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Wirtschaftsumfeld | Westbalkan | EU-Integration

EU-Beitritt: Weiterhin nur kleine Schritte für den Westbalkan

Obwohl die Westbalkan-Länder wirtschaftlich schon eng mit der Europäischen Union verbunden sind, kommt ihr Beitritt nur langsam voran. Dabei bleibt es auch nach dem Tirana-Gipfel.

Von Martin Gaber | Belgrad

Mit einem schnellen Beitritt der sechs Westbalkanstaaten zur Europäischen Union (EU) wird es wohl auch weiterhin nichts, so ein Fazit des EU-Westbalkan-Gipfels am 6. Dezember 2022 in Tirana. Zwar kündigte die EU in der Abschlusserklärung an, dass sie den Prozess beschleunigen wolle, allerdings wird es kein Aufweichen des Leistungsprinzips geben. Das heißt: Der Weg in die EU führt für die sechs Länder nur über echte Reformen - egal wie lange das dauern wird. Für die Zwischenzeit muss sich Brüssel etwas einfallen lassen, denn die Zustimmung zu einem Beitritt sinkt vielerorts.

Zunächst kommen neue Anreize in Form von Finanzhilfen und kleinen symbolischen Schritten. Für die Union bleibt es wichtig, die Region eng an sich zu binden. Ein Vakuum würde den Platz für andere geopolitische Akteure wie China oder Russland vergrößern. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reiste vor dem Gipfel nach Albanien und Nordmazedonien und warb für den europäischen Weg. Dabei sagte er Deutschlands Unterstützung zu.

Wichtige Aspekte aus der Abschlusserklärung (Tirana-Declaration)
  • Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine unterstreicht die Bedeutung einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und dem Westbalkan.
  • Die EU bekräftigt Beitrittsperspektive für den Westbalkan, Prozess soll beschleunigt werden.
  • Die EU weist auf die Bedeutung von Reformen hin.
  • EU fordert nachhaltige Fortschritte bei der Angleichung an die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
  • Die EU bleibt engster Partner, wichtigster Investor und Handelspartner sowie Hauptgeber von Finanzmitteln. Dies sollte durch die Westbalkanländer besser kommuniziert werden.
  • Neues Unterstützungprogramm über 1 Milliarde Euro.
  • Fortsetzung des Wirtschafts- und Investitionsplans für die Region sowie der grünen und digitalen Agenda.
  • Russland trägt die alleinige Verantwortung für die derzeitige Energie- und Wirtschaftskrise.

Forderungen an Serbien werden lauter

Derzeit streben vier von sechs Westbalkan-Ländern mit Nachdruck in die EU. Das sind Albanien, Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien. Etwas komplexer ist die Situation in Bosnien und Herzegowina sowie in Serbien. In Bosnien und Herzegowina droht einer der beiden Landesteile, die Republika Srpska, mit der Abspaltung vom Gesamtstaat und sucht die Nähe zu Russland und Serbien. Die Republika Srpska blockiert auch Sanktionen des Landes gegen Russland.

Serbien hingegen pflegt traditionell enge kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Präsident Aleksandar Vučić lehnt Sanktionen ab und betont die Souveranität seines Landes. Er beteuert aber, dass sein Land klar auf proeuropäischem Kurs sei. Die Forderungen aus Brüssel nach Sanktionen Serbiens gegen Russland werden nun lauter. Auch die Abschlusserklärung aus Tirana sieht eine Angleichung an die gemeinsame Außenpolitik der Union für die Beitrittskandidaten vor.

Besserung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina fraglich

In Bezug auf den Dialog Kosovo - Serbien und die Normalisierung der Beziehungen wächst der Druck auf die beiden Regierungen in Pristina und Belgrad. In den letzten Wochen gab es ein Auf und Ab. Auf Einigungen folgten neue Eskalationen. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hatte zunächst sogar angekündigt, den Gipfel in Tirana boykottieren zu wollen.

Allerdings zeigen sich EU-Beamte und Diplomaten nun optimistisch. Innerhalb kürzester Zeit sollen Fortschritte erzielt werden. Hierzu hat die EU einen neuen Vorschlag vorgelegt: Damit könnte es zu einer Normalisierung der Beziehungen kommen, ohne dass Serbien den Kosovo anerkennen müsse, berichtet EURACTIV mit Bezug auf EU-Beamte. Währenddessen geht das Auf und Ab weiter und die Spannungen zwischen Pristina und Belgrad nehmen wieder zu.

Weitere Milliarde Euro für den Westbalkan

Im Gepäck hatte die EU auch ein weiteres Unterstützungspaket für den Westbalkan. Neben dem bisherigen Wirtschafts- und Investitionsplan für die Region soll es weiteres Geld aus Brüssel geben. Das Energy Support Package hält 1 Milliarde Euro an Fördermitteln bereit und soll Investitionen von bis zu 2,5 Milliarden Euro ermöglichen. Die Mittel werden aus den Heranführungshilfen, den sogenannten IPA-Fonds (Instrument for Pre-Accession Assistance), kommen. Rund 500 Millionen Euro sind dabei als Soforthilfen unter anderem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gedacht und weitere 500 Millionen Euro für Investitionen im Energiebereich.

Bald zwei weitere EU-Beitrittskandidaten?

Derzeit sind Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo potenzielle Beitrittskandidaten zur Europäischen Union. Für die beiden Länder könnte es schon bald zum nächsten Schritt kommen: Bosnien und Herzegowina soll noch im Dezember 2022 den Kandidatenstatus erhalten. Kosovo plant ebenfalls im Dezember einen Beitrittsantrag einzureichen, kündigte Präsidentin Vjosa Osmani im Rahmen des Gipfels an. Gerade Bosnien und Herzegowina fühlt sich durch die Ernennung von Moldau und der Ukraine übergangen. Die beiden Länder wurden im Eilverfahren zu EU-Beitrittskandidaten. Währenddessen wartet der Balkanstaat schon seit Jahren. Bosnien und Herzegowina hatte im Jahr 2016 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt.

Wirtschaftlich bereits enge Integration

"Russland versucht Einfluss zu nehmen. China versucht Einfluss zu nehmen. Wir sind der größte Investor, wir sind der engste Partner," sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Gipfel in Tirana. Tatsächlich pflegen die Westbalkanstaaten enge Wirtschaftsbeziehungen zur Europäischen Union. Inbesondere die Bundesrepublik Deutschland ist für viele der Länder wichigster Wirtschaftspartner.

Der bilaterale Warenaustausch zwischen der EU und dem Westbalkan betrug 2021 rund 60 Milliarden Euro. Damit betreibt die Region rund 60 Prozent ihres Außenhandels mit der EU, so Zahlen der nationalen Statistikbehörden. Bei den Exporten gehen sogar knapp 70 Prozent in die Union. Schon heute ist das meiste davon aufgrund des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zollfrei.

Künftig könnten sich die Beziehungen noch vertiefen. Die EU hat in der Abschlusserklärung eine weitere schrittweise Integration und Einbindung in den EU-Binnenmarkt angekündigt. Außerdem gilt die Region als möglicher Profiteur einer Neuausrichtung von Lieferketten. Eine gute geografische Lage und eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur sprechen für die südosteuropäischen Länder als Beschaffungsmarkt.

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