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Wirtschaftsumfeld | Finnland | Parlamentswahl

Parlamentswahl in Finnland - Regierungswechsel steht bevor

Die finnische Fünf-Parteien-Regierung kann ihre Koalition vermutlich nicht fortsetzen. Umfragen deuten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen drei Parteien an. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Am Sonntag, den 02. April 2023, steht in Finnland die Parlamentswahl an. Die rund 4,5 Millionen Wählerinnen und Wähler können sich dabei zwischen 24 Parteien entscheiden. Laut aktuellen Umfragen dürfte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Sozialdemokraten (SDP) von Premierministerin Sanna Marin, der liberalkonservativen Nationalen Sammlungspartei (Kokoomus) und den rechtspopulistischen Basisfinnen (Perussuomalaiset) geben. 

Die aktuelle Fünf-Parteien-Regierung war die beliebteste Regierung der vergangenen 40 Jahre. Das zeigt eine Analyse der Tageszeitung Helsingin Sanomat. In der halbjährlich durchgeführten Umfrage hatte die aktuelle Regierung selbst zum schlechtesten Zeitpunkt mehr Zustimmung als Vorgängerregierungen in ihren populärsten Zeiten. Die hohe Beliebtheit sichert der Marin-Regierung jedoch nicht den Wahlsieg. Aktuellen Umfragen zufolge ist eine Fortsetzung der derzeitigen Koalition unwahrscheinlich.

Ein großes Thema im Land ist der NATO-Beitritt. Zusammen mit Staatspräsident Sauli Niinistö hat die Regierung im Frühjahr 2022 die historische Entscheidung zur Beantragung der NATO-Mitgliedschaft getroffen. 

Beim Staatshaushalt muss der Rotstift ran

Auf der Agenda des Wahlkampfes stehen die öffentlichen Finanzen ganz oben. In den vergangenen Jahren ist die finnische Staatsverschuldung gestiegen. Zuletzt mahnte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) an, Finnland müsse mittelfristig eine erhebliche Konsolidierung der Staatsfinanzen vornehmen. Dies sei notwendig, um in Zukunft Raum für altersbedingte Ausgaben der Gesellschaft zu haben. Kritiker werfen der derzeitigen Regierung fehlende Haushaltsdisziplin vor. Die Nationale Sammlungspartei plant, die Neuverschuldung Finnlands bis 2031 zu beenden. Zudem will die Partei laut Wahlprogramm den Schwerpunkt von der Besteuerung von Arbeit und Unternehmen zum Beispiel auf die Besteuerung von Emissionen verlagern. 

Gesundheitssektor bleibt großes Aufgabenfeld

Zusätzlich zu einem Stopp der wachsenden Verschuldung fordert die Mehrheit der Finnen, dass die nächste Regierung energischere Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung ergreift. Zwar hatte es die Marin-Regierung geschafft, die 15 Jahre lang diskutierte Gesundheitsreform zu beschließen. Nun gilt es jedoch, diese in die Praxis umzusetzen und die großen Baustellen - allen voran den Fachkräftemangel - im finnischen Gesundheitssystem zu meistern. Neben der Gesundheitsreform zählt auch das höhere Beschäftigungsniveau in Finnland zu den Erfolgen der aktuellen Regierung. Zum Jahresbeginn 2023 war die Beschäftigungsquote auf über 74 Prozent gestiegen.  

Regierung setzte ambitionierte Klimaziele 

Die derzeitige Koalition hat die grüne Transformation Finnlands weiter vorangetrieben. So beschloss sie bereits 2019 die CO₂-Neutralität des Landes ab 2035. In der jüngeren Vergangenheit wurde ein enormer Zuwachs der Windkraftanlagen verzeichnet. Allein 2022 installierten die Unternehmen mehr als 400 Windräder in Finnland, den Großteil von ihnen ohne staatliche Unterstützung. Auch deutsche Firmen waren am Aufbau beteiligt. 

In den kommenden Jahren soll der rasche Ausbau der Windenergie in Finnland fortgesetzt werden. Dann dürften auch der bisher vernachlässigte Bereich der Offshore-Windenergie und der noch schwach ausgebaute Fotovoltaik-Sektor aufgebaut werden. Bei einer Regierungsbeteiligung der Basisfinnen könnten das Thema Klimaschutz und der Ausbau der erneuerbaren Energien jedoch nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bekommen. In ihrem Wahlprogramm kündigt die Partei eine Verschiebung des CO₂-Neutralitätsziels auf 2050 an. 

Der Ausbau der erneuerbaren Energie in Finnland ist aus Sicht der deutschen Energiepolitik relevant. Finnland dürfte mittelfristig mehr grünen Strom erzeugen, als es selber benötigt. Aus der überschüssigen Elektrizität könnte grüner Wasserstoff produziert und nach Deutschland exportiert werden. Erste Projekte dafür sind angelaufen. Die Marin-Regierung hat im Februar 2023 das Ziel ausgerufen, dass Finnland 2030 mindestens 10 Prozent des in der EU hergestellten grünen Wasserstoffs herstellt. 

Unabhängig vom Wahlausgang ist klar, dass Finnland auch in Zukunft weiter auf Kernkraft setzt. Zu diesem Thema besteht über die Fraktionsgrenzen hinweg bei allen großen Parteien Einigkeit. In den Wahlprogrammen wird die Errichtung von kleinen Kernkraftwerken (Small Modular Reactor, SMR) im Land angekündigt. 

Wirtschaftlich schwierige Zeiten

Die neue Regierung wird ihr Amt in einer wirtschaftlich nicht einfachen Zeit übernehmen. Finnland verzeichnete im Herbst und Winter 2022 eine milde Rezession. Auch die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung 2023 sind bescheiden. Das Finanzministerium geht in seiner im März 2023 veröffentlichten Prognose von einem Rückgang des finnischen Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr um 0,2 Prozent aus. Für 2024 erwarten die Finanzexperten ein Wachstum der heimischen Wirtschaft um 1,3 Prozent. Das Exportgeschäft spielt für die finnischen Unternehmen eine große Rolle. Als wichtigster Exportmarkt steht Deutschland besonders im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. 

Ganz oben auf der Aufgabenliste der neuen Regierung dürften auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation im Land stehen. Für 2023 erwartet das Finanzministerium einen Anstieg der finnischen Verbraucherpreise um 5,5 Prozent. 

Ein weiteres großes Thema der neuen Regierung ist der Fachkräftemangel. Verschiedene Studien haben deutlich gemacht, dass Finnland auf die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen ist. Laut Forschungsinstitut ETLA muss sich die finnische Netto-Zuwanderung fast verdreifachen, um das Angebot der Arbeitskräfte im Land konstant zu halten. Dass Finnland zukünftig mehr für die Anwerbung von ausländischen Fachkräften tun muss, ist mit einer Ausnahme fast allen Parteien bewusst. Nur die Basisfinnen fordern eine Reduzierung der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften. Auch der EU- und Euro-Austritt gehören zu den langfristigen Zielen der Basisfinnen.

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