Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Russland | Zahlungsverhalten und Kreditsicherung

Zahlungsverkehr

Für die Höhe von Anzahlungen und die Dauer der Zahlungsziele gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Unternehmen sollten anhand eigener individueller Erfahrungen entscheiden.

Von Gerit Schulze | Moskau

Zahlungsziele können stark variieren

Die deutschen Unternehmen in Russland geben ihren Kunden individuell sehr unterschiedliche Zahlungsziele vor. „In Abhängigkeit von der Umsatzgröße, der Geschäftshistorie und der Wichtigkeit eines Kunden passen wir die Zahlungsziele an“, erklärt Jens Palmen, Geschäftsführer der russischen Niederlassung von Schattdecor. Die Fristen für die Begleichung des Kaufpreises können damit von 7, 14 oder 21 bis zu 60 und mehr Tagen variieren.

Euler Hermes zufolge sind in der Lebensmittelbranche 10 bis 45 Tage Zahlungsziel der vom Gesetzgeber vorgegebene Standard, der in der Praxis aber meist nicht eingehalten wird. In anderen Industriezweigen seien eher 30 bis 60 Tage üblich, in Ausnahmefällen auch bis zu 90 Tage.

Hohe Vorkasse ist keine Seltenheit

Die Höhe der Anzahlung hängt von der Dauer der Geschäftsbeziehung und den Erfahrungen mit einem Kunden ab. „Bei Neukunden bestehen wir auf 100 Prozent Vorkasse“, sagt Holger Schulz, Russland-Generaldirektor des Baumaschinenhändlers Zeppelin. Das gelte auch für Ersatzteile, „weil wir keinen Zugriff mehr darauf haben, wenn die beim Kunden verbaut wurden.“

Unternehmen, die schon lange am Markt sind, haben interne Bewertungskriterien entwickelt, um Zahlungsziele und Anzahlungsquoten ihrer Kunden festzulegen.

Wie deutsche Manager berichten, sind gerade bei Investitionsgütern hohe Vorauszahlungen üblich und werden von den Abnehmern auch akzeptiert. Anders ist es bei Vorprodukten oder Dienstleistungen, wo die Anbieter teilweise völlig auf Anzahlungen verzichten. Ansonsten sind 50 Prozent bei Vertragsabschluss und der Rest bei Lieferung üblich. Bei teuren Anlagen kann auch eine Drittellösung ausgehandelt werden: ein Drittel bei Auftragserteilung, ein Drittel bei Fertigstellung, ein Drittel bei Warenübergabe.

Zahlungsverzug über europäischem Durchschnitt

Laut der Erhebung „Europäische Zahlungsgewohnheiten“ des Finanzdienstleisters EOS von 2019 liegt der durchschnittliche Zahlungsverzug bei verspätet bezahlten Rechnungen in Russland bei 32 Tagen. Das sind elf Tage mehr als im europäischen Durchschnitt. Als häufigsten Grund nennen die Schuldner, dass ihre eigenen Kunden selbst noch nicht bezahlt hätten. Ein Drittel der säumigen Firmen gibt an, die verspäteten Zahlungen als Lieferantenkredit zu nutzen. Personelle Engpässe in der Buchhaltung spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Nur jede zehnte russische Firma setzt auf externe Dienstleister, um ausstehende Zahlungen wieder einzutreiben. Das ist der niedrigste Wert in Europa, wo der Durchschnitt laut EOS bei über 40 Prozent liegt.

Gespräch mit Schuldnern kann Lösung bringen

Bei Zahlungsverzug versuchen die meisten Unternehmen in Russland zunächst, mit einer mündlichen Erinnerung die Begleichung der Rechnung anzumahnen. In solchen Gesprächen können die Gründe des Verzugs in Erfahrung gebracht werden, die zuweilen auf Buchhaltungsfehlern oder unvorhergesehenen Ereignissen wie einem Brand beruhen können.

Spätestens nach 60 Tagen Verzug sollten schriftliche Mahnungen folgen, um später den gerichtlichen Klageweg einschlagen zu können.

Auch die AHK Russland hilft als Mediator bei Inkassoverfahren. „Wenn wir als größter ausländischer Wirtschaftsverband im Land ein Mahnschreiben an den Schuldner aufsetzen, zeigt das häufig Wirkung“, sagt AHK-Jurist Spakow.

Hartes Inkassoverfahren vermeiden

Falls der russische Geschäftspartner seine Schulden dennoch nicht begleicht, kann ihm ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren angeboten werden oder eine Restrukturierung der Schulden. Scheitern diese Versuche, sollte der Rechtsweg eingeschlagen werden. „Die Gerichtskosten sind in Russland recht niedrig, die Entscheidungsfristen sind wesentlich kürzer als in Europa“, schreibt die AHK in ihrem Leitfaden „Inkasso & Vertretung vor Gericht“.

Deutsche Manager betonen, dass ein langfristiges Engagement einen fairen Umgang mit den Kunden erfordert. Sie verzichten daher meist auf Inkassodienstleister, die mit aggressiven Methoden arbeiten. Auch Jurist Viktor Spakow betont, „dass russische Geschäftspartner Möglichkeiten haben, den Ruf der deutschen Unternehmen zu schädigen. Das sollte auf jeden Fall verhindert werden.“

In der Vergangenheit kam es in Russland oft zu Drohungen oder Verletzungen des Datenschutzes bei der Zahlungseintreibung durch Inkassobüros. Seriöse Dienstleister sind im Nationalen Verband der professionellen Inkasso-Agenturen (NAPKA) zusammengeschlossen.

Schwankender Rubelkurs erhöht das Risiko

Eine Herausforderung bleiben Kursschwankungen der Landeswährung. Der russische Rubel verlor gegenüber dem Euro in den letzten zehn Jahren rund 55 Prozent an Wert. Das Risiko neuer Sanktionsrunden oder Veränderungen der Rohstoffpreise beeinflussen die Volatilität kurzfristig stark. Deutsche Unternehmen tauschen ihre Rubeleinnahmen daher möglichst schnell nach Zahlungseingang in Euro um.

Im Konsumgüterbereich ist es wegen der stagnierenden Einkommen schwierig, den schwachen Rubelkurs an die Endverbraucher von Importwaren in voller Höhe weiterzureichen. Bei Maschinen und Anlagen, die lange Produktions- und Lieferzeiten haben, werden die Preise bei Vertragsabschluss häufig in Euro fixiert.

Eine Absicherung des Wechselkursrisikos durch Hedging-Instrumente lohnt sich häufig nur für große Unternehmen mit hohen Umsätzen im Russlandgeschäft.

Überweisungen funktionieren grenzüberschreitend

Die üblichste Form der Zahlung sind Banküberweisungen, die auch grenzüberschreitend gut und sicher funktionieren. Die Gesetzgebung zur Devisenkontrolle wurde in den letzten Jahren liberalisiert. Für Zahlungen im internationalen Warenverkehr gibt es keine wesentlichen Beschränkungen.

Russlands Banken sind für internationale Transaktionen an das SWIFT-Zahlungssystem angeschlossen. Gefahr für die Zahlungsströme droht durch die aktuellen politischen Entwicklungen. Das Europäische Parlament hatte am 29. April 2021 eine Entschließung verabschiedet, nach der Russland bei einer Invasion in der Ukraine vom SWIFT-Zahlungskanal getrennt werden soll.


Dieser Inhalt gehört zu

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.