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Interview | Afrika | Beratende Ingenieure

"Bei Intelligenten Transportsystemen fehlt Chinesen Erfahrung"

Im Interview erklärt Thomas Eckart von German Rail Engineering, warum deutsches Know-how beim Eisenbahnbau in Afrika unverzichtbar ist – auch für Chinas Baukonzerne. (Stand: 20.12.2023)

Von Marcus Hernig | Bonn

Thomas Eckart, Geschäftsführer, German Rail Engineering GmbH, Beratende Ingenieure Thomas Eckart, Geschäftsführer, German Rail Engineering GmbH, Beratende Ingenieure | © Arik Noack

Thomas Eckart ist Geschäftsführer der German Rail Engineering GmbH (GRE). Das Unternehmen wurde 1988 gegründet und gehört seit 2020 zur Dorsch-Gruppe. GRE berät weltweit bei Projekten in den Bereichen Schienenverkehr, Straßen- und Infrastrukturplanung einschließlich Mobilitätsplanung. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen über 200 Mitarbeitende. Für öffentliche und private Kunden hat GRE bislang rund 10.000 Bahnprojekte in über 30 Ländern abgeschlossen.

Herr Eckart, Ihr Unternehmen berät weltweit beim Aufbau großer Eisenbahnprojekte. Wo waren Sie besonders viel unterwegs?

In Afrika. Ich kenne den Kontinent seit 30 Jahren. Wir bieten dort Beratungsdienstleistungen von der Machbarkeitsstudie bis zur Überwachung der Bautätigkeiten an.

Nennen Sie uns doch ein paar Beispiele.

Wir haben zum Beispiel die Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der Eisenbahn von Tansania über Burundi in die Demokratische Republik Kongo gemacht. Oder die Streckenplanung des afrikanischen Nordkorridors vom kenianischen Hafen Mombasa bis in den Südsudan. Oft planen wir bei der Verbesserung schon bestehender Systeme mit. Wir machen auch klassische Bauüberwachung für die Meterspurbahn in Uganda. In Tansania gehören die Optimierung der Trassenführungen oder der Eisenbahnbrückenbau dazu.

In Äthiopien untersuchen wir die kompletten Verkehrsnetze mit all ihren Problemen. Es geht darum, eine zentrale Verkehrssteuerung zu etablieren. So sollen Pendler in anderthalb statt in vier Stunden durch die Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt Addis Abeba kommen.

Machen nicht eigentlich die Chinesen solche Projekte? China baut im Rahmen seiner Belt and Road Initiative doch verstärkt in Afrika. 

Ja – und da haben sie einen großen Vorteil: Chinesische Baukonzerne bringen häufig die Finanzierung mit. Sie gewinnen die Projektausschreibungen mit einem Komplettpaket von der Finanzierung über das Design bis zum Bau. Das fehlt deutschen Unternehmen, speziell uns Ingenieurdienstleistern. Daher müssen wir uns immer nach Geldgebern umschauen. Internationale Entwicklungsbanken wie die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) sind interessant: Die Afrikaner investieren in die Verkehrsinfrastruktur, ebenso wie die Weltbank. Die deutsche KfW Entwicklungsbank hingegen fördert keine Transportprojekte mehr. 

Werden die deutschen Ingenieure also künftig ihre Aufträge an die Chinesen verlieren?

Nein, die Chinesen sind keine Konkurrenz, denn wir können regelmäßig als Partner in diesen Projekten mitarbeiten. Lokale Infrastrukturbetreiber verlangen häufig eine unabhängige Prüfung des Planungsdesigns. Die führen wir dann durch.

Deutsche Expertise bedeutet: "hohes technisches Wissen mit internationaler Erfahrung".

Warum sind deutsche Planer denn für Chinas Bauprojekte interessant?

Nehmen wir das bereits erwähnte Projekt in Äthiopien: Wir beraten dort beim Aufbau von Intelligenten Transportsystemen (ITS): Wie kanalisiere ich die großen Verkehrsströme? Wie vernetze ich die Verkehrsstrukturen? Wie setze ich die Mobilitätswende in Addis Abeba um? Das "Wie" ist entscheidend. Antworten darauf zu finden, ist eine vielschichtige Aufgabe von der Datenerhebung über die Neuplanung und Simulation bis zur baulichen Umsetzung. Das können deutsche Planer sehr gut, deshalb bleibt German Engineering ein starkes Verkaufsargument. Auch für chinesische Bauprojekte.

Die Chinesen bewerben sich in Afrika mit ihren Baufirmen in der Regel für einzelne Bauaufgaben. Für Netzwerkprojekte wie zum Beispiel ITS-Lösungen fehlt es ihnen jedoch noch an Erfahrung und Expertenwissen. Hier kommt die Konkurrenz nicht aus China, sondern aus den klassischen Industrieländern: Frankreich, Spanien, Südkorea und Japan. Die Koreaner sind günstiger – sie haben niedrigere Lohnnebenkosten. Wir punkten aber noch immer mit unserem technischen Planungs-Know-how.

Warum beauftragen chinesische Unternehmen gerade Ihre German Rail Engineering?

Markt-Know-how und langjährige Beziehungen sind ausschlaggebend. Wir waren ja beim Aufbau des High-Speed-Netzes in China dabei. German Rail Engineering beriet schon seit 1998 das Eisenbahnministerium Chinas beim nationalen Entwicklungsplan für das eigene Hochgeschwindigkeitsnetz. Heute umfasst es 38.700 Kilometer. Es ist damit das größte High-Speed-Netz der Welt. Wir waren schon bei der ersten Planung dabei und hörten 2018/19 mit einer letzten Bauaufsicht dort auf. Seitdem führen die Chinesen selbst die Ingenieursdienstleistungen für Hochgeschwindigkeitsstrecken aus.

Genauso sammelten wir auch in Afrika viele Erfahrungen. Wir waren bis zum Verkauf an die Dorsch-Gruppe im Jahr 2020 Teil der Gauff-Gruppe. Die hatte mit ihrem Gründer Helmut Gauff schon seit 1962 Erfahrung als Planungspionier in Afrika gesammelt. Die Chinesen kennen uns von den eigenen Bauprojekten seit mehr als 20 Jahren und wir kennen ihre geopolitische Schwerpunktregion Afrika bereits seit über sechs Jahrzehnten. Daher beauftragen sie uns immer wieder als Gutachter und Bauüberwacher innerhalb der afrikanischen Projekte, für die sie den Zuschlag haben.

Werden Sie auch künftig mit chinesischen Eisenbahnbauern auf Drittmärkten zusammenarbeiten?

Solange Chinesen hauptsächlich Infrastrukturen in Wachstumsregionen wie Afrika bauen, sehr wahrscheinlich. Dort spielt neben Fracht- und Personentransport auch die Rohstoffausbeutung eine Rolle. Ein Beispiel ist Guinea: Dort hat ein chinesisches Minenkonsortium die Lizenz an den Eisenerzvorkommen erworben. Unter Beteiligung des Staatsunternehmens China Railway Construction Corporation (CRCC) plant man eine erste moderne sogenannte Erzbahn, die von Simandu in Guinea nach Monrovia in Liberia führen soll. Ähnliches ist in Ghana geplant, wo die Erschließung von Bauxitvorkommen vorangetrieben wird. Neue Erzbahnen - wahrscheinlich von chinesischen Konzernen gebaut -  sind interessante Geschäftsfelder für uns.

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