkter Presse- und Meinungsfreiheit. Die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Sonderziehungsrechte im Wert von 1,9 Milliarden US$ ziehen sich schon lange hin. Das Abkommen gilt als Grundvoraussetzung für weitere bi- und multilaterale Kredite. Im Gegenzug erwartet der IWF konkrete Zusagen für Reformen der Staatsunternehmen, des Bankensektors und zur Konsolidierung des Staatshaushalts.

Regulierung bleibt eine Herausforderung

Tunesien ist stark in den internationalen Handel eingebunden. Dennoch gibt es die Tendenz, den lokalen Markt zu schützen. Das zeigt sich bei intransparenten und langwierigen Prozessen der Marktzulassung von Produkten oder bei Einfuhr- und Investitionsgenehmigungen. Der Finanzsektor ist stark reguliert, was Investitionen und das Wachstum vor allem tunesischer Unternehmen einschränkt.

Mittelfristig dürfte das Thema Nearshoring an Bedeutung zunehmen: Neben der Europäischen Union sieht Tunesien auch Afrika als Zukunftsmarkt und will Investoren davon überzeugen, ihr Afrikageschäft von Tunesien aus zu gestalten. Sollte sich die Lage in Libyen stabilisieren, könnte sich ein zahlungskräftiger Markt für deutsche Unternehmen öffnen.

Asiatische Investoren spielen bislang eine untergeordnete Rolle. Es gibt aber verstärktes Interesse aus Fernost. Wegen Lohnsteigerungen kann sich in einigen Industriebereichen eine Verlagerung der Produktion nach Tunesien lohnen. Dieser Trend könnte noch verstärkt werden, wenn Lieferketten umgestellt werden und die Produktion näher an die Abnehmermärkte rückt.

Kommunikationsdienstleistungen boomen, erneuerbare Energien in der Warteschleife

Mehr als die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionsbestände sind in der Industrie angelegt. Baumaterialien, Elektroindustrie und Textilien liegen an der Spitze. Im Dienstleistungssektor liegen Telekommunikationsdienstleistungen mit Abstand vorne. Für die Zukunft setzt Tunesien große Hoffnungen auf Business Process und Information Technology Outsourcing sowie Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen. Das nutzen nicht nur Softwareunternehmen, sondern zunehmend auch Anlagenbauer oder Ingenieurbüros. Fachkräfte sind in Tunesien vorhanden, der Zeitzonenunterschied und die Entfernung sind überschaubar sowie die Lohnkosten weit unter den europäischen.

Das Potenzial für erneuerbare Energien ist groß. Die Umsetzung von vergangenen Ausschreibungsrunden verlief jedoch schleppend, daher bleibt das hohe Energiebilanzdefizit eine Herausforderung. Durch eine bestehende Gaspipeline könnte auch Wasserstoff nach Europa transportiert werden.

Ausländische Direktinvestitionen in Tunesien (in Millionen US-Dollar)

Indikator

  2018

2019

2020

2021

Kumulierter Bestand 

26.765

31.605

35.006

33.440

Nettotransfers 

1.036

845

652

660

Quelle: UNCTAD 2022

Deutsche Direktinvestitionen in Tunesien (in Millionen Euro)

Indikator

2018

 2019

 2020

2021

Kumulierter Bestand 

220

273

240

k.A.

Nettotransfers *)

41

62

36

66

* positive Werte spiegeln Nettozuflüsse widerQuelle: Deutsche Bundesbank 2022

Große deutsche Investoren in Tunesien

Unternehmen

Branche

Leoni

Elektroindustrie

Dräxlmeier

Elektroindustrie

Gonser

Textilindustrie

Kaschke Components GmbH

Elektroindustrie

Kromberg und Schubert

Elektroindustrie

Henkel AG & Co KgaA

Konsumgüter

Van Laack

Textilsektor

Nani S.A.R.L.

Spielfiguren 

Quelle: Foreign Investment Promotion Agency 2023

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