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Wirtschaftsumfeld | Polen | Investitionsförderung

Praxischeck

Die Umbrüche in der Fahrzeugbranche und im Energiesektor bringen neue Investitionen nach Polen. Es könnten noch mehr Firmen kommen, wenn das Land einige Reformen umsetzt.

Von Christopher Fuß | Warschau

In der polnischen Stadt Jawor baut Mercedes-Benz eine Fabrik für über 1 Milliarde Euro. Hier sollen bald Elektro-Kastenwagen von Band rollen. Vor Ort produziert der deutsche Automobilkonzern bereits Motoren und Batterien. Die guten Erfahrungen der vergangenen Jahre haben den Ausschlag dafür gegeben, den Standort Jawor auszubauen. Das erklärt die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Mercedes-Benz Manufacturing Poland, Dr. Ewa Łabno-Falęcka im Interview mit GTAI. Wichtig waren darüber hinaus "Lage und Grundriss des Grundstücks, die Verkehrsanbindung, die Arbeitskosten, das Humanpotenzial, die lokalen Bildungseinrichtungen und die Unterstützung der Behörden", sagt Łabno-Falęcka.

Die neue Fabrik wird Teil eines europaweiten Produktionsnetzwerkes. An vier Standorten - drei davon in Deutschland - stellt Mercedes-Benz Vans auf Elektronutzfahrzeuge um. Jawor kommt als Werk Nummer fünf neu dazu. Die Arbeitskosten sind dabei zwar ein Faktor, aber nicht der einzige. Wichtig sei auch "die richtige Mischung aus Automatisierung und hochqualifiziertem Personal", sagt Łabno-Falęcka.

Auch die Hager Group, ein Spezialist für Elektrotechnik, investiert. Das Unternehmen baut - zusätzlich zum bestehenden Werk in der Ortschaft Tichy - einen Standort in der Stadt Bieruń auf. "Ausschlaggebend waren die Entfernung zum derzeitigen Werk in Tychy, die Infrastruktur und die Anbindung an wichtige Verkehrsknotenpunkte. Außerdem zeigten sich die Behörden sehr offen gegenüber unserem Projekt", schreibt das Unternehmen.

Weniger Asien, mehr Europa

Es gibt auch Neuansiedlungen wie jene des deutschen Mittelständlers ZIEHL-ABEGG. Das Unternehmen baut gerade sein erstes polnisches Produktionswerk. Bis zu 400 Beschäftigte werden am neuen Standort Ventilatoren herstellen, die bislang aus Asien kommen. Joachim Ley, Produktionsvorstand bei ZIEHL-ABEGG erklärt, warum das Unternehmen die Produktion nach Europa holt: "Einer der Haupteinsatzorte für die Ventilatoren, die wir dort herstellen werden, sind Wärmepumpen. Dieses Marktsegment boomt in Europa. Internationale Hersteller von Wärmepumpen bauen insbesondere in Mittelosteuropa neue Produktionsniederlassungen auf. Wir wollen nah bei unseren Kunden sein - auch um die Risiken langer Lieferwege zu vermeiden."

Die Großstadt Łódź konnte sich unter mehreren Standorten durchsetzen. Ley fasst zusammen: "Wir brauchen gut ausgebildetes Personal, vor allem auch Ingenieure in produktionsnahen Bereichen. In Łódź gibt es Universitäten und technische Hochschulen - perfekt für unsere Anforderungen. Außerdem ist der Arbeitsmarkt hier noch etwas entspannter als in anderen Regionen Polens." Ein weiterer Pluspunkt sei die Infrastruktur: "Über die Nord-Süd-Autobahn A1 haben wir eine Verbindung bis zum Hafen in Gdańsk. Mit der Autobahn A2 sind wir nach Ost und West gut angebunden“, sagt Ley.

Das wachsende Autobahnnetz Polens ist ein wichtiger Standortfaktor. Im Jahr 2023 sollen drei Abschnitte entlang der S11 im westpolnischen Zachodnio-Pomorskie ihren Betrieb aufnehmen. Im Osten des Landes wachsen die Via Baltica und die Via Carpatia.

Deutsche Investoren konzentrieren sich auf bestimmte Regionen

Neue Schnellstraßen ziehen Logistikdienstleister an. Die Aussichten der Branche sind gut, trotz steigender Material- und Energiekosten. Artur Kuśnierek, Business Development Manager des deutschen Intralogistik-Unternehmens Jungheinrich in Polen, erläutert: "Versandunternehmen bauen neue Hallen. Ein wichtiger Treiber ist der dynamische E-Commerce-Sektor. Deutsche Branchenvertreter lassen sich vor allem in Grenznähe nieder, obwohl der Arbeitsmarkt hier angespannt ist."

In Regionen mit Vollbeschäftigung kann die Personalsuche dauern. Leo Mausbach, Standortberater bei der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) rät darum: "Investoren schauen zunächst auf die großen Zentren. Es lohnt sich aber, auch Standorte abseits der Ballungsräume zu berücksichtigen. Der Arbeitsmarkt ist dort weniger angespannt."

Standortvorteil erneuerbare Energien

Ein weiterer Standortfaktor gewinnt an Bedeutung, nämlich die erneuerbaren Energien. Ewa Łabno-Falęcka von Mercedes-Benz beobachtet einen Trend: "Unternehmen fangen an, ihren CO2-Fußabdruck zu messen. Potenzielle Investoren fragen immer häufiger nach dem Zugang zu erneuerbaren Energien", sagt sie.

Die Wirtschaftsfördergesellschaften Polens, die Sonderwirtschaftszonen, reagieren. Sie investieren in eigene Kraftwerke, um Investoren erneuerbare Energiequellen anbieten zu können. Die Sonderwirtschaftszone Pomorskie plant zum Beispiel den Bau von drei Fotovoltaik-Parks.

Mercedes-Benz betreibt sein bestehendes Werk in Jawor vollständig mit grüner Energie. Auch ZIEHL-ABEGG setzt auf eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung: "Einen Teil unseres Energiebedarfs decken wir mit Fotovoltaik-Anlagen. Wir werden auch Wärmepumpen einsetzen", erklärt Produktionsvorstand Ley. Auch die Hager Group produziert in Polen mit erneuerbaren Energien.

Nachholbedarf nicht nur bei Energiefragen

Es könnte noch mehr erneuerbare Energie zum Einsatz kommen, wenn Polen die Abstandsflächen für Windkraftanlagen lockern und Direktleitungen zwischen Kraftwerk und Fabrik ermöglichen würde. Entsprechende Gesetzesvorhaben sorgen im Regierungslager für Diskussionen. Unternehmensverbände pochen auf schnelle Reformen.

Es gibt weitere Baustellen. Die Berufsausbildung Polens muss laut Ewa Łabno-Falęcka besser werden: "Das Bildungssystem in Polen hat hier leider Defizite. Diese Lücke wird vielerorts von westlichen Investoren gefüllt. Sie übernehmen Patronagen über Berufsschulen oder bieten Umschulungen und Weiterbildungen an", sagt sie.

Joachim Ley ist mit Polen sehr zufrieden - einen Kritikpunkt hat er aber: "Der Umgang mit Gefahrstoffen wird in Polen streng geregelt, was gut und richtig ist – allerdings haben die zuständigen Kontrollbehörden teilweise langwierige Genehmigungsverfahren. Dadurch entsteht bei Unternehmen ein hoher Verwaltungsaufwand", sagt Ley.

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