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Special | Brasilien | Wasser - Die knappe Ressource

In Brasiliens Wasserwirtschaft fließen Milliarden

Brasilien bietet einen gigantischen Markt für Wasser- und Abwassertechnologie jeder Art, der jedoch sehr preisorientiert ist. Es dauert, die richtigen Kontakte aufzubauen.

Von Gloria Rose | São Paulo

Brasilien ist eines der wasserreichsten Länder der Welt. Die Wasserverfügbarkeit ist ein grundlegender Wachstumsfaktor für die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Schließlich geht heute mehr als ein Viertel der Bruttowertschöpfung des Landes auf das hocheffiziente Agrobusiness zurück. Zudem stammt mehr als die Hälfte des Stroms aus Wasserkraftwerken. Wasserkraft bleibt ein bedeutender Energieträger, auch wenn Wind-, Solar- und Bioenergie stark an Bedeutung gewinnen.

Extremwetterereignisse stellen Brasilien zunehmend vor Herausforderungen. Perioden anhaltender Dürre beeinträchtigen das Agrobusiness, die Energiewirtschaft und somit auch die Industrie. Der Schutz vor Überschwemmungen durch Starkregen findet dagegen weniger Beachtung in der Politik. 

Deutsche Technologie, wie zum Beispiel Pumpensysteme, gilt als zuverlässig und kann sich durch Garantien und einen hervorragenden After-Sales-Service von der Konkurrenz abheben. Grundsätzlich sollten Anbieter ihr Geschäftsmodell jedoch möglichst flexibel auf den Kunden ausrichten. Denn auf dem großen Wachstumsmarkt herrscht ein hoher Preiswettbewerb. Um mithalten zu können, biete es sich an, einen Teil der Wertschöpfung lokal zu erbringen, verrät Svenja Ahlburg, die das Lateinamerikageschäft für die Wilo-Gruppe leitet.

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Privatisierung macht dringende Investitionen möglich

Bislang sind Konzerne, die Bundesstaaten gehören, die wichtigsten Player in der brasilianischen Wasserwirtschaft. Doch private Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Hierzu zählen die Firmen Aegea und Iguá. Im Jahr 2023 wurde erstmals ein bundesstaatlicher Konzern privatisiert. Corsan versorgt den südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul. Aegea gewann die Versteigerung von Corsan und verpflichtete sich bei der Übernahme zu Investitionen in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar (US$). Mit dem Geld soll in den nächsten zehn Jahren die Wasserinfrastruktur in Rio Grande do Sul modernisiert werden. 

Hinzu kommen wichtige Konzessionsverträge – zum Beispiel mit Cedae, dem Wasserkonzern des Bundesstaats Rio de Janeiro. Aegea ersteigerte 2021 zwei der vier angebotenen Blöcke. Die beiden anderen gingen an Iguá und das Konsortium Rio+Saneamento. Um die Investitionen zu stemmen und die weitere Expansion zu finanzieren, gaben Aegea und Iguá Mitte 2023 Anleihen im Wert von insgesamt 1,9 Milliarden US$ aus.

Dem neuen Rechtsrahmens vom Juli 2020 zufolge müssen die insgesamt 5.570 Städte und Gemeinden Brasiliens bis 2033 immense Defizite bei der Abwasseraufbereitung abbauen. Dafür vervielfachen die halbstaatlichen Großkonzerne ihre Investitionen und werden aufgrund leerer Staatskassen zunehmend privatisiert. 

Im 1. Halbjahr 2024 will die Regierung des Bundesstaats São Paulo den Wasserkonzern Sabesp privatisieren. Sabesp versorgt nahezu 30 Millionen Menschen und ist somit einer der größten Wasserversorger weltweit. Auch Brasiliens zweitgrößtem Konzern Copasa im Staat Minas Gerais und dem drittgrößten Versorger des Landes, Sanepar, im Staat Paraná steht dieser Schritt bevor. Sabesp, Copasa und Sanepar kündigten für den Zeitraum von 2023 bis 2027 Investitionen von insgesamt 8,6 Milliarden US$ an. In diesem Jahr dürfte der Sektor 24 Prozent mehr investieren als im Vorjahr, erwartet das Beratungsunternehmen Inter.B.

Ausgewählte Investitionsprojekte in Brasiliens Wasserwirtschaft
ProjektBundesstaat

Investitionen (in Mio. US$) 1)

Voraussichtlicher Vergabetermin
PPP/Konzession 2)Pernambuco

3.300

4. Quartal 2024
PPP/Konzession 2)Rondônia

1.344

3. Quartal 2024
PPP/Konzession 2)Sergipe

1.250

2. Quartal 2024
PPP/Konzession 2)Paraíba

1.152

3. Quartal 2024
Konzession Porto AlegreRio Grande do Sul

1.058

k.A.
PPP Sanepar (3 Blöcke)Paraná

582

1. Halbjahr 2024
Weitere 36 Projekte einzelner Städte oder regionaler Blöcke-

7.342

k.A.
1 umgerechnet zum Durchschnittswechselkurs 2023: 1 US$ = 5,00 R$; 2) PPP = Public Private Partnership.Quelle: BNDES 2024; Valor Econômico 2024

 

Mit der Marktöffnung geht ein Paradigmenwechsel einher. Denn während die öffentlichen Versorgungsunternehmen auf möglichst niedrige Anschaffungs- und Installationskosten setzen, orientieren sich private Betreiber bei ihren Investitionsentscheidungen deutlich stärker an der Effizienz. Langfristige Betriebs- und Wartungskosten berücksichtigen sie stärker. Dadurch ergeben sich Chancen für Anbieter hochwertiger Technologien.

Hierzu zählt die deutsche AERZEN-Gruppe, die in Brasilien mit einem eigenen Werk vertreten ist. Der Maschinenbauer beliefert Versorgungsunternehmen sowie Industriebetriebe mit hochwertiger Wasser- und Abwassertechnik und sieht gute Perspektiven. Aber es ist ein weiter Weg, denn der Markt ist komplex. "Selbst bei den privaten Wasserversorgern ist es schwierig, Ansprechpartner zu finden, die High Performance und Qualität angemessen hoch bewerten und einpreisen", sagt Rainer von Siegert, Managing Director der brasilianischen Tochtergesellschaft. 

Top 10 der brasilianischen Wasserwirtschaft
Konzern Bundesstaat oder privat

Umsatz 2022 1) (in Mio. US$)

SabespSão Paulo 2)

4.274

CopasaMinas Gerais 2)

1.197

SaneparParaná 2)

1.100

EmbasaBahia

908

Aegeaprivat

898

BRK Ambientalprivat

868

CorsanRio Grande do Sul

765

Grupo Ambiparprivat 2)

734

CedaeRio de Janeiro

595

CompesaPernambuco

593

1 umgerechnet zum Durchschnittswechselkurs 2022: 1 US$ = 5,16 R$; 2 börsennotiert.Quelle: Ranking "Valor 1000" 2022; Recherchen von Germany Trade & Invest

 

Trinkwasserversorgung muss effizienter werden

Der größte Teil der brasilianischen Bevölkerung ist an die Trinkwasserversorgung angeschlossen. In den Favelas zapfen die Menschen das Netz zuweilen illegal an. Diese improvisierten Anschlüsse sowie die ungenügende Wartung der Rohrnetze führen zu hohen Wasserverlusten. In Brasilien erreichen durchschnittlich nur 60 Prozent des Trinkwassers die zahlenden Verbraucher. Private Konzessionäre investieren verstärkt in Sensortechnik und innovative Lösungen, um die Verluste zu reduzieren. Neben der Modernisierung des Verteilungsnetzes spielt auch Energieeffizienz eine immer wichtigere Rolle. 

Im trockenen Nordosten werden 68 Städte und Gemeinden über Tanklaster und Zisternen versorgt. Neben der Metropolregion São Paulo hat der Bundesstaat Ceará den größten Investitionsbedarf bei der Trinkwassergewinnung. In der Provinzhauptstadt Fortaleza mit rund 2,7 Millionen Einwohnern entsteht auch die erste Entsalzungsanlage Brasiliens. Der Konzessionär Águas de Fortaleza erwartet die Baugenehmigung für das 1. Halbjahr 2024 und will dann mit dem Bau beginnen. Die Investitionsausgaben belaufen sich auf 120 Millionen US$. 

Abwasserentsorgung weist den größten Rückstand auf

Trotz einiger Verbesserungen hat immer noch ein Viertel der Bevölkerung keinen Zugang zur Abwasserentsorgung. Nur etwa die Hälfte des Abwassers wird aufbereitet. Das Ziel, bis Ende 2033 wenigstens 90 Prozent der Bevölkerung an die Abwasseraufbereitung anzubinden, ist eine Mammutaufgabe für die Städte und Gemeinden. Der Rhythmus der vergangenen Jahre lässt darauf schließen, dass insbesondere im Norden und Nordosten diese Frist kaum einzuhalten ist.

Die Entwicklungsbank BNDES fasst die Versorgung in verschiedenen Städten und Gemeinden zu größeren regionalen Konzessionsblöcken zusammen, die sich für private Investoren lohnen. Größere Städte wie beispielsweise Belém im nördlichen Staat Pará nutzen Fonds des Wachstumsprogramms PAC und der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank (IDB) und schreiben eigene öffentlich-private Partnerschaften aus. 

Tipp für den Markteinstieg 

Für Zulieferer ist es wichtig, Technologien möglichst frühzeitig vorzustellen, damit die potenziellen Betreiberunternehmen diese noch vor dem Vergabeprozess einkalkulieren können.

Mehr Wasser für die Landwirtschaft

Extremwetterereignisse in Brasilien nehmen zu. Anhaltende Dürre sowie Überschwemmungen beeinträchtigen die Ernten. Um die Verluste zu minimieren, setzen Brasiliens Landwirte auf Smart Farming-Lösungen wie Präzisionsbewässerung und Monitoringsysteme. 

Brasiliens Agrarsektor expandiert und benötigt dafür Wasser. Die Regierung fördert die Wasserversorgung der Agrarwirtschaft durch Großprojekte. Am 1. März 2024 ersteigerte ein Konsortium eine 35-jährige Konzession, die die Bewässerung von bis zu 35.000 Hektar Land im Staat Minas Gerais ermöglicht. Der Bau und der Betrieb von zwei Staudämmen am Fluss Jequitaí dürfte insgesamt 300 Millionen US$ kosten. Weitere sechs Projekte befinden sich in der Pipeline des Infrastrukturprogrammes PPI.

Industrie investiert in Effizienz und Versorgungssicherheit

Zu den größten industriellen Wasserverbrauchern zählen die Zucker-Ethanol-Industrie sowie die Papier- und Zellstoffkonzerne. Börsennotierte Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategien investieren kontinuierlich in Wassereffizienz. Von 2014 bis 2016 erlebte der Bundesstaat São Paulo, das industrielle Herz Brasiliens, eine Wasserkrise. Seitdem investierten einige Betriebe auch mit dem Ziel, in der Versorgung unabhängiger zu werden: Sie bohrten eigene Brunnen, verstärkten die Wassernutzung aus Flüssen, Seen und Niederschlag und nahmen das Recycling von Grauwasser auf. Bezüglich der Behandlung von Industrieabwasser verfügt Brasilien über strenge Auflagen. 

Rechtsrahmen und zuständige Behörden für Wasser:

Die nationale Behörde Agência Nacional de Águas e Saneamento Básico (ANA) regelt den Wassersektor. Für Umweltauflagen und Lizenzen ist Ibama zuständig.

Die brasilianische Entwicklungsbank BNDES erarbeitet Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften (PPP). Das Investitionsförderprogramm PPI funktioniert als Hub und informiert über anstehende Ausschreibungen.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkungen

Germany Trade & Invest

Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

German Water Partnership e. V.Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Wasserbranche zur Exportförderung

AHK Rio de Janeiro

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Agência Nacional de Águas (ANA)

Nationale Wasserbehörde 
Associação Brasileira das Concessionárias Privadas de Serviços Públicos de Água e Esgoto (ABCON)Verband der privaten Wassergesellschaften
Associação Brasileira das Empresas Estaduais de Saneamento (AESBE)Verband der bundesstaatlichen Wassergesellschaften
Instituto Trata BrasilNichtregierungsorganisation zur Förderung der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung in Brasilien

IFAT Brasil

Internationale Fachkonferenz, 24.-26.04.2024 São Paulo Expo
FENASANFachmesse, 22.-24.10.2024 in São Paulo (Expo Center Norte)

revista TAE

Fachzeitschrift und Portal "Meio Filtrante"
revista saneamento ambientalZeitschrift und Portal für Umwelt und Wasser- und Abfallwirtschaft

Portal Saneamento Básico

Informationsportal für die Wasser- und Abfallwirtschaft
Portal Tratamento de ÁguaPortal der Zulieferer und Dienstleister

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