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Zollbericht Vereinigtes Königreich Brexit
Der Britische Rechnungshof stellt in seinem aktuellen Brexit-Bericht fest, dass die Vorbereitungen kurz vor dem Ende der Übergangsphase noch nicht ausreichend sind.
12.11.2020
Am 31. Dezember 2020 endet die Übergangsphase. Ab dem 1. Januar 2021 gehört das Vereinigte Königreich (VK) endgültig nicht mehr zum Europäischen Binnenmarkt und zur Zollunion. Damit entsteht eine neue Zollgrenze. Warensendungen in Richtung VK werden von einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu einer Ausfuhr aus der Europäischen Union (EU) beziehungsweise zu einer Einfuhr im Vereinigten Königreich.
Vor diesem Hintergrund trifft die britische Regierung zahlreiche Vorkehrungen. Investitionen in Hafeninfrastruktur, Parkplätze und Zollabfertigungsstellen gehören ebenso dazu, wie die Entwicklung neuer IT-System und der Ausbau vorhandener IT-Infrastruktur. Dennoch kommt der britische Rechnungshof zu dem Schluss, dass zahlreiche Risiken die reibungslose Warenabfertigung ab 1. Januar 2021 gefährden.
Der Rechnungshof beruft sich bei seiner Beurteilung der aktuellen Situation unter anderem auf das Worst-Case-Szenario der britischen Regierung. Diese Analyse geht davon aus, dass ein Großteil der britischen Unternehmen nicht ausreichend auf die Änderungen ab 1. Januar 2021 eingestellt ist. Die britische Regierung rechnet damit, dass 40 bis 70 Prozent der LKW nicht die notwendigen Zollpapiere haben, um den Ärmelkanal in Richtung EU überqueren zu dürfen. Im schlimmsten Fall würde sich ein Stau mit rund 7000 LKW bilden. Staus und lange Warteschlagen hätten Auswirkungen auf den Warenfluss in beide Richtungen.
Um Staus und lange Wartezeiten an den Häfen in Richtung EU zu verhindern, wird eine Art Zufahrtsberechtigung eingeführt, die sogenannte Kent Access Permit. Mit dem neuen IT-Tool „Check an HGV“ ist es möglich, vorab zu überprüfen, ob alle Formalitäten erledigt sind und die korrekten Zollpapiere vorliegen. Ist das der Fall, erhält ein LKW grünes Licht für die Weiterfahrt und darf sich in Richtung Fähre bewegen. LKW ohne eine solche Genehmigung riskieren eine Strafe in Höhe von 300 Pfund.
Das neue Zoll-IT-System CDS stellt ebenfalls ein Risiko dar. Die Einführung dieser Anwendung war unabhängig vom Brexit geplant worden. Ursprünglich wurde das Programm für ein Volumen von 60 Millionen Zollanmeldungen entwickelt. Durch den Brexit rechnen die britischen Zollbehörden mit rund 270 Millionen Zollanmeldungen jährlich. Um diesen Umfang bewältigen zu können, ist eine erhebliche Anpassung und Ausweitung der Kapazitäten notwendig. Aus diesem Grund wird die bestehende Software CHIEF parallel weiterbetrieben. Geplant ist hierfür ein Zeitraum von fünf Jahren.
Das Border Operating Model der britischen Regierung sieht ein neues IT-System vor, mit dem sämtliche Warenbewegungen in Richtung VK erfasst werden. Das GVMS soll ab 1. Januar einsatzbereit sein und in zwei Stufen in Betrieb genommen werden:
Die britische Regierung geht davon aus, dass ein erheblicher Anteil der Warenbewegungen in Richtung VK über ein Versandverfahren erfolgen wird. Sie rechnet mit rund 6,3 Millionen Versandverfahren für das Jahr 2021. Für die Einführung des neuen Systems steht die Risikoampel jedoch noch auf Rot.
Ähnlich sieht es bei der physischen Infrastruktur aus. Um Versandverfahren beenden zu können, sind sieben neue Zollstellen in Planung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht sichergestellt, dass diese neuen Anlaufstellen zum 1. Januar 2021 einsatzbereit sind.
Zudem ist weitere Infrastruktur notwendig, um ab 1. Juli 2021 das vorgesehene Grenzregime vollständig umzusetzen. Dabei handelt es sich sowohl um Infrastruktur an bzw. in der Nähe der Häfen als auch um Einrichtungen im Inland. Hier gibt es immer noch Unklarheiten darüber, wo genau sich die Kontrollstellen befinden werden.
Die britische Regierung empfiehlt im Border Operating Model die Nutzung von Zolldienstleistern, um Ein- und Ausfuhren abzuwickeln. Diese Empfehlung ist für Unternehmen jedoch nur umzusetzen, wenn ausreichend Angebot vorhanden ist. Zwar hat die Regierung den Sektor finanziell dabei unterstützt, Personal auszubauen und zu schulen sowie zusätzliche IT-Kapazitäten zu schaffen. Aus Sicht des Rechnungshofs besteht jedoch ein erhebliches Risiko, ob diese Bemühungen ausreichend waren.