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Recht kompakt | WTO | TRIPS

Exkurs: Die "Erklärung von Doha" und ihre Folgen

Im Jahr 2001 spielte der öffentliche Gesundheitsschutz im Rahmen der sogenannten "Doha-Erklärung" eine große Rolle. Welche Änderungen gab es durch ihre Implementierung im TRIPS? 

Von Julia Merle | Bonn

Gegenstand der "Doha-Erklärung" zum TRIPS

Vor dem Hintergrund schwerwiegender Probleme der öffentlichen Gesundheit in vielen Entwicklungs- und am wenigsten entwickelten Ländern insbesondere durch epidemische Krankheiten (wie AIDS) wurde vor rund 20 Jahren, am 14. November 2001, in Doha von der WTO-Ministerkonferenz bezüglich des TRIPS die "Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health" (Erklärung von Doha/"Doha-Erklärung"; Englisch) erlassen. Bereits damals ging es zentral um das Thema Arzneimittelversorgung und das Verhältnis zwischen öffentlichem Gesundheits- und gewerblichem Rechtsschutz. 

In der "Doha-Erklärung" wird betont, dass das TRIPS Teil der nationalen und internationalen Maßnahmen zur Adressierung dieser Probleme sei (Ziffern 1 und 2). Die im TRIPS vorgesehenen Flexibilitätsbestimmungen (wie die Zwangslizenzen) sollen im Hinblick auf die Förderung des Zugangs zu Medikamenten genutzt werden.

Darin heißt es in Ziffer 5, dass jedes Land selbst bestimmen darf, wann ein nationaler Notstand oder extrem dringende Umstände vorliegen. Dazu können öffentliche Gesundheitskrisen durch Epidemien gehören. Die genaue Ausgestaltung der Bedingungen für Zwangslizenzen bleibt den einzelnen nationalen Rechtsordnungen überlassen.

Im 6. Abschnitt der Erklärung wurde festgehalten, dass WTO-Mitglieder mit unzureichenden oder nicht vorhandenen Produktionskapazitäten im pharmazeutischen Bereich Schwierigkeiten mit dem effektiven Gebrauch der Möglichkeit von Zwangslizensierung nach TRIPS haben können. Die vom Rat für TRIPS geforderte Lösung zur Umsetzung ist der "Entscheidung des Allgemeinen Rates der WTO vom 30. August 2003" (Englisch) zu entnehmen.

Dienen Herstellung und Export patentgeschützter Arzneimittel der Arzneimittelversorgung am wenigsten entwickelter Mitglieder der WTO, werden die Vorgaben für Zwangslizenzen erleichtert: Nach Ziffer 2 der Entscheidung wird bei bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des Art. 31 Buchst. f TRIPS für exportierende Mitglieder ausgesetzt ("Waiver") und nach Ziffer 3 die Anforderungen an die Vergütung nach Buchst. h geändert. So wird es betroffenen Ländern ermöglicht, trotz eigener Unmöglichkeit der Produktion benötigte pharmazeutische Produkte, die anderswo mittels Zwangslizenzen günstiger für den Export produziert wurden (Generika), zu erhalten. WTO-Mitgliedern soll dadurch also gestattet sein, vorzuschreiben, dass eine Zwangslizenz bezogen auf die Produktion für Exportzwecke - und damit nicht vorwiegend zur Binnenmarktversorgung - möglich ist, um Erfordernisse der öffentlichen Gesundheit in anderen Ländern zu erfüllen. Es ist eine weitere zulässige Art der Zwangslizenz.

Zu den für den Import solcher Arzneimittel qualifizierten WTO-Ländern gehören laut der Entscheidung insbesondere die am wenigsten entwickelten Mitglieder.

Schließlich erfolgte die Umsetzung in dem neu eingeführten Art. 31bis TRIPS und dem Anhang zum TRIPS.

Erste Änderung des TRIPS

Artikel 31bis TRIPS bestimmt in Abs. 1, dass sich die Verpflichtungen eines Ausfuhrstaats aus Art. 31 Buchst. f nicht auf die Erteilung von Zwangslizenzen erstrecken, soweit sie für die Herstellung von Arzneimitteln und deren Ausfuhr in einen anspruchsberechtigten Einfuhrstaat nach den Bestimmungen in Abs. 2 des Anhangs zum TRIPS notwendig sind. Darin sind etwa die Bedingungen aufgeführt, an die die vom Ausfuhrstaat erteilte Zwangslizenz geknüpft ist, sowie Anforderungen zur Etikettierung. Zu Meldungen (notifications) im- und exportierender Mitglieder siehe: WTO-Website.

Nachdem - wie in Art. X Abs. 3 WTO-Übereinkommen für Abkommensänderungen vorgeschrieben - zwei Drittel der WTO-Mitglieder die Änderung beziehungsweise das Änderungsprotokoll formell angenommen hatten (Entscheidung vom 6. Dezember 2005: Englisch), trat es am 23. Januar 2017 in Kraft. Das geänderte TRIPS-Übereinkommen findet Anwendung auf diejenigen WTO-Mitglieder, die die Änderung angenommen haben. Andere können sich weiterhin noch auf die Entscheidung aus 2003 (Waiver bezüglich Art. 31 Buchst. f und h TRIPS) stützen - so sieht es Ziff. 11 der Entscheidung vor. Welche WTO-Staaten die Änderung bereits angenommen haben, ist einer Liste auf der WTO-Website zu entnehmen. Derzeit läuft für die übrigen Mitglieder eine mehrfach verlängerte Frist bis zum 31. Dezember 2023 zur Annahme.

Informationen zu ausgewählten nationalen Umsetzungsbestimmungen stellt die WTO-Website bereit.

Trilaterale Kooperation internationaler Organisationen

An der Schnittstelle der Themen geistiges Eigentum, öffentliche Gesundheit und Handel arbeitet die WTO seit 2009 mit der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen. Man will einerseits neue Medikamente weltweit verfügbar machen und andererseits Innovationen in Gesundheitstechnologien fördern.

Seitens der WTO ist hierzu insbesondere auch die Einführung zusätzlicher Flexibilitätsmechanismen in das TRIPS im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit wie die beschriebene spezielle Art der Zwangslizensierung zu zählen.

Weitere Informationen zur Zusammenarbeit und gemeinsamen Aktivitäten der genannten Organisationen sind abrufbar auf der Website der WTO und der Website der WIPO.

Eine gemeinsame Presseerklärung der Generaldirektoren aller drei Organisationen aus Juni 2021 zur intensivierten Zusammenarbeit in Bezug auf Zugang zu medizinischen Technologien weltweit zur Bekämpfung der Coronapandemie ist abrufbar beispielsweise auf der Website der WHO.

Ein kürzlich aktualisierter Auszug aus einer gemeinsamen Studie nimmt besonderen Bezug auf die derzeitigen Herausforderungen der Pandemie; mehr dazu siehe: WTO-Meldung vom 22. Oktober 2021.

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