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Wirtschaftsumfeld | Äthiopien | Außenwirtschafts-, Industriepolitik

Wirtschaft setzt nach Abiys Wahlsieg auf Fortsetzung der Reformen

Nach dem Sieg der Regierungspartei bei den Parlamentswahlen glauben Beobachter in Äthiopien an eine Fortsetzung der wirtschaftsfreundlichen Politik. Zweifel bleiben aber.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Es ist noch nicht ausgemacht, dass Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed seine wirtschaftsfreundliche Politik wie erhofft intensivieren kann. Dass er und sein Führungszirkel dies anstreben, daran herrscht unter Beobachtern kein Zweifel. Dies sei für ihn weiterhin die einzig glaubhafte Möglichkeit, dringend benötigte Arbeitsplätze zu schaffen, bringt es ein internationaler Äthiopien-Analyst auf den Punkt. Zudem könne sich Abiy durch einen so begründeten wirtschaftlichen Erfolg von Rivalen abgrenzen, die im Land teils in alten und durchweg unpopulären Machtstrukturen verortet würden.

Konkret schreitet die Öffnung des Telekomsektors voran. Die erste von zwei Lizenzen haben die Behörden Mitte Juni vergeben. Der Verkauf eines 40-Prozent-Anteils an der staatlichen Ethio Telecom ist in Arbeit, viele tippen auf einen Zuschlag an Orange aus Frankreich. Auch die anderen, oft seit längerem geplanten Privatisierungen werden im Wesentlichen nach dem anvisierten Zeitplan in Angriff genommen, glaubt Gemechu Desta von Econ Value Consult in Addis Abeba. Die Behörden trieben diese Themen und auch die im letzten Jahr beschlossenen Wirtschaftsreformen voraussichtlich ab September verstärkt voran – nach der anstehenden Neubildung des Kabinetts im Anschluss an die Wahlen. Zusätzlichen Druck zur Privatisierung hat die Regierung schon wegen ihrer bedrohlich leeren Kassen.

Bürokratie bleibt ein Problem

Keine Klarheit gibt es bei der Frage, ob Abiy und seine Führungsriege für ihre offiziell in Kraft gesetzten Wirtschaftsreformen mehr Unterstützung im Verwaltungsapparat bekommen. Untergeordnete oder regionale und lokale Verwaltungsebenen, generell die Bürokratie machen Investoren oftmals Kopfzerbrechen. Ein Thema ist zum Beispiel die Anstellung ausländischer Manager. Die Regierung hat dies letztes Jahr zwar vereinfacht, doch müssen die Firmen nachweisen, dass es für die betreffende Stelle keine Äthiopier mit passender Qualifikation gibt. Ein Graubereich, der für Frust unter ausländischen Firmen sorgt – wobei die Informationen hierzu auseinandergehen.

Hilfreich für Abiys Machtposition ist der Erfolg seiner Wohlstandspartei, die bei den Parlamentswahlen vom 21. Juni an die 95 Prozent der Sitze geholt hat. Der Urnengang muss zwar in jedem fünften Wahlkreis nachgeholt werden, und Kritiker hatten teils wenig demokratische Abläufe moniert. Die Wahlen sind Beobachtungen zufolge aber überraschend gut verlaufen. Es habe Berichte über eine hohe Beteiligung der Bevölkerung gegeben und keine Hinweise auf massive Beeinträchtigungen.

Fragezeichen Tigray-Konflikt

Weniger klar ist, was der Rückzug der Regierungstruppen aus der umkämpften Nordregion Tigray Ende Juni für Abiys Machtstellung bedeutet. Einer Lesart zufolge vereint Abiy nach wie vor den Großteil der Äthiopier außerhalb von Tigray in seiner Gangart gegen die Rebellenorganisation TPLF. Bisher hat der Konflikt das restliche Land und auch die Volkswirtschaft nur begrenzt beeinträchtigt, sagen Diplomaten. Diese Gefahr werde aber umso größer, je länger der Konflikt dauere.

Andere Analysten halten es für entscheidend, inwieweit Abiy jetzt in der eigenen Partei seine Machtposition gegenüber Vertretern von Oromos und Amharas stärkt, den beiden größten Volksgruppen Äthiopiens. Unter den Amharas gibt es Bestrebungen, noch massiver gegen Tigray vorzugehen. Oromo-Gruppen wiederum organisierten seit Mitte 2020 heftige Proteste gegen ihren einstigen Hoffnungsträger Abiy. Außerdem boykottierten Parteien dieser Volksgruppe die jüngsten Wahlen.

Ausland schaut genauer hin

Im Ausland hat es Abiy durch seine Rolle im Tigray-Konflikt nun eindeutig schwerer. Dies engt auch seinen Handlungsspielraum in der Wirtschaft ein. Die wichtigen Geber wie Internationaler Währungsfonds und Weltbank halten Überweisungen teilweise zurück, zu einer Zeit, da der Krieg in Tigray und seine Folgen ohnehin viele Mittel beanspruchen.

Nachrichten über Angriffe auf Unternehmen während der jüngsten Konflikte hat es nicht gegeben, von Ausnahmen in Tigray abgesehen. Ausländische Investoren sind durch die Auseinandersetzungen in der Nordregion und anderswo im Land gleichwohl vorsichtiger geworden, ebenso durch Äthiopiens Grenzstreit mit Sudan oder den Konflikt mit Ägypten wegen des großen Staudamms GERD am Blauen Nil. Die ausländischen Direktinvestitionen sinken seit 2016. Einige Beobachter erwarten einen weiteren Rückgang, allerdings maßgeblich bedingt durch die Coronapandemie.

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In manchen Branchen geht es auch um das – verschlechterte – Image von Abiy und dem Investitionsstandort Äthiopien. Dies verdeutlicht der Einkäufer einer europäischen Bekleidungskette: Man wolle nicht mit dem Konflikt in Tigray und konkret mit einem Flüchtlingslager in der Nähe der Regionalhauptstadt Mekelle in Verbindung gebracht werden. So etwas spreche gegen künftige Beschaffungen aus dem dortigen Textilindustriepark.

Gleichwohl sehen befragte Diplomaten und Wirtschaftsvertreter keinerlei Absetzbewegungen ausländischer Investoren aus Äthiopien. „Da werden sich einige Unternehmen jetzt zurückhalten und vielleicht nicht erweitern“, fasst Gemechu Desta die vorherrschende Ansicht zusammen. „Aber die Unternehmen sehen ja weiterhin das Potenzial und die Geschäftschancen im Land.“

Druckerei und Pharmafabrik – Investoren bleiben am Ball

Es gehen auch weiterhin neue Investoren an den Start. Der Maschinenvertreter Estifanos Samuel verweist auf die Schulbuchdruckerei TBO südlich von Addis Abeba. Das den Angaben zufolge rund 50 Millionen US-Dollar (US$) teure Projekt mit deutscher Beteiligung und Manroland-Goss-Druckpressen ging Ende Mai 2021 in Betrieb. Zelelen Temesgen von Victory Consult nennt mit Kilitch Estro Biotech ein anderes Beispiel: Das indisch-äthiopische Joint Venture habe seine gut 11 Millionen US$ teure Arzneimittelfabrik mit 200 Arbeitsplätzen in den Außenbezirken der Hauptstadt fertigstellt und beginne im September mit der Produktion.


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