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Wirtschaftsumfeld | Andorra | Konjunktur

Aufholjagd der Wirtschaft geht verlangsamt weiter

Die andorranische Volkswirtschaft erholt sich von der Coronakrise. Das Wachstum lässt jedoch nach. Tourismus und Bauwirtschaft erwarten ein besonders erfolgreiches Jahr 2022. 

Von Oliver Idem | Madrid

Die Wirtschaft des Pyrenäenstaates zwischen Frankreich und Spanien hat den Umschwung nach der Coronakrise geschafft. Andorra litt 2020 als Tourismus- und Einkaufsziel besonders unter der Pandemie, was sich in einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 11,2 Prozent ausdrückte. Seit 2021 hat sich die Lage verbessert und im laufenden Jahr wird das Vorkrisenniveau erreicht. Die Wirtschaftsleistung des Landes erreichte 2021 rund 2,8 Milliarden Euro. Pro Kopf entsprach das knapp 35.400 Euro.

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Durch die Kosten der Pandemie stieg die Staatsverschuldung stark an. Da Andorra nicht Mitglied der EU ist, erhält das Land auch keine Gelder im Rahmen des Aufbau- und Resilienzpaketes. Gemessen an der Wirtschaftsleistung bleibt die Staatsverschuldung jedoch vergleichsweise überschaubar: Der Anteil lag 2021 bei knapp 49 Prozent.

Hohes Defizit im Warenhandel

Im Warenhandel verzeichnete Andorra 2021 weiter ein hohes Defizit. Es lag bei knapp 1,2 Milliarden Euro. Die wichtigsten Importgüter waren Transportausrüstung sowie Nahrungsmittel und Getränke. Auch chemische Erzeugnisse sowie Maschinen und elektrische Ausrüstung gehörten zu den großen Produktgruppen. 

Im Jahr 2021 beliefen sich die Importe des Landes auf 1,3 Milliarden Euro, die Exporte erreichten 141 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr 2022 ist sowohl ein signifikanter Anstieg der Importe als auch der Exporte zu erwarten. Diese Zunahmen sollen sich 2023 abschwächen. 

Andorra ist ein kleines bergiges Land mit starkem Akzent auf dem Schutz der Natur, darum ist der Industriesektor relativ klein, ebenso wie der Agrarsektor. Diese Struktur erklärt den hohen Importbedarf in vielen Produktgruppen. 

Die Nachbarländer Spanien und Frankreich sind für die andorranische Wirtschaft überragend wichtig. Als Handelspartner gewann dabei Spanien über die vergangenen 30 Jahre an Bedeutung, während der französische Anteil abnahm. Spanien stand 2021 für 65 Prozent der andorranischen Importe und nahm 53 Prozent der andorranischen Exporte ab.

Traditionell federt der Dienstleistungsexport das Defizit in der Warenhandelsbilanz ab. Dabei hat der Tourismus zum Beispiel im Wintersport eine große Bedeutung. Zudem verfügt das Land über einen verhältnismäßig großen und liquiden Bankensektor.

Ungleiche Erholung im Dienstleistungsbereich

Vom wirtschaftlichen Umschwung des Jahres 2021 profitierten die Handelsunternehmen je nach Warengruppen unterschiedlich stark. Die beste Geschäftsentwicklung erwarteten Einkaufszentren und Anbieter von Haushaltswaren. 

Mit Blick auf 2022 erwarteten laut der Handelskammer CCIS 60 Prozent der Einkaufszentren eine Umsatzsteigerung. Auch in den Bereichen Bekleidung und Schuhe sowie Nahrungsmittel fielen die Aussichten besonders positiv aus.

Zwei Geschäftsfelder ragten jedoch bei den negativen Umsatzerwartungen heraus: Dazu zählten 23 Prozent der Nahrungsmittelhändler sowie 17 Prozent der Unternehmen aus dem Bereich Fahrzeuge und Zubehör.

Der Tourismus legte 2021 wieder etwas zu, stand jedoch noch im Schatten der Coronakrise. Die Anzahl der Touristen stieg gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent auf 5,4 Millionen Gäste. Sowohl unter den Übernachtungsgästen als auch unter den Tagesbesuchern dominierten zu mehr als 90 Prozent Frankreich und Spanien als Herkunftsländer. 

Die Daten aus der Skisaison 2021/2022 dürften 2022 zu einer besseren Tourismusbilanz beitragen. Insgesamt verbrachten Skiurlauber knapp 2,4 Millionen Tage in Andorra. Das waren nahezu achtmal so viele wie in der Vorsaison. Zu dem Positivtrend passt, dass 72 Prozent der Hotelbetriebe für 2022 höhere Umsätze erwarten und 59 Prozent unter ihnen höhere Investitionen geplant haben.

Positiver Trend in der Bauwirtschaft hält an

Die Bauwirtschaft befindet sich seit 2016 auf einem Wachstumskurs. Hier war zwar eine Coronadelle zu beobachten, die den Sektor aber nicht in die roten Zahlen rutschen ließ. Die Branche kehrte schnell auf den Wachstumspfad zurück. In der Konjunkturumfrage zu den Perspektiven für 2022 erwarteten alle Befragten gleichbleibende bis steigende Umsätze und Investitionen.

Im Jahr 2021 legte die Bruttowertschöpfung um real knapp 24 Prozent zu. Dazu trug maßgeblich das 2. Quartal bei, in dem die Aktivitäten sprunghaft zunahmen. Vor allem der Wohnungsbau füllte die Auftragsbücher der Unternehmen. 

Die andorranische Landwirtschaft ist ein kleiner und wenig schwankungsanfälliger Wirtschaftszweig. Eine Besonderheit ist der Tabakanbau. So wurden 2021 rund 122 Tonnen Tabak geerntet. In diesem Bereich strebt die EU einen Strukturwandel an.

Die Industrie startete mit den optimistischsten Aussichten seit fünf Jahren in das Jahr 2022. Das ergab die Unternehmensbefragung der Handelskammer CCIS. Die erste Jahreshälfte brachte dem Wirtschaftszweig weiterhin positive Impulse. Zugleich nahmen die Risiken infolge des Krieges in der Ukraine und weltwirtschaftlicher Unsicherheiten zu. 

Die Kapazitätsauslastung der Industrie stieg 2021 auf 63 Prozent. Das entsprach einer Verbesserung um elf Prozentpunkte gegenüber dem Krisenjahr 2020. Zugleich blieb der Vorkrisenwert des Jahres 2019 von 69 Prozent noch ein gutes Stück entfernt.

Internationalisierung und Anlehnung an die EU

Um sich für die Zukunft aufzustellen, sucht Andorra die internationale Kooperation. Das Land positioniert sich als Standort für wertschöpfungsintensive Dienstleistungen und als Testfeld für digitale Anwendungen.

Bei Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung lehnt sich Andorra eng an die EU an. Das wird beispielsweise durch die Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels und ein von der Europäischen Investitionsbank gefördertes Programm für die Digitalisierung von Verwaltung und Unternehmen deutlich.

Zudem strebt das Land ein Assoziierungsabkommen mit der EU an. Am 13. Oktober 2022 besuchte der Vizepräsident der Europäischen Kommission Maroš Šefčovič Andorra. Er formulierte als Ziel, bis Ende 2023 zu einem Abschluss der Verhandlungen zu gelangen.

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