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Baltische Staaten und Finnland setzen auf Flüssiggas

Hochrangige Firmenvertreter haben sich im Rahmen der Baltic Gas Conference über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen für den regionalen Gasmarkt ausgetauscht. 

Von Niklas Becker | Vilnius

Der baltische Gasmarkt zeichnet sich - vor allem im EU-Vergleich - durch ein hohes Maß an Kooperation zwischen den Ländern aus. Das unterstrich auch Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie, anlässlich der Baltic Gas Conference, die Mitte Juni in Litauens Hauptstadt Vilnius stattgefunden hat. Die Vertreter der Gasbranche, die auf Einladung der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum) bereits zum sechsten Mal im Baltikum zusammen trafen, waren sich einig, dass eine enge Zusammenarbeit in Zukunft notwendig sein wird, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern. Sie diskutierten den aktuellen Status des finnischen, estnischen, lettischen, litauischen sowie polnischen Gasmarktes. Auch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für die Region standen auf der Agenda.

Gibt es genügend Gas für den Winter?

Vor allen der kommende Winter wird aus Sicht der Experten ein Problem für den Gasmarkt der Region. Es stelle sich die Frage, wie der regionale Bedarf gedeckt werden könne. Dies vor dem Hintergrund, dass die drei baltischen Länder auf Gasimporte aus Russland verzichten. Finnland und Polen erhalten kein russisches Gas mehr. Die beiden Länder hatten sich geweigert, die Importe in Rubel zu bezahlen. 

Derzeit ist die Region auf Gas - und damit auf Importe - angewiesen. Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keine Chance, ohne Gas ausreichend Strom herzustellen, hieß es in Vilnius. Langfristig aber könnten Windparks den nötigen Strom erzeugen. Auseinander gingen die Einschätzungen darüber, ob es im Winter ausreichend Gas für die Region geben wird. Einigkeit bestand hingegen in der Frage, dass die Gaspreise weiter steigen werden und die Volatilität der Preise anhalten wird. 

Für die Energieversorger werden die höheren Gaspreise aus Sicht der Experten einfacher zu stemmen sein als für die Industrieunternehmen. Erstere werden die steigenden Kosten - zumindest zum Teil - an die Endkonsumenten weitergeben können. Die produzierenden Firmen hingegen konkurrieren mit ihren Waren auf dem europäischen, teilweise sogar weltweiten Markt. Erhöhen sie aufgrund steigender Energiekosten die Preise für ihre Vorerzeugnisse, könnten sie ihre Kunden an die Konkurrenz aus anderen Ländern verlieren.   

Baltisches Gasnetz mit zentraleuropäischem Netz verbunden

Für die Region gibt es zwei Alternativen, die den Gasimport aus Russland ersetzen können. Zum einen ist es möglich, über die im Mai 2022 eröffnete Pipeline GIPL (Gas Interconnection Poland-Lithuania) Gas aus Polen zu beziehen. Die 508 Kilometer lange Leitung schließt das baltische Gasnetz an das zentraleuropäische an. Derzeit steht erst eine Teilkapazität zur Verfügung. Doch bereits im Oktober 2022 soll die Pipeline vollständig in Betrieb gehen. Bisher wird die Pipeline jedoch vor allem für den Transport von Gas aus Litauen nach Polen verwendet, nicht umgekehrt. 

Die zweite Alternative ist der Import von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) über den litauischen Hafen Klaipėda. Das 2014 in Betrieb genommene LNG-Terminal wird aus Sicht der Experten allerdings nicht alle Gasprobleme der Region lösen können. Denn trotz voller Auslastung reichen die Kapazitäten nicht aus. Daher sollen weitere LNG-Terminals gebaut und in Betrieb genommen werden. Wie Branchenexperten berichteten, ist dies derzeit aber kein einfaches Unterfangen. Den Herstellern von Komponenten für die Gasinfrastruktur fehlen Materialien wie zum Beispiel Stahl. Offen ist auch, ob es möglich sein wird, ausreichend LNG auf dem Weltmarkt zu kaufen.  

Neue Flüssiggas-Terminals vor der Fertigstellung

Gute Nachrichten gibt es aus Estland: Im Paldiski soll bereits Ende Oktober 2022 die notwendige Infrastruktur für ein schwimmendes LNG-Terminal fertiggestellt werden. Bestandteil eines solchen Terminals ist eine schwimmende Speicher- und Wiederverdampfungseinheit (Floating Storage and Regasification Unit; FSRU), auch LNG-Terminalschiff genannt. Diese nimmt das Flüssiggas von den ankommenden Tankern auf und wiederverdampft es. Die FSRU soll ein Fassungsvermögen von 150.000 bis 175.000 Kubikmetern haben. 

Auch in Finnland laufen die Vorbereitungen für ein schwimmendes LNG-Terminal. Hierfür hat der finnische Gasnetzbetreiber Gasgrid das LNG-Terminalschiff Exemplar für zehn Jahre geleast. Bis Ende September 2022 ist es noch in Argentinien im Einsatz, spätestens zum Jahresende 2022 soll es in Finnland zur Verfügung stehen. Das Schiff hat ein Fassungsvermögen von 151.000 Kubikmetern.

Schwimmendes LNG-Terminalschiff in Finnland kommt nach Inkoo

Wie Gasgrid in einer Pressemitteilung Anfang Juni 2022 bekannt gab, wird die Exemplar im Hafen von Inkoo liegen. Der Hafen sei über den Seeweg gut erreichbar und verfüge über einen betriebsbereiten Pier. Zudem liege er in unmittelbarer Nähe zur Gaspipeline Balticconnector, die 2020 in Betrieb genommen worden ist, und Estland und Finnland verbindet. Die für den Betrieb des schwimmenden LNG-Terminals notwendige Umweltverträglichkeitsprüfungen hat der Hafen in Inkoo bereits 2014 und 2015 durchlaufen.

Bereits seit längerem wird auch im finnischen Hamina ein LNG-Terminal gebaut. Das Fassungsvermögen wird sich auf 30.000 Kubikmeter belaufen. Es wäre das erste LNG-Terminal in Finnland, das mit dem heimischen Gasnetz verbunden ist. Laut Plänen der Betreiber soll das Terminal im Oktober 2022 fertiggestellt werden.   

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