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European union flag against parliament in Brussels, Belgium EU Parlament | © GettyImages/artJazz

Branchenbericht EU Gesundheitswesen

EU-Gesundheitspolitik

Gesundheitspolitik ist grundsätzlich Aufgabe der Mitgliedstaaten. Die EU besitzt besondere Kompetenzen, etwa zur Pandemiebekämpfung.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH), Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

Die Gesundheitspolitik ist nationale Aufgabe eines jeden EU-Mitgliedsstaats. Die EU übernimmt allerdings einige besondere Aufgaben, etwa koordinierende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung oder zur Bekämpfung von Krebserkrankungen. Eine weitere EU-Kompetenz sind die Verordnungen für den Vertrieb von Medizinprodukten. Wir erklären Ihnen hier die grundlegenden Strukturen, Strategien und Institutionen der EU-Gesundheitspolitik.


  • EU-Gesundheitspolitik erklärt: Akteure, Agenturen, Programme

    Robert Gampfer ist Gesundheitsexperte bei der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland. Im Gespräch erläutert er die Grundzüge der aktuellen EU-Gesundheitspolitik.

    Herr Gampfer, wie ist die EU-Gesundheitspolitik institutionell aufgestellt?

    Es gibt auf der einen Seite die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides aus Zypern und auf der anderen Seite die Generaldirektion Gesundheit (DG SANTE). Das eine ist die politische Ebene, das andere die technische Ebene. Die DG SANTE macht nicht nur Gesundheitspolitik im engeren Sinn, sondern kümmert sich auch um die Themen Ernährungssicherheit, Tiergesundheit und das Ernährungssystem insgesamt.

    Erfolgt dort auch die operationelle Umsetzung der Programme?

    In der Tat hat die EU eine neue Exekutivagentur gegründet, um das aktuelle EU-Gesundheitsprogramm EU4Health umzusetzen: das ist die HaDEA, die Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales. Sie verwaltet die Fördermittel, setzt die Gesundheitsstrategie praktisch um und überwacht, dass die Gelder vernünftig ausgegeben werden. Die Website der HaDEA bietet Unternehmen einen sehr guten Überblick über aktuelle Programme, Förderaufrufe und Veranstaltungen.

    Was bedeutet EU4Health?

    Im Kern ist EU4Health der Teil im EU-Haushalt, der konkret und direkt für Gesundheitspolitik vorgesehen ist. Das aktuelle EU4Health-Programm ist deutlich besser ausgestattet als die drei vorherigen Programme, gleichwohl das Budget im Vergleich zu anderen Budgetposten immer noch nicht groß ist. Anders als bei den Vorgängerprogrammen gibt es eine größere thematische Unterfütterung. Die Coronakrise hatte darauf einen deutlichen Einfluss.

    Was sind denn die wichtigsten inhaltlichen Ziele von EU4Health?

    Gesundheitspolitik ist eine nationalstaatliche Kompetenz. Als Gegenbeispiel ist etwa die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik eine sogenannte geteilte Kompetenz. Deswegen kann die Kommission in diesem Bereich viel weitreichendere Gesetzesvorschläge machen, wie das auch mit dem Green Deal erfolgt ist. Bei EU4Health konzentrieren wir uns darauf, wie man bei akuten Gesundheitskrisen grenzüberschreitende Gegenmaßnahmen in der ganzen EU koordiniert. Weitere Schwerpunkte sind die Krebsbekämpfung, Antibiotikaresistenzen und die Zulassung von Arzneimitteln auf europäischer Ebene.

    Können exportorientierte Unternehmen direkt von den EU4Health-Mitteln profitieren?

    Forschungsprojekte werden über das Programm Horizon Europe unterstützt. Dahin fließen auch Gelder aus dem EU4Health-Topf. Forschungskonsortien können sich dafür bewerben, an denen ja häufig privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind. Zum größten Teil gehen die EU4Heath-Mittel in die Mitgliedsstaaten, um dort die staatlichen Gesundheitsdienste zu fördern. Das Ziel ist, die Gesundheitssysteme stabiler und zuverlässiger zu machen. Die Mitgliedsstaaten können daraus nationale Ausschreibungen oder privatwirtschaftliche Förderinstrumente ableiten. Das hat den Effekt, dass nationale Gesundheitssysteme mehr investieren, auch in Qualität und Innovation. Dadurch kann sich die Nachfrage nach Medizintechnik, Arzneimitteln und Therapeutika verbessern.

    Gilt das auch für die Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF)?

    Auch dadurch wird es zu einer Belebung der Nachfrage kommen. Die ARF-Mittel stocken die wesentlich größeren Regionalfördertöpfe auf. Ziel ist es, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen der EU herzustellen. Und dazu gehört auch das Ziel, die Gesundheitsinfrastruktur gerade in ländlichen Bereichen auszubauen. Durch die ARF-Mittel wird sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen verstärken, die dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

    Was bezweckt die EU mit der Gründung der neuen EU-Agentur HERA?

    HERA steht für Health Emergency Preparedness and Response Authority. Das soll die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen werden. Es sollen etwa strategische Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufgebaut werden. Die EU soll nicht wieder einige Monate benötigen, um eine Impfstoffproduktion hochzufahren. Es geht auch darum, frühzeitig Informationen und Daten auszutauschen, wenn eine ähnliche Pandemiesituation wieder eintritt.

    Gibt es weitere Meilensteine in der EU-Gesundheitspolitik, die wir im Blick behalten sollten?

    Die Gründung von HERA ist definitiv ein wichtiger Schritt. Bis 2027 sollen HERA immerhin sechs Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Damit kann einiges erreicht werden. Außerdem gilt es die Umsetzung der Arzneimittelstrategie zu beobachten, die im Herbst 2020 veröffentlicht wurde. Dazu gehören auch die allgemeinen Arzneimittelvorschriften. Insgesamt bleibt es vor allem interessant, wie die Mitgliedsstaaten über die gesamte Förderperiode die doch recht üppigen Mittel konkret einsetzen.

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • EU4Health

    Das Programm der EU-Gesundheitspolitik ist für 2021 bis 2027 mit 9,4 Milliarden Euro ausgestattet. Es soll die Gesundheitssysteme langfristig krisenfester machen.

    Die Coronapandemie hat die nationalen Gesundheitssysteme sowie öffentlichen Gesundheitsdienste in allen europäischen Mitgliedstaaten auf eine harte Probe gestellt – und zum Teil unvorbereitet getroffen. In allen Ländern mussten kurzfristig weitreichende Maßnahmen ergriffen werden, um Überlastungen zu verhindern und Menschenleben zu schützen. Diese Krise betraf das medizinische Personal ebenso wie die Patientinnen und Patienten und die Gesundheitssysteme. Deswegen wurde EU4Health Programm mit einem Budget von 9,4 Milliarden Euro in den Aufbauplan „Next Generation EU“ aufgenommen. Für das Jahr 2022 hat das Europäische Parlament dieses Budget im Oktober 2021 um 80 Millionen Euro aufgestockt.

    Auf künftige Gesundheitskrisen vorbereitet sein

    Mit EU4Health unterstützt die EU-Kommission die Mitgliedstaaten dabei, sich auf künftige Gesundheitskrisen besser vorzubereiten und im Ernstfall rechtzeitig reagieren zu können. Unter anderem werden durch die Coronapandemie aufgedeckte Lücken geschlossen und es wird sichergestellt, dass die Gesundheitssysteme der EU für künftige Pandemien ausreichend gerüstet sind. Medizinische Hilfsgüter sollen frühzeitig zur Verfügung stehen und sowohl erschwinglich als auch innovativ sein. Außerdem sollen alle Länder bei der Verbesserung der Gesundheitssysteme und der Bekämpfung übertragbarer und nicht übertragbarer Krankheiten zusammenarbeiten. Indem das Programm die Gesundheit der EU-Bevölkerung verbessert, die Belastbarkeit der Gesundheitssysteme stärkt und Innovationen im Gesundheitssektor fördert, soll EU4Health einen wesentlichen Beitrag zur Erholung nach der COVID-19-Krise leisten. EU4Health wird mittels jährlicher Arbeitsprogramme durchgeführt. Das Arbeitsprogramm für 2021 läuft aktuell.

    Das Programm verfolgt drei Hauptziele:

    1. Bekämpfung grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren:
      Die Menschen in der Europäischen Union sollen vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen geschützt und die Kapazitäten zur Krisenbewältigung verbessert werden.
    2. Finanzierung und Zugang zu Arzneimitteln und Medizinprodukten: Arzneimittel, Medizinprodukte und andere krisenrelevante Produkte sollen verfügbar und erschwinglich gemacht und Innovationen unterstützt werden.
    3. Resilienz der Gesundheitssysteme:
      Die Gesundheitssysteme und die Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen gestärkt werden, beispielsweise durch Programme zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention und Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung.

    Ungleichheiten langfristig beseitigen

    Auf der Agenda von EU4Health stehen darüber hinaus langfristige Herausforderungen an die Gesundheitssysteme wie zum Beispiel die Beseitigung von Ungleichheiten im Gesundheitszustand zwischen Bevölkerungsgruppen, Ländern und Regionen, die Minderung der Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten (insbesondere Krebs), eine bessere Verteilung der Kapazitäten der Gesundheitssysteme und die Bekämpfung der zunehmenden Belastung durch Umweltzerstörung und Umweltverschmutzung (insbesondere Luft-, Wasser- und Bodenqualität), sowie durch demografische Veränderungen.

    Die Verteilung der Mittel wird im Verlauf der Durchführung des Programms EU4Health vereinbart. Zu den Maßnahmen, die in den einzelnen Programmbereichen finanziert werden können, zählen u. a.:

    • länderspezifische maßgeschneiderte Unterstützung und Beratung für Länder oder Ländergruppen mit dem größten Bedarf durch Partnerschaften, fachliche Beratung etc.
    • Schulungs- und Austauschprogramme für Arzt- und Pflegepersonal
    • Audits zur Gewährleistung der Wirksamkeit beispielsweise der Vorkehrungen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Vorsorge und Reaktion (etwa Krisenmanagement, antimikrobielle Resistenz, Impfung)
    • klinische Prüfungen zur Beschleunigung der Entwicklung und Zulassung innovativer, sicherer und wirksamer Arzneimittel und Impfstoffe sowie des Zugangs dazu
    • Einrichtung und Koordinierung von Referenzlaboratorien der Union sowie von Exzellenzzentren
    • Investitionen in Vorfeldprojekte für Initiativen mit hohem Mehrwert und in kritische Gesundheitsinfrastrukturen
    • Analysetätigkeiten wie Studien, Datenerhebung und Benchmarking.

    Weiterführende Informationen

    Von Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

  • Die Aufbau- und Resilienzfazilität der EU (ARF)

    Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist das Herzstück des Wiederaufbaufonds NextGenerationEU. Sie umfasst auch Ausgaben für das Gesundheitswesen.

    Das Aufbauinstrument ARF soll Europa dabei helfen, nach der Coronakrise grüner, digitaler und krisenfester zu werden. Um die Auswirkungen der Pandemie in den Mitgliedsländern abzufedern, stellt die ARF von 2021 bis 2027 insgesamt 723,8 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen zur Verfügung. Ziel ist es, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen der EU herzustellen.

    Gemeinsam den ökologischen und digitalen Wandel schaffen

    Mit den umfangreichen ARF-Mitteln will die EU vor allem die Umsetzung von Reformen und öffentlichen Investitionen in den Mitgliedstaaten unterstützen. Durch die geförderten Maßnahmen sollen grundsätzlich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise abgemildert sowie die Resilienz und Wachstumspotenziale gestärkt werden. Insbesondere soll die ARF den grünen und digitalen Wandel fördern. Gleichzeitig gilt es, länderspezifischen Herausforderungen zu begegnen, die im Rahmen des Europäischen Semesters für die einzelnen EU-Staaten identifiziert werden.

    Um Unterstützung aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Aufbau- und Resilienzplänen ein schlüssiges Paket von Projekten, Reformen und Investitionen vorlegen. Die EU-Kommission hat dazu sieben Bereiche benannt, in denen aus ihrer Sicht Investitionen und Reformen besonders wichtig sind:

    1. Sauberere Technologien einführen und die Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien vorantreiben
    2. Öffentliche und private Gebäude energieeffizienter gestalten
    3. Zukunftsfähige saubere Technologien fördern, um die Verkehrssysteme nachhaltiger zu machen
    4. Schnelle Breitbanddienste für alle Regionen und Haushalte einrichten
    5. Die öffentliche Verwaltung und Dienste digitalisieren, insbesondere auch das Justiz- und Gesundheitssystem
    6. Die Cloud-Kapazitäten der europäischen Industrie ausbauen und nachhaltige Prozessoren entwickeln
    7. Die Bildungssysteme fit machen für die Vermittlung digitaler Kompetenzen

    In ihrem jeweiligen nationalen Aufbau- und Resilienzplan, der von der EU-Kommission genehmigt werden muss, erklären die einzelnen Länder, wofür sie die Gelder verwenden möchten. Die geplanten Reformen und Investitionen sollten bis 2026 realisiert werden. 

    Gesundheitssysteme werden digitalisiert

    Damit der digitale Wandel in Europa gelingt, müssen auch die nationalen Gesundheitsdienste – gerade in ländlichen Bereichen – elektronisch ausgebaut werden. Dazu sollen die ARF-Mittel in vielen Mitgliedstaaten einen wichtigen Beitrag leisten. Folglich ist davon auszugehen, dass sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach bestimmten Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen in allen europäischen Ländern verstärken wird. In Deutschland wird die Bundesregierung als Teil des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP) zur Stärkung eines pandemieresilienten Gesundheitssystems unter anderem den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst und das Zukunftsprogramm Krankenhäuser unterstützen. Durch Förderung einer beschleunigten Forschung und Entwicklung dringend benötigter Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 trägt der DARP auch zur akuten Bekämpfung der Pandemie bei.

    Weiterführende Informationen

    Von Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

  • EU-Richtlinien zu Medizinprodukten

    Für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika gelten europaweit einheitliche Regelungen. Das dient der Sicherheit und Wirksamkeit der Produkte.  

    Grundsätzlich ist die Gesundheitspolitik in der EU ein Bereich, über den die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten autark bestimmen. Die Regulierung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika ist eine Ausnahme.

    Das gesamte System wird grundlegend erneuert

    Bis zum Jahr 2022 macht dieser Regulierungsbereich eine große Metamorphose durch.

    • Das bisher gültige System umfasste drei Richtlinien (über aktive implantierbare medizinische Geräte, Medizinprodukte sowie In-vitro-Diagnostika) sowie eine Verordnung (über Medizinprodukte). Eine Website der Europäischen Kommission gibt einen kompakten Überblick zu den alten Regelungen.
    • Seit Mai 2021 bzw. Mai 2022 gelten nur noch zwei Verordnungen – eine über Medizinprodukte (MDR) und eine über In-vitro-Diagnostika (IVDR). Auch hierzu gibt es eine Website der EU-Kommission mit allen wesentlichen Informationen. Man findet Links zu den neuen Verordnungen im Wortlaut sowie zu diversen Berichtigungen und Durchführungsverordnungen.

    Die wesentlichen Neuerungen beider Verordnungen 

    • Die neuen Vorschriften sehen einen besseren Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Patientensicherheit vor. Vor allem Hochrisikoprodukte werden einer strengeren Kontrolle vor dem Inverkehrbringen unterzogen. Bestimmte ästhetische Produkte wie farbige Kontaktlinsen oder Geräte für die Fettabsaugung, die ein hohes Risiko für Verbraucher darstellen, sowie Praktiken wie die Wiederaufbereitung von Einwegprodukten werden in den Geltungsbereich der neuen Verordnungen aufgenommen und einer strengeren und stärker harmonisierten Regelung unterworfen. Vorschriften für die klinische Bewertung und Prüfung werden allgemein verschärft und es werden strengere Anforderungen an die Verwendung gefährlicher Stoffe eingeführt.
    • Es wird eine EU-Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) geschaffen, die ein umfassendes Bild über den Lebenszyklus aller auf dem EU-Markt erhältlichen Produkte enthält.
    • Es gibt ein neues System zur Produktidentifizierung auf der Grundlage einer eindeutigen Produktkennung (UDI), das eine leichtere Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten ermöglicht.
    • Es wird eine sogenannte Implantatkarte für Patienten eingeführt, die Informationen über implantierte Medizinprodukte für den jeweiligen Patienten leicht verfügbar und zugänglich macht.
    • Patienten sollen entschädigt werden, wenn sie fehlerhafte Produkte erhalten. Die Verordnungen verlangen von den Herstellern, dass sie eine ausreichende finanzielle Deckung in Bezug auf ihre potenzielle Haftung gewährleisten, damit Patientinnen und Patienten schnell und effektiv entschädigt werden, auch im Falle einer Insolvenz des Unternehmens.

    Anpassungen in deutschen Gesetzen

    Diese Regelungen sind Verordnungen und gelten damit nach Inkrafttreten unmittelbar in jedem Mitgliedsland. Die nationalen Gesetze müssen innerhalb einer Übergangsfrist an die neue EU-Verordnung angeglichen werden.

    In Deutschland war dazu das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) notwendig. Zuvor hatte es auf Bundesebene einen Nationalen Arbeitskreis zur einvernehmlichen Implementierung der beiden neuen EU-Verordnungen mit allen Stakeholdern gegeben.

    Die Medizinprodukteverordnung MDR (EU) 2017/745

    Am 26. Mai 2021 ist die neue Medizinprodukteverordnung in Kraft getreten. Eigentlich sollte sie schon ein Jahr zuvor verbindlich werden, doch dies wurde verschoben, um angesichts der Coronapandemie den Druck von den nationalen Behörden, den Benannten Stellen, Herstellern und anderen Akteuren zu nehmen.

    Die wichtigsten Neuerungen der MDR finden Sie auf der Website der EU-Kommission übersichtlich zusammengefasst.

    Der Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed) hat auf seiner Website ein eigenes Informationsportal zur Umsetzung der MDR eingerichtet. Eine Folge der neuen MDR ist, dass alle Medizintechnikprodukte bei den sogenannten Benannten Stellen ganz neu registriert werden müssen, damit sie in der EU gehandelt werden können.

    Die In-Vitro-Diagnostika-Verordnung IVDR (EU) 2017/746

    Am 26. Mai 2022 trat die neue In-Vitro-Diagnostika-Verordnung in Kraft. Wichtige Änderungen sind:

    • Die Produkte werden jetzt in vier Klassen statt in zwei Listen eingeteilt.
    • Die Menge der möglichen Konformitätsbewertungsverfahren wurde auf drei Verfahren reduziert.
    • Die EU-Kommission kann zusätzlich zu bestehenden Normen sogenannte gemeinsame Spezifikationen (common specifications) festlegen, die die Hersteller einhalten müssen.
    • Hersteller sind dazu verpflichtet, die Produkte über eine eindeutige Produktkennung (UDI) zu kennzeichnen und Informationen in der Datenbank EUDAMED zu hinterlegen.
    • Jeder Hersteller eines IVD muss über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen.

    Weiterführende Informationen

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • Der europäische Raum für Gesundheitsdaten

    Die EU-Kommission plant einen gemeinsamen Raum zum Austausch von Gesundheitsdaten. Ziel ist es, einen Binnenmarkt für die digitale Gesundheitsversorgung zu errichten. 

    Derzeit werden die meisten Patientendaten in Krankenhäusern, bei Ärzten oder in Laboren in unterschiedlichen IT-Systemen gespeichert, die nicht miteinander kompatibel sind. Die Daten können oft nicht einmal problemlos zwischen Abteilungen desselben Krankenhauses oder vom Facharzt zum Hausarzt ausgetauscht werden. Dies führt dazu, dass nicht immer die richtigen medizinischen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt getroffen werden können.

    Der Austausch von Gesundheitsdaten heute

    Im Rahmen des bereits bestehenden E-Health-Netzwerks tauschen einzelne EU-Mitgliedsstaaten bereits heute Daten aus. So können estnische Rezepte auch in Finnland eingelöst werden oder kroatische Ärztinnen und Ärzte erhalten Patientenkurzakten aus Tschechien. Der erste grenzüberschreitende Austausch fand 2019 statt. Bis 2025 sollen alle übrigen EU-Länder mit dabei sein, auch Deutschland. Doch erst wenige EU-Staaten haben die Digitalisierung ihres Gesundheitswesens auf nationaler Ebene umgesetzt. Dabei hat Coronapandemie gezeigt, dass die gemeinsame Nutzung von Daten zu einer beschleunigten Forschung und zur Stärkung der EU-weiten Gesundheitssysteme beiträgt. Dadurch konnten Menschenleben gerettet werden.

    Bislang sind nur elektronische Verschreibungen und der Austausch von Patientenkurzakten möglich:

    • EU-Bürgerinnen und -Bürger können Arzneimittel in einer Apotheke eines anderen EU-Mitgliedstaates erhalten, da die Rezepte elektronisch aus ihrem Wohnsitzland in ihr Reiseland übertragen werden.
    • Außerdem können Ärzte im Ausland Patientenkurzakten in ihrer Landessprache mit Informationen über wichtige Gesundheitsaspekte wie Allergien, derzeitige Medikation, Vorerkrankungen und Operationen einsehen. Patienten sollen im Ausland richtig behandelt werden können, auch wenn sie nicht die Landessprache beherrschen.

    E-Health Netzwerk für ganz Europa

    Im Rahmen der Priorität „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ will die EU-Kommission das E-Health Netzwerk nun zu einem gemeinsamen europäischen Raum für Gesundheitsdaten ausbauen. Dabei geht es um den Austausch von Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten zwischen Leistungserbringern (dies sind etwa Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken, Ergotherapeuten und Hebammen), Forschenden, politischen Entscheidungsträgern und Regulierungsbehörden.

    Der europäische Raum für Gesundheitsdaten soll:

    • den sicheren Austausch von Patientendaten (auch bei Auslandsreisen) und die Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger über ihre Gesundheitsdaten fördern
    • die Forschung in Bezug auf Behandlungen, Arzneimittel, Medizinprodukte und Ergebnisse unterstützen
    • den Zugang zu Gesundheitsdaten und ihre Nutzung für Forschung, Politikgestaltung und Regulierung mit einem zuverlässigen Steuerungsrahmen und unter Wahrung der Datenschutzvorschriften fördern
    • die digitalen Gesundheitsdienste unterstützen
    • Fragen der Sicherheit und Haftung in Bezug auf künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen klären

    Einbindung der Stakeholder  

    Wie es im Vorfeld jeder Verordnung der EU-Kommission üblich ist, gab es auch zur Verordnung über den europäischen Raum für Gesundheitsdaten eine öffentliche Konsultation: Vom 3. Mai bis 26. Juli 2021 konnten Stakeholder und Einzelpersonen ihre Anregungen für die Gestaltung der Verordnung abgeben. Es gab dazu insgesamt 151 Rückmeldungen. Dabei ging es etwa darum, spezifische nationale und regionale Herausforderungen zu berücksichtigen, die möglicherweise nicht in ein Einheitsmodell passen.

    Es wurde auch gefragt, ob zusätzliche Regeln für den Zugang zu Gesundheitsdaten für die Forschung nötig sind, etwa in Bezug auf Datenkategorien und -formate, Zugangsregulierungen und Datensicherheit. Andere Stakeholder fordern eine bessere Informationspolitik, um die normalen Menschen einschließlich der sie vertretenden zivilgesellschaftlichen Gruppen zu erreichen. Sonst sei das „digitale Zögern“ der Mitgliedsstaaten nicht zu überwinden.

    Am 22. Mai 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf für eine solche Verordnung vorgestellt. Er wird im Anschluss mit dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat verhandelt. Dieser Prozess kann bis zu zwei Jahren dauern, aber auch in kürzerer Zeit abgeschlossen werden. Dann wird die Verordnung – möglicherweise mit Fristen für ihre Umsetzung – in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar in Kraft treten.

    Weiterführende Informationen

    Website der Europäischen Kommission

    Website zum European Health Dataspace

    Website zur Konsultation zum European Health Dataspace 

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • Die Europäische Arzneimittelstrategie

    Die EU-Kommission gestaltet das Arzneimittelsystem der EU um. Alle Bürger sollen einen gleichberechtigten Zugang zu sicheren, modernen und erschwinglichen Therapien erhalten.

    Die EU-Kommission plant, das Arzneimittelsystem der EU bis zum Ende des Jahres 2024 umzugestalten. Deshalb hat sie Ende 2020 eine neue Arzneimittelstrategie veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Sie ist eine wichtige Säule der geplanten europäischen Gesundheitsunion und soll allen Menschen in der EU einen gleichberechtigten Zugang zu sicheren, modernen und erschwinglichen Therapien ermöglichen.

    Das Ziel ist, „eine starke, faire, wettbewerbsfähige und ökologische Branche zu schaffen, die den Patientinnen und Patienten zugutekommt und das Potenzial des digitalen Wandels im Gesundheits- und Pflegebereich ausschöpft“, heißt es im Entwurf der Arzneimittelstrategie: „Wir brauchen gut funktionierende internationale Lieferketten und einen gut funktionierenden Binnenmarkt für Arzneimittel, basierend auf einem Konzept, das den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln erfasst, von der Herstellung bis hin zu Vertrieb, Verbrauch und Entsorgung.“ Die Strategie befindet sich bis zum vierten Quartal des Jahres 2022 im Abstimmungsprozess.

    Defizite wurden benannt

    Die Kommission sieht diverse Defizite, die durch die Coronapandemie besonders offensichtlich geworden sind. Sie stellt unter anderem fest:

    • Innovative Therapien erreichen nicht alle Menschen in Europa mit der gleichen Geschwindigkeit.
    • Patientinnen und Patienten haben aufgrund von Engpässen keinen Zugang zu den von ihnen benötigten Medikamenten.
    • Die Gesundheitssysteme und die Patienten haben Schwierigkeiten, die Kosten für Arzneimittel zu tragen.
    • Die EU ist beim Import von Arzneimitteln und ihren Wirkstoffen zunehmend von Drittländern abhängig.
    • Es gibt Probleme bei der Antibiotikaresistenz und der ökologischen Nachhaltigkeit von Arzneimitteln.

    Strategische Antworten

    Um den zunehmenden Medikamentenbedarf zu decken, will die Strategie zum Beispiel Forschung und Innovation für neue Behandlungen, Impfstoffe und Antibiotika stärken. Dafür soll auch ein besserer Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln sorgen. Alle Akteure auf EU-Ebene sollen bei der Preisgestaltungs- und Kostenerstattungspolitik zusammenarbeiten. Die EU-Kommission strebt auch einen stärkeren Wettbewerb im Bereich der Generika und Biosimilar-Arzneimittel an.

    Als Reaktion auf größere Gesundheitskrisen und die nicht ausreichende strategische Autonomie ist ein weiteres Ziel robustere Lieferketten zu schaffen – durch strategische Bevorratung und mehr Produktion und Investitionen in Europa. Auch die Umweltauswirkungen von Arzneimitteln sollen verringert werden. Im Bereich Digitalisierung und neue Technologien will die EU-Kommission den Weg für Spitzenprodukte, wissenschaftliche Entwicklungen und technologischen Wandel bereiten.

    Konkrete Maßnahmen

    Die Strategie bildet das gemeinsame Dach für eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen. Dazu gehören neben umfangreichen Konsultationen zu der Strategie auch folgende Punkte:

    • Die grundlegenden Rechtsvorschriften über Arzneimittel werden überarbeitet. Im vierten Quartal des Jahres 2022 will die EU-Kommission den Entwurf für die neue allgemeine Rechtsvorschrift für Arzneimittel annehmen.
    • Es wird eine EU-Behörde für die Krisenreaktion bei gesundheitlichen Notlagen gegründet. Mehr zur EU-Gesundheitsbehörde HERA
    • Es wird ein gemeinsamer Raum für Gesundheitsdaten geschaffen. Mehr zum Europäischen Raum für Gesundheitsdaten

    Weiterführende Informationen

    Factsheet

    Kompletter Text der Arzneimittelstrategie 

    Pressemitteilung der Europäischen Kommission

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • Die EU-Gesundheitsbehörde HERA

    Mit der neuen Behörde HERA will die EU-Kommission Europa besser vor Gesundheitsnotlagen schützen. Im Fall von Krisen soll das Notfallmanagement dort effektiver gesteuert werden.  

    Die Europäische Gesundheitsbehörde Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) soll Pandemien und andere Gesundheitsgefahren künftig frühzeitig erkennen und im Notfall für die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten, Impfstoffen, Masken und Schutzkleidung sorgen. HERA wurde 2021 innerhalb der EU-Kommission eingerichtet und ist ein zentrales Element der EU-Gesundheitsunion.

    Vorsorgephase und Krisenphase

    HERA arbeitet in zwei verschiedenen Modi: im Vorsorge- und im Krisenmodus. In der Phase der Vorsorge vor möglichen Gesundheitskrisen führt sie Gefahrenanalysen durch und entwickelt Vorhersagemodelle für potenzielle künftige Notlagen. Dabei arbeitet sie eng mit anderen Gesundheitsbehörden, der Industrie und internationalen Partnern zusammen.

    Wird eine Gesundheitsnotlage auf EU-Ebene ausgerufen, schaltet die HERA in den Krisenmodus um, um rasch Entscheidungen treffen und Sofortmaßnahmen ergreifen zu können. Die sogenannte EU-FAB-Fazilität wird aktiviert, ein Netz ständig einsatzbereiter Produktionskapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln. Sie soll stets Produktionskapazitäten für 500 bis 700 Millionen Impfstoffdosen pro Jahr für die EU sicherstellen. Die Hälfte hiervon soll bereits in den ersten sechs Monaten einer Pandemie bereit stehen.

    Kernaufgaben der HERA

    • Biologische und andere Gesundheitsbedrohungen kurz nach ihrem Auftreten erkennen, ihre Auswirkungen bewerten und potenzielle Gegenmaßnahmen wie Impfstoffe, Antibiotika, medizinische Geräte und Therapeutika identifizieren
    • Forschung und Innovation zur Entwicklung wirksamer, sicherer und erschwinglicher medizinischer Gegenmaßnahmen fördern
    • Verfügbarkeit kritischer Technologien und Produktionsstätten für medizinische Gegenmaßnahmen ermitteln und gewährleisten
    • Bereitstellung medizinischer Gegenmaßnahmen durch die Nutzung von Lagerhaltung und EU-Beschaffung gewährleisten
    • Kenntnisse und Fähigkeiten stärken mit dem Ziel, die Kapazitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der Vorsorge und Reaktion auf Gesundheitsbedrohungen zu verbessern

    Mobilisierung der Industrie

    Für die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung von Medizinprodukten ist die Zusammenarbeit mit der Industrie von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund hat die HERA ein gemeinsames Forum für industrielle Zusammenarbeit eingerichtet, das sich aus Vertretern der Industrie und der Kommission zusammensetzt.

    Darüber hinaus will die EU-Behörde neue Industriepartnerschaften fördern, die durch die Organisation europaweiter Matchmaking-Veranstaltungen unterstützt werden. Sie bauen auf der Arbeit der Taskforce für den Ausbau der industriellen Produktion von COVID-19-Impfstoffen und -Therapeutika (TFIS) auf. HERA nutzt auch andere Instrumente wie das Innovationspartnerschaft-Verfahren, das eine flexible Zusammenarbeit zwischen Käufern der öffentlichen Hand und Wirtschaftspartnern bei der Auftragsvergabe fördert.

    Die nächsten Schritte

    Am 10. Februar 2022 wurde der erste Arbeitsplan der HERA vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Behörde 2022 über ein Budget von 1,3 Milliarden Euro verfügt. Diese Mittel werden unter anderem in die Beschaffung und Lagerung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (rund 580 Millionen Euro) sowie in die Erforschung und Entwicklung von medizinischen Gegenmaßnahmen und innovativen Technologien gegen neue Bedrohungen (rund 300 Millionen Euro) investiert.

    Zudem sollen ein Echtzeit-Frühwarnsystems für Gesundheitsgefahren und eine spezielle IT-Plattform für die Bewertung der Bedrohungslage eingeführt werden. Bis 2027 stehen HERA insgesamt sechs Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es auf der englischsprachigen Website der EU-Kommission.

    Von Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

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