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Wirtschaftsumfeld | Argentinien | Seidenstraße

Fachleute warnen vor Argentiniens Schulden gegenüber China

Solide Zahlen zu chinesischen Kapitalströmen nach Argentinien gibt es nicht. Klar ist: Die finanzielle Abhängigkeit von China wächst. Und deutsche Firmen müssen flexibel bleiben.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Wenn der Getreidehändler Nidera mit Sitz in Rotterdam in einen argentinischen Hafen investiert, dann wird dieser Transfer in der Statistik als niederländische Investition verbucht. Tatsächlich dahinter steckt der chinesische Logistikkonzern COFCO als hundertprozentiger Anteilseigner von Nidera.

So verhält es sich auch mit den meisten anderen Direktinvestitionen (FDI) aus China, weiß Professor Eduardo Daniel Oviedo, leitender Forscher in der Regierungsbehörde für wissenschaftliche und technologische Forschung CONICET: "Etwa 95 Prozent der FDI gelangen nicht direkt aus China nach Argentinien, sondern über Drittstaaten und Steuerparadiese wie den Kaimaninseln."

Auch andere Finanzströme aus China sind undurchsichtig und höchstwahrscheinlich unterbewertet: Während Argentinien im 1. Quartal 2023 mit rund 44 Milliarden US-Dollar (US$) beim Internationalen Währungsfonds in der Kreide stand, sollen es gegenüber China nur 2,5 Milliarden US$ gewesen sein, sagte der argentinische Kabinettschef Agustín Oscar Rossi im Senat. Eine Quelle nennt er nicht.

Argentinien ist wichtigstes Empfängerland für chinesische Liquiditätshilfen

Internationale Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von erheblich größeren Summen. Laut dem Washingtoner Thinktank Inter-American Dialogue erhielt Argentinien zwischen 2007 und 2021 die höchste Zahl an Krediten chinesischer Geschäftsbanken unter allen Ländern Lateinamerikas: insgesamt 36, wobei Inter-American Dialoge keine Angaben über die Höhe der Summe macht. Gemäß dem Portal AidData vergab China zwischen 2016 und 2021 Liquiditätshilfen und Notkredite an 22 Länder in Höhe von rund 240 Milliarden US$, davon allein 112 Milliarden US$ an Argentinien. Zum Vergleich: Der Devisenbestand der argentinischen Zentralbank betrug Anfang März 2023 rund 39 Milliarden US$.

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China geht in Argentinien - wie in ganz Lateinamerika - planvoll und langfristig vor. Es preist die extrem schwierigen und deshalb risikobehafteten Investitionsbedingungen in dem stets am Rande des Staatsbankrotts stehenden Land ein und nutzt diese auch strategisch, um sich über gezielte Kreditvergabe oder -versprechen Zugang zu interessanten Projekten zu verschaffen.

Schlechte Erfahrungen anderer Länder können auch Argentinien drohen

Experten warnen vor möglichen Folgen. Wirtschaftsprofessor Oviedo zum Beispiel befürchtet eine Asymmetrie und eine wachsende Abhängigkeit von China. Diese wiege schwerer als etwa eine stärkere Autonomie von den Vereinigten Staaten. Die wachsende Schuld könne Argentinien nicht zurückzahlen und hinterlasse den nachfolgenden Generationen eine noch unsicherere Zukunft.

Auch Federico Foders, Präsident des Internationalen Wirtschaftssenats und Lehrbeauftragter an der Universität Kiel, meint: Sollte Argentinien seine Verbindlichkeiten gegenüber China nicht mehr bedienen können, dann könnte China Häfen und andere Infrastruktur übernehmen, so wie es das bereits in anderen Ländern, zum Beispiel in Sri Lanka, getan habe.

Tatsächlich belegen Studien des Kiel Instituts für Weltwirtschaft zur Kreditvergabe an Entwicklungsländer: "Chinas Verträge enthalten weitreichende Vertraulichkeitsklauseln, die Kreditnehmer daran hindern, die Bedingungen oder manchmal sogar die Existenz der Kredite offenzulegen [….] sowie Klauseln, die zulasten anderer internationaler Geldgeber gehen.

Chinesische Banken positionieren sich bewusst als vorrangige Gläubiger und schränken die Handlungsoptionen der Schuldnerländer im Falle einer Zahlungsunfähigkeit teilweise stark ein. Der Schuldendienst ist zudem oft durch Auslandskonten und Projekteinnahmen abgesichert."

Das Besondere an Chinas Auslandskrediten und -investitionen ist ihr Umfang sowie die Tatsache, dass sie fast ausschließlich von staatlichen Stellen kommen. China verlangt häufig Marktzinsen mit Risikoaufschlägen und sichert sich zusätzlich durch Vertragsklauseln ab, die eine Rückzahlung durch Sachleistungen garantieren.

Hinzu kommt, dass einige chinesische Projekte fragwürdig sind. Umstritten ist vor allem der Bau des landesweit vierten Kernkraftwerks Atucha III. Mit über 8 Milliarden US$ (US$) ist es das teuerste Einzelprojekt der im Februar 2022 unterzeichneten bilateralen Abkommen im Wert von beinahe 24 Milliarden US$. Laut dem Chinaexperten Oviedo schaffe der geplante Bau des Reaktors nicht nur eine große finanzielle, sondern auch eine technologische Abhängigkeit gegenüber China.

Argentiniens Beitritt zu Chinas Neuer Seidenstraße macht sich bezahlt

Der Beitritt Argentiniens zur chinesischen Belt and Road Initiative hat noch einen weiteren Aspekt: "Diese Mitgliedschaft und die Beteiligung an vorherigen Projekten erleichtern die Konditionen für Währungsswaps mit China", so Federico Foders. Mithilfe der Swaps kann Argentinien Waren aus China importieren und den US-Dollar umgehen. Dieses ist ein weiterer Baustein in Chinas Strategie, ein Finanzsystem nach eigenen Regeln zu etablieren. Hierzu gehört auch die Gründung der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank, der auch Argentinien beigetreten ist.

Deutsche Unternehmen leiden unter Argentiniens Finanzknappheit

Ebenfalls betroffen von der wachsenden Finanznot Argentiniens sind deutsche Unternehmen vor Ort, etwa wenn sie keine Import- oder keine Zahlungsgenehmigungen mehr erhalten. Immer wieder müssen Betriebe ihre Produktion drosseln oder einstellen, da Vorprodukte aus dem Ausland fehlen. Weil Gewinne nicht mehr ins Ausland transferiert werden dürfen oder die Kosten für Fremdfinanzierungen zu hoch werden, bleiben Investitionen aus.

Für Zukunftsbranchen wie Wasserstoff ist das besonders tragisch. Dabei ist das größte Problem nicht nur, dass es diese strenge Devisenbewirtschaftung gibt - sondern, dass sich die Regeln ständig ändern. Thomas Leonhardt, Gründungspartner der Kanzlei Leonhardt & Dietl, bringt es auf den Punkt: "Für die Unternehmen sind die Importrestriktionen tödlich."

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