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Wirtschaftsausblick | Polen

Polen ab 2024 wieder mit überdurchschnittlichem Wachstum

Die Freigabe neuer EU-Mittel gehört zu den drängendsten Aufgaben der neuen Regierung. Viele Projekte hängen an den Geldern. Das Jahr 2024 birgt noch weitere Herausforderungen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Top-Thema: Regierungsbildung mit Gegenwind

Polen steht vor einem Machtwechsel. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2023 konnten die drei kooperierenden Oppositionsparteien Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska), Dritter Weg (Trzecia Droga) und Neue Linke (Nowa Lewica) eine absolute Mehrheit der Stimmen gewinnen. Die Noch-Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS (Prawo i Sprawiedliwość) bleibt stärkste Kraft. Ihr fehlt aber ein Koalitionspartner. Trotzdem hat Staatspräsident Andrzej Duda der PiS den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Dieses Vorhaben wird voraussichtlich scheitern. Die Noch-Oppositionsparteien könnten ab Mitte Dezember 2023 die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Die neue Regierung muss mit Widerständen rechnen. PiS-nahe Persönlichkeiten besetzen Schlüsselfunktionen in wichtigen Institutionen wie der Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) oder beim Verfassungsgericht. Auch der Staatspräsident, der im Gesetzgebungsprozess ein Vetorecht hat, entstammt den Reihen der PiS. Reformen könnten sich daher in die Länge ziehen. Ein Beispiel ist die von der Europäischen Kommission angemahnte Reorganisation des polnischen Justizwesens. Ohne Reformen bleibt ein Großteil der knapp 60 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds blockiert.

Wirtschaftsentwicklung: Rezession droht nicht mehr

Die Noch-Oppositionsparteien wollen Investitionsprojekte der scheidenden Regierung auf den Prüfstand stellen. Davon ist der geplante Großflughafen CPK (Centralny Port Komunikacyjny) betroffen. Deutsche Unternehmen haben sich um Aufträge beworben. Weniger umstritten ist der Bau von Offshore-Windparks und von Atomkraftwerken. Hersteller aus Deutschland liefern Fundamente und Turbinen für die Offshore-Projekte.

Polens Industrie wartet auf Wachstumsimpulse. Der Produktionsausstoß ist rückläufig. Der Einkaufsmanagerindex PMI lag auch im Oktober 2023 deutlich unter der 50-Punkte Marke, was auf sinkende Bestellungen hindeutet. Laut Konjunkturumfragen der Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) rechnen energieintensive Branchen damit, dass sich die eigene wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern wird. In der holzverarbeitenden Industrie drückt ein anhaltender Streit über die Vertriebspolitik der polnischen Staatsforsten die Stimmung. Der Wohnungsbau meldet wieder bessere Zahlen, auch dank eines 2-Prozent Kreditprogramms. Doch die Subvention endet voraussichtlich zum Jahreswechsel.

Es gibt auch gute Nachrichten: Nach zwei Quartalen im Minus schaffte Polens Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum 3. Quartal 2023 die Kehrtwende. Verglichen mit dem Vorjahreswert stieg die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent. Laut Prognosen der Europäischen Kommission reicht es im Gesamtjahr 2023 für ein Miniwachstum unterhalb des EU-Durchschnitts. Ab 2024 wird Polens BIP dann zur alten Dynamik zurückfinden und fast doppelt so schnell zulegen wie das europäische Mittel.

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Maschinen aus Deutschland sind gefragt

Während der Privatkonsum 2023 schwächelt, entwickeln sich die Investitionen positiv. Trotz einer angespannten Konjunktur und hoher Zinsen setzen Firmen auf Modernisierung. Davon profitieren auch deutsche Lieferanten. Das Unternehmen G. Kraft Maschinenbau etwa stattet den polnischen Türenbauer ERKADO mit neuen Anlagen aus. Die Investitionsdynamik wird laut Europäischer Kommission in den Jahren 2024 und 2025 niedriger ausfallen als 2023, aber über dem EU-Durchschnitt liegen. Vorausgesetzt, dass neue Gelder aus Brüssel fließen. 

Laut GUS-Umfragen wollen 2024 die Chemieindustrie, die Pharmaindustrie und die Hersteller von Schienenfahrzeugen ihre Investitionsausgaben erhöhen. Polens Eisenbahnproduzenten konnten internationale Großaufträge an Land ziehen. Nun müssen zusätzliche Produktionskapazitäten her. Branchenübergreifend bleiben Investitionen in eigene Kraftwerke ein großes Thema. Auch die Automatisierung von Produktionsprozessen steht bei den Unternehmen hoch im Kurs. Ein Grund: Maschinen können Arbeitskräfte ersetzen, die heute in vielen Branchen Mangelware sind. Wie GUS bestätigt, klagt zum Beispiel die metallverarbeitende Industrie über fehlendes Personal.

Unklare Zukunft von Steuernachlässen

Das Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 hängt an mehreren Bedingungen. Die Europäische Kommission rechnet damit, dass der schwächelnde Privatkonsum wieder anzieht. Gründe sind steigende Sozialleistungen und Lohnzuwächse. Allein der Mindestlohn klettert 2024 um knapp 20 Prozent. Gleichzeitig wird die Inflationsrate sinken. Trotzdem muss sich Polen 2024 auf die EU-weit höchste Teuerungsrate mit 6,4 Prozent einstellen.

Zum Jahreswechsel könnte die Teuerungsrate noch einmal vorübergehend steigen. Dann läuft die Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel aus. Auch eine Energiepreisbremse für Haushalte und mittelständische Unternehmen endet. Die scheidende PiS-Regierung will die Maßnahmen verlängern. Teile der Noch-Opposition können sich eine Fortführung in abgespeckter Form vorstellen.

Deutsche Perspektive: Exporte sinken

Polens Exporte von Waren und Dienstleistungen werden 2023 laut Europäischer Kommission unter dem Vorjahreswert liegen. Positiv: Weil die Importe noch schneller fallen, steigt der Handelsüberschuss. Die Einfuhrwerte gehen vor allem deshalb zurück, weil die Preise für Energierohstoffe an den Weltmärkten sinken.

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Der deutsch-polnische Außenhandel entwickelt sich trotz der allgemeinen Konjunkturschwäche positiv. Das Handelsvolumen liegt nach drei Quartalen 2023 über dem Vorjahresniveau. Das ist vor allem den steigenden Importen aus Polen zu verdanken. Deutsche Ausfuhren nach Polen sind rückläufig. 

In einigen Branchen spüren deutsche Firmen den zunehmenden Konkurrenzdruck aus Asien. Immerhin: Wie es aus der Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) heißt, steigt nach Polens Parlamentswahlen die Zahl der Unternehmensanfragen aus Deutschland. Das Interesse deutscher Direktinvestoren scheint ungebrochen. Im Oktober 2023 eröffnete etwa der Schienenzulieferer Knorr Bremse ein neues Werk in Rzeszów.

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Weitere Informationen (zum Beispiel Rechtsinformationen oder Branchenberichte) finden Sie auf unserer Länderseite Polen.

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