Wirtschaftsumfeld | China | Lohn- und Lohnnebenkosten
Sozialversicherungsbeiträge sind in China ein Muss
Die Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung ist vorgeschrieben. Eine einheitliche nationale Berechnung gibt es nicht. In ihrer Höhe variieren die Zahlungen regional stark.
26.08.2021
Von Christina Otte | Bonn
Nicht nur die steigenden Gehaltsansprüche der Mitarbeitenden treiben die Lohnkosten in China in die Höhe. Auch die Lohnnebenkosten fallen im internationalen Vergleich hoch aus. Schon 2019 hatte die Politik angesichts der sich abflauenden Wirtschaftsentwicklung verschiedene Schritte eingeleitet, um Arbeitgeber zu entlasten. Dazu zählt die landesweite Absenkung der Arbeitgeberbeiträge in die Rentenversicherung auf maximal 16 Prozent. In Zeiten der Coronakrise wurden weitere, allerdings zeitlich befristete Reduzierungen vorgenommen.
Komplexes System mit großer Beitragsbandbreite
Generell verfügt China über ein komplexes und sich regelmäßig änderndes Sozialversicherungssystem. Maßgeblich ist das seit dem 1. Juli 2011 geltende Social Insurance Law. Dabei wird nach den fünf Komponenten Krankenversicherung (KV), Arbeitslosenversicherung (AV), Mutterschaftsgeld (MV), Arbeitsunfallversicherung (AUV) und Rentenversicherung (RV) unterschieden. Zum 1. Januar 2020 trat eine Durchführungsbestimmung in Kraft, nach der die Basiskrankenversicherung und die Mutterschutzversicherung zusammengelegt wurden. Die bisherige Mutterschutzabgabe wird seither nicht mehr als eigenständige Versicherung geführt.
Des Weiteren ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beiträge an einen Wohnungsfonds zu zahlen. Die Einführung einer Pflegeversicherung wird bislang in 15 Pilotstädten ausprobiert, beispielsweise in Shanghai, Qingdao und Suzhou. Einen Zeitplan für eine landesweite Einführung gibt es noch nicht.
Höhe der Sozialabgaben regional sehr verschieden
Die Höhe der jeweiligen Beiträge und deren Aufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind lokal unterschiedlich geregelt. Außerdem werden sie regelmäßig angepasst. Eine vollumfängliche Auflistung ist daher schlicht nicht möglich, aber einzelne Städte können exemplarisch aufgezeigt werden. Beispielsweise lagen die Arbeitgeberanteile an den Sozialabgaben Anfang Juni 2021 bei 26,03 Prozent in Guangzhou, während sie mit 38,4 Prozent in Hangzhou mit an der Spitze rangierten. Des Weiteren gibt es regional unterschiedliche Mindest- und Obergrenzen. Nachfolgend sind die Beiträge und Bemessungsgrenzen für ausgewählte Städte aufgeführt.
Stadt | Untergrenze | Obergrenze | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Beijing | 5.360 | 28.221 | 01.07.21 |
Tianjin | 3.364 | 18.969 | 01.07.20 |
Shanghai | 5.975 | 31.014 | 01.07.21 |
Chongqing | 3.282 | 17.455 | 01.01.20 |
Nanjing | 3.800 | 20.586 | 01.07.21 |
Hangzhou | 3.321,6 | 17.880,8 | 01.07.20 |
Wuhan | 3.740 | 18.699 | 01.07.21 |
Chengdu | RV: 2.697 Sonstige: 3.236 | 17.317 | 01.07.20 |
Guangzhou | RV: 4.588 KV: 6.757 AV, AUV: 2.100 | RV: 22.941 Sonstige: 33.786 | 01.07.21 |
Qingdao | 3.746 | 18.726 | 01.01.21 |
Der größte Anteil an den Sozialabgaben entfällt auf die Rentenversicherung. Für sie gilt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer der höchste Beitragssatz.
Stadt | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Beijing, Tianjin, Shanghai, Chongqing, Nanjing, Wuhan, Chengdu, Dalian, Qingdao, Suzhou | 16 | 8 | 01.05.19 |
Guangzhou | 14 | 8 | 01.01.15 |
Hangzhou | 14 | 8 | 01.07.13 |
Bei der Krankenversicherung besteht eine große Diskrepanz zwischen den deutlich höheren Arbeitgeber- und den viel niedrigeren Arbeitnehmeranteilen. Überdies schließen viele Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter Zusatzversicherungen ab.
Stadt | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Hangzhou | 11,7 | 2 (+ 4 RMB) | 01.01.20 |
Beijing | 9,8 | 2 (+ 3 RMB) | 01.01.21 |
Shanghai | 10,5 | 2 | 01.01.20 |
Tianjin | 10,5 | 2 | 01.06.19 |
Nanjing | 9,8 | 2 (+ 10 RMB) | 01.01.20 |
Qingdao | 9,5 | 2 | 01.01.20 |
Wuhan | 8,7 | 2 (+ 7 RMB) | 01.01.20 |
Chongqing | 8,0 | 2 (+ 5 RMB) | 01.07.17 |
Chengdu | 7,7 | 2 | 01.01.21 |
Guangzhou | 6,35 | 2 | 01.01.20 |
Die Arbeitslosenversicherung macht dagegen nur einen geringen Prozentsatz aus.
Stadt | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Guangzhou | 0,48; 0,64; 0,8 | 0,2 | 01.07.19 |
Beijing | 0,8 | 0,2 | 01.05.16 |
Qingdao | 0,7 | 0,3 | 01.01.17 |
Wuhan | 0,7 | 0,3 | 01.05.16 |
Chengdu | 0,6 | 0,4 | 01.05.16 |
Hangzhou | 0,5 | 0,5 | 01.05.17 |
Tianjin | 0,5 | 0,5 | 01.04.17 |
Shanghai, Nanjing, Suzhou | 0,5 | 0,5 | 01.01.17 |
Chongqing | 0,5 | 0,5 | 01.05.16 |
Die Beitragshöhe der Unfallversicherung variiert je nach Berufsgruppe: je gefährlicher, desto höher der Satz.
Stadt | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Shanghai | 0,16 bis 1,52 | - | 01.05.19 |
Chongqing | 0,3; 0,6; 0,9; 1,1; 1,3; 1,6; 1,9; 2,2 | - | 01.01.17 |
Nanjing | 0,2; 0,4; 0,7; 0,9; 1,1; 1,3; 1,6; 1,9 | - | 01.01.16 |
Beijing, Tianjin, Chengdu | 0,2; 0,4; 0,7; 0,9; 1,1; 1,3; 1,6; 1,9 | - | 01.10.15 |
Guangzhou | 0,2; 0,4; 0,7; 0,9; 1,1; 1,2; 1,3; 1,4 | - | 01.07.19 |
Wuhan | 0,1; 0,2; 0,35; 0,45; 0,55; 0,65; 0,8; 0,95 | - | 01.05.18 |
Hangzhou | 0,2; 0,3; 0,5 | - | 01.05.18 |
Qingdao | 0,05; 0,1; 0,18; 0,23; 0,28; 0,33; 0,4; 0,48 | - | 01.01.19 |
Den jeweiligen Prozentsatz zum Wohnungsfonds (Housing Fund) können Unternehmen in einer vorgegebenen Spannbreite zum Teil selbst bestimmen.
Stadt | Arbeitgeber | Arbeitnehmer | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Hangzhou | 12 | 12 | 01.07.13 |
Dalian | bis 12 | bis 12 | 01.05.16 |
Nanjing, Suzhou | 8 bis 12 | 8 bis 12 | 01.07.13 |
Chengdu | 6 bis 12 | 6 bis 12 | 01.07.14 |
Wuhan | 5 bis 12 | 5 bis 12 | 01.10.18 |
Beijing, Chongqing, Guangzhou, Qingdao | 5 bis 12 | 5 bis 12 | 01.05.16 |
Tianjin | 11 | 11 | 01.07.13 |
Shanghai | 7 | 7 | 01.07.13 |
Auch ausländische Arbeitnehmer sind sozialversicherungspflichtig
Grundsätzlich besteht für ausländische Arbeitnehmer eine Versicherungspflicht. Verstöße können mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden; Ausnahmen sind basierend auf bilateralen Vereinbarungen möglich. Das deutsch-chinesische Sozialversicherungsabkommen von 2002 umfasst Regelungen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Es sieht eine Befreiung von der Versicherungspflicht vor, sofern der Arbeitnehmer in seinem Heimatland versicherungspflichtig ist und Beiträge leistet. In der Regel greift das Doppelversicherungsabkommen nur im Falle einer förmlichen Entsendung und bei Ausnahmevereinbarungen und Anstellungen von Tochtergesellschaften.
Derzeit sind bereits mit elf Ländern Sozialversicherungsabkommen in Kraft. Neben Deutschland bestehen entsprechende Vereinbarungen mit Südkorea, Dänemark, Kanada, Finnland, Schweiz, der Niederlande, Frankreich, Spanien, Luxemburg und Japan. Für Einwohner der Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macau sowie Taiwans gelten die zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen "Vorläufigen Maßnahmen zur Teilnahme an der Sozialversicherung auf dem chinesischen Festland".
Die Versicherungspflicht für ausländische Arbeitnehmer wird regional unterschiedlich umgesetzt, in Beijing beispielsweise sehr strikt. In Tianjin, Shenzhen und Nanjing sind ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Dagegen bot Shanghai ausländischen Beschäftigten die Teilnahme am chinesischen Versicherungssystem auf Basis einer lokalen Regelung nur als Option an. Diese Regelung lief zum 15. August 2021 aus. In der Praxis stellt sich die Rückzahlung von ersparten Anwartschaften beim dauerhaften Verlassen Chinas als komplex dar, insbesondere eine Überweisung ins Ausland.