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Branchen | Armenien | Gesundheitsektor

Armenien reformiert sein Gesundheitswesen

Der Startschuss zur Einführung einer allgemeinen Krankenpflichtversicherung soll in einigen Monaten erfolgen. Neue Modernisierungs- und Ausbauprojekte sind in Sicht.

Von Uwe Strohbach | Eriwan

Armeniens langjährige Vorbereitung einer Krankenpflichtversicherung tritt in die Abschlussphase. Umgesetzt wird das Reformprojekt voraussichtlich ab 2023/2024. Auf mittlere Sicht dürfte sich die medizinische Versorgung der Bevölkerung damit deutlich verbessern. Dem heute stark unterfinanzierten Gesundheitswesen wird dieser Schritt stabile Einnahmen  bescheren und mehr Kapital in die Gesundheitsfürsorge spülen.

Krankenpflichtversicherung ist Kernelement der Gesundheitsreform 

Die Regierung arbeitet intensiv an der rechtlichen und fachlichen Ausgestaltung des geplanten Versicherungssystems. 

Reformziele sind:

  • die Schaffung optimaler Preisstrukturen für medizinische Leistungen,
  • der Ausbau eines automatisierten Informationssystems,
  • die Errichtung eines transparenten Beschaffungssystems für Gesundheitsdienste und
  • die finanzielle Absicherung des Gesamtprojekts.

Bisher erwägt die Regierung einen Beitragssatz von 6 Prozent des Bruttolohns. Davon entfällt jeweils die Hälfte auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nichtsozialversicherungspflichtige Beschäftigte müssen voraussichtlich einen fixen Versicherungsbeitrag leisten. Die Pflichtversicherung soll den privaten Kostenanteil der Bevölkerung an den Gesundheitsausgaben von heute sehr hohen über 80 Prozent auf 40 Prozent senken. Gegenwärtig betragen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheitsfürsorge bescheidene gut 500 US-Dollar (US$), so das Gesundheitsministerium.

Seit 2001 gibt es in Armenien lediglich staatlich finanzierte Grundleistungen für die Gesundheitsfürsorge (Basic Benefit Package). Nutznießer sind bedürftige Bevölkerungsgruppen, Kinder, schwangere Frauen und Teilnehmer nationaler Gesundheitsprogramme. In der Realität deckt das Basispaket aber nur einen Teil der Kosten ab. Die Patienten müssen weiterhin hohe private (informelle) Zahlungen leisten. Freiwillige Krankenversicherungen, über die nur etwa 2 Prozent der Armenier verfügen, machen nur einen Bruchteil der gesamten Gesundheitsausgaben aus.

Vielfältige Programme und Aktionspläne 

Die armenische Regierung hat in letzter Zeit neue Programme und Strategien für die Gesundheitsfürsorge auf den Weg gebracht oder plant dies in naher Zukunft. Das Maßnahmenbündel ist breit gefächert. Es reicht von der Errichtung eines landesweiten Laborsystems über die Bekämpfung schwerer Krankheiten, die Immunprophylaxe bis hin zur Schaffung von Kinderwunschpraxen und Kinderkliniken.

Neue Programme und Aktionspläne im armenischen Gesundheitssektor (Auswahl)
  • Strategie und Aktionsplan für die Entwicklung eines nationalen Laborsystems (2022 bis 2026),
  • Ausweitung des Programms zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2022 bis 2023),
  • Ausbau der Grundimmunisierung für Kinder (Nationales Programm für Immunprophylaxe),
  • Programm für die Prophylaxe und Kontrolle von parenteralen Virushepatitis-Erkrankungen (2023 bis 2026),
  • Intensivierung der frühzeitigen Bekämpfung bösartiger Neubildungen wie Brustkrebs, Erweiterung der Finanzierung von Chemotherapien und wirksamen Arzneimitteln wie Trastuzumab zur Bekämpfung von Mammakarzinomzellen (2021/2002 bis 2024/2025),
  • Programm für die Prophylaxe und Früherkennung häufiger nichtinfektiöser Krankheiten (2022 bis 2026; darunter Einführung von Screeningprogrammen zur Früherkennung von Darmkrebs),
  • Errichtung und medizintechnische Ausstattung von Zentren für die Kinderwunschbehandlung (intrauterine Insemination) in mindestens drei Regionen (2023 bis 2026),
  • Beschaffung von Medizin- und Labortechnik für die pränatale Diagnostik (2023 bis 2025),
  • Implementierung eines Screeningprogramms für Neugeborene mit einem adrenogenitalen Syndrom (AGS; Störung der Hormonbildung der Nebennierenrinde) ab 2022 und
  • Errichtung eines mobilen Palliativdienstes für Kinder (Pilotprojekt für die Region Eriwan, 2022/2023). 

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Die Programme und Pläne finanzieren sich hauptsächlich aus dem Staatshaushalt. Die Regierung kann aber auch  begrenzt auf internationale Darlehen und verlorene Zuschüsse zurückgreifen. So gewährt der Eurasische Stabilisierungs- und Entwicklungsfonds Zuschüsse für die Prophylaxe und Früherkennung besonders häufiger nicht infektiöser Krankheiten. Die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank sind in Gesundheitsprogramme und in den Ausbau der primären medizinischen Versorgung involviert.

Zahlreiche kleinere medizinische Objekte geplant

Die mittelfristig geplanten Investitionen in die Modernisierung und in den Neubau öffentlicher medizinischer Objekte summieren sich auf umgerechnet mindestens 40 Millionen US-Dollar (US$). Die Projekte sind im Regierungsprogramm für die Jahre 2021/2022 bis 2025/2026 aufgelistet. Hinzukommen noch einige privat finanzierte Erneuerungs- und Ausbauvorhaben.

Projekte im öffentlichen Gesundheitswesen Armeniens (Auswahl)

Projekt

Investitionssumme (in Mio. US$) *)

Geplante Realisierung (Zeitraum) 

Nationales Zentrum für psychische Gesundheit des Ministeriums für Gesundheitswesen in Eriwan (Modernisierung)

10

2021/2022 bis 2025

Medizinisches Zentrum für Brandverletzungen, Dermatologie und Traumatologie in Eriwan (Neubau) 

10

2022 bis 2026

Nationales Zentrum für Infektionskrankheiten des Ministeriums für Gesundheitswesen in Eriwan (Modernisierung)

6

2022 bis 2025

Medizinisches Zentrum Nairi, Stadt Jeghward/Provinz Kotajk (Neubau)

6

2022 bis 2025

Filiale des Nationalen Zentrums für Kontrolle und Prophylaxe von Erkrankungen in der Provinz Armavir (Modernisierung)

5

2022 bis 2023

Medizinisches Zentrum Artik, Provinz Schirak (Neubau)

4

2024 bis 2026

Medizinische Zentren Masis/Provinz Ararat, Taschir/Provinz Lori (Neubau)

jeweils 4

2022/2023 bis 2025

Medizinische Zentren Sisan/Provinz Sjunik, Talin und Aschtarak/Provinz Aragatsotn, Wedi/Provinz Ararat, Mezamor/Provinz Armavir und Wardenis/Provinz Gegharkunik (Modernisierung)

jeweils 3 bis 4

2021/2022 bis 2024/2025

Krankenhaus Wagharschapat, Provinz Armavir (Modernisierung)

3

2022 bis 2025

Polikliniken Nor Hatschn/Provinz Kotajk, Gjumri/Provinz Schirak (3 Objekte), Wanadsor/Provinz Lori, Kapan und Goris/Provinz Sjunik, Arataschat und Ararat/Provinz Ararat und Wajk/Provinz Wajos Dsor (Modernisierung)   

jeweils 2 bis 3

2023 bis 2026

20 kleinere medizinische Einrichtungen für die medizinische Primärversorgung in 10 Provinzen

4

2023 bis 2026

*) geplante und gerundete Werte Quelle: Regierung Armeniens (Entwicklungsprogramm 2021/2022 bis 2025/2026), Frühjahr 2021

Regierung legt Fokus auf ambulanten Gesundheitssektor 

Die aktuellen und geplanten Gesundheitsprogramme und Investitionen sind vorrangig auf die Stärkung der Primärversorgung, dass heißt auf den ambulanten Gesundheitssektor, ausgerichtet. So soll der rudimentäre primärärztliche Sektor, insbesondere in den Regionen des Landes, entwickelt werden. Ziel ist es, nicht erforderliche teure Behandlungen in spezialisierten Versorgungseinrichtungen und unnötige stationäre Aufnahme von Patienten einzudämmen. .

Kennndaten des Gesundheitswesens Armeniens

2018

2019

2020

Bevölkerung (Jahresdurchschnitt, in Mio.)

3,0

3,0

3,0

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (in Jahren)

75,9

76,5

73,5

  Frauen

79,0

79,5

78,6

  Männer

72,4

73,1

68,4

Anzahl der Ärzte (in 1.000)

13,7

14,0

14,4

Anzahl der Ärzte auf 10.000 Einwohner

45,1

47,2

48,6

Anzahl der Zahnärzte

1.546

1.691

1.744

Anzahl der Krankenhäuser

124

125

126

Anzahl der Betten (in 1.000)

12,2

11,8

12,9

Anzahl der Betten auf 10.000 Einwohner

41,0

38,8

43,4

Anzahl medizinischer Einrichtungen für die Primärversorgung

501

494

500

Anzahl der Patientenbesuche (Gesamtjahr, in Mio.) 

12,1

12,1

10,2

Anzahl der Notfallambulanzen

72

66

69

Angaben jeweils zum 31.12.Quelle: Armstat (Nationales Statistikbüro), 2021

Das Gros der medizinischen Einrichtungen in Armenien ist staatlich. Sie arbeiten aber zumeist nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung und treffen wichtige Entscheidungen in Eigenregie. So legen sie Preise für Gesundheitsleistungen und den Personalschlüssel fest.

Knapp ein Drittel der Krankenhäuser und Krankenhausbetten sowie ein Fünftel der medizinischen Einrichtungen für die Primärversorgung befinden sich in privater Hand. Schätzungen zufolge ist gut die Hälfte aller Praxen und Kliniken in der Hauptstadt Eriwan privat. In den Regionen ist dieser Anteil mit weniger als einem Sechstel erheblich geringer.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

Deutscher Wirtschaftsverband Armenien (DWA, German Business Association Armenia)

Vertretung der deutschen Wirtschaftsinteressen vor Ort (Beratung für den Markteintritt, Personalsuche, Büro-Services)

Ministerium für Gesundheitswesen

Oberste Behörde für die Gesundheitsfürsorge, Hauptpartner für ausländische Investoren und Lieferanten im Gesundheitswesen

Staatliche Agentur für Gesundheitswesen


zuständig für den Einkauf von Gesundheitsleistungen durch öffentliche und private Anbieter (zur Sicherung der staatlich garantierten medizinischen Grundleistungen) und das Monitoring der Zahlungen

Health Project Implementing Unit (HPIU)

Planung, Implementierung und Kontrolle international finanzierter oder kofinanzierter Projekte im Gesundheitswesen

Beschaffungsportal Procurement/Gnumner

Zentrales öffentliches Beschaffungsportal des Ministeriums für Finanzen

NEHO CJSC (Armed)

Nationaler Betreiber des E-Health-Systems in Armenien, aktuelle Leilinien/Pläne: Armenian eHealth Strategy and Action Plan for 2021-2023

HENAR Foundation (Health Network for Armenia)

Neue gemeinnützige Stiftung und Plattform für die Förderung der Reformen und Netzwerkbildung im Gesundheitswesen (Schwerpunkte: Primärversorgung, digitale Transformation sowie Aus- und Weiterbildung von Fachkräften)

Gesundheitswesen und Pharmazie Expo Eriwan, Logos Expo Center

Internationale spezialisierte Fachmesse, nächster Jahrgang: 28. bis 30. Oktober 2022


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