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Zentralasien und Südkaukasus rücken im Transportsektor zusammen

Die wachsende Nachfrage nach alternativen Transitrouten zwischen Asien und Europa bringt Schwung in den transkaspischen Transportkorridor. (Stand: 20.01.2023)

Von Uwe Strohbach | Taschkent

Die zentralasiatischen GUS-Republiken und die südkaukasischen Länder haben gute Chancen, von der geostrategischen Zeitenwende zu profitieren. Denn westliche Unternehmen diversifizieren ihre Zuliefer- und Abnehmerstrukturen. Außerdem sind alternative Transitkorridore für den Ost-West-Warentransport gefragter denn je. 

Mittlere Route umgeht Russland beim Ost-West-Verkehr

Die Länder in Zentralasien und im Südkaukasus setzen auf den Ausbau des sogenannten mittleren Korridors, der China über das Kaspische Meer mit Europa verbindet. Zwar kann diese - auch als transkaspische Route bezeichnete - Strecke dem nördlichen Korridor über Russland mittelfristig nicht Paroli bieten, doch im Trend nimmt ihr Gewicht als internationale Transportachse zu.

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Drei Faktoren tragen zur Belebung der transkaspischen Transportroute bei:  

  • Chinas Interesse an einer international verzweigten Transportinfrastruktur für den Warentransport in Richtung Europa als Teil der One Belt, One Road-Initiative (OBOR),
  • auf Exporte ausgerichtete Diversifizierung der Wirtschaft in Zentralasien, 
  • Umleitung des Güterverkehrs China – Europa vom nördlichen auf den mittleren Korridor als Reaktion auf die gegen Russland verhängten Sanktionen und damit zusammenhängende Unsicherheiten im Transportgeschäft auf der Route via Russland/Belarus.  

Letzteres treibt den Ausbau des mittleren Korridors aktuell besonders voran. Internationale Transport- und Logistikunternehmen lenken aufgrund der durch Krieg und Sanktionen blockierten Transportwege in Osteuropa einen Teil oder auch alle ihre Transporte auf der Strecke China - Europa auf den mittleren Korridor um. Hierzu zählen der dänische Frachtriese A.P. Møller Maersk, die finnische Logistikgruppe Nurminen Logistics Services Oy, der niederländische Logistikanbieter Nunner, die chinesischen Unternehmen Juyan und Ruiang (Xi'an) und auch deutsche Firmen wie beispielsweise Dachser Cargoplus.

Transkaspische Internationale Transportroute (TITR) im Überblick

Das Koordinierungskomitee für die Entwicklung der TITR trat im Jahr 2014 zusammen, die Gründung der internationalen Assoziation TITR folgte im Jahr 2017. Die aktuelle jährliche Umschlagkapazität beträgt 6 Millionen Tonnen, darunter 80.000 20-Fuß-Standardcontainer (TEU; Stand: Anfang 2022). 


Transportdauer von Lianyungang/China über Altinkol/Kasachstan (kasachisch-chinesische Grenze) und...

  • ...Poti/Georgien – nach Constanta/Rumänien: 21 Tage (siehe Karte)
  • ...Baku/Aserbaidschan – nach Istanbul (Türkei): 16 Tage (und weiter nach Trieste/Italien: 21 Tage)

Transportvolumen mit klarem Aufwärtstrend

Die Vereinigung Transkaspische Internationale Transportroute (TITR) prognostiziert, dass sich das Transportvolumen im Jahr 2022 über den mittleren Korridor im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht - auf bis zu 3,2 Millionen Tonnen. Zwar wird die Zuwachsrate voraussichtlich nicht ganz erreicht, doch im Trend steigen die Umschlagzahlen klar an.    

Auf mittlere Sicht könnte der jährliche Güterumschlag 10 Millionen Tonnen und der Containerumschlag 200.000 TEU erreichen, so Experten der TITR-Vereinigung. Zudem bringen sich immer mehr Transportdienstleister in das Gesamtprojekt ein. Die Anzahl der TITR-Mitglieder hat sich seit ihrem Gründungsjahr 2017 bis heute auf 20 erhöht.

Entwicklung des Frachtaufkommens über den mittleren Korridor (via Kaspisches Meer)

Kennziffer

2017 bis 2021 insgesamt

2021

2022

2030

Transportvolumen (in Mio. t)

4,4

0,5

3,2 1)

10,0 3)

Container (TEU; Container mit 20 Fuß Länge)

93.300

25.200 2)

50.000

200.000

1) Prognose; Ist Januar bis August 2022: 1,3 Mio. t; 2) darunter 9.023 TEU aus China; 3) mittelfristige SchätzungQuelle: Vereinigung Trans-Caspian International Transport Route (TITR) 2022

Südkaukasus als Drehscheibe zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer

Das wachsende Transitgeschäft in der Region spiegelt sich auch in Branchenstatistiken und -prognosen der südkaukasischen TITR-Mitgliedsstaaten wider. Der Koordinierungsrat Aserbaidschans für Transitgütertransporte gibt das Volumen der im 1. Halbjahr 2022 über aserbaidschanisches Territorium beförderte Transitfracht mit rund 6 Millionen Tonnen an. Das waren fast 50 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Der Transport von Öl- und Ölprodukten stieg um knapp 60 Prozent und von anderen Gütern um gut ein Drittel. Damit klinkt sich Aserbaidschan zunehmend in die neue Seidenstraße ein

Georgiens Transportgewerbe steigert die Einnahmen des Transitgeschäfts im Bahn- und Seetransport 2022 um etwa 140 Millionen US-Dollar (US$) auf circa 850 Millionen US$ (Angaben ohne Passagiertransport). Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Nichtregierungsorganisation Society and Banks.

Einen besonderen Schub könnte die mittlere Route erleben, wenn der über armenisches Gebiet führende und 45 Kilometer lange multimodale Sangesur-Korridor wiederbelebt wird. Das Projekt ist Teil des politischen Normalisierungsprozesses zwischen Aserbaidschan und Armenien. Die Verbindung zwischen Aserbaidschan und seiner Exklave Nachitschewan würde Armenien erstmals eine aktive Einbindung in die TITR ermöglichen. Nutznießer des Korridors wäre auch die Türkei, die eine schnelle Verbindung zum Kernland Aserbaidschans und über den Kaspisee auch zu Zentralasien erhalten würde. Der sich im September 2022 erneut zuspitzende Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien stellt das Vorhaben aber wieder infrage.

Usbekistan will Zentral- und Südasien verbinden

Die Pläne Usbekistans für die regionale Transportkooperation gehen weit über den mittleren Korridor hinaus. Das Land will sich als Logistikhub zwischen Süd- und Südostasien, Westeuropa, China und Russland etablieren. Kernelement der Initiative ist der mit Partnern aus Afghanistan und Pakistan geplante, 750 Kilometer lange Bahnkorridor von Termiz (Südusbekistan), über Masar-e Scharif und Kabul (Afghanistan) nach Peschawar (Nordpakistan). Dieser würde Usbekistan auch mit den pakistanischen Häfen Karatschi und Gwadar verbinden. Das auf bis zu 5 Milliarden US$ veranschlagte Projekt umfasst auch den Bau von 336 Brücken und drei Tunnel. 

Neue Initiativen und Investitionsprojekte kurbeln Entwicklung an

Die direkt in den transkaspischen Korridor involvierten und benachbarte Staaten haben in den letzten Monaten viele Vereinbarungen geschlossen, um die mittlere Transportroute zu fördern. Abgerundet werden die Initiativen von steigenden Investitionen in die Infrastruktur entlang der Strecke. 

Die erklärten Ziele sind:

  • Kapazitätsausbau für das Transitgeschäft,
  • Erleichterungen im grenzüberschreitenden Transport, 
  • Entwicklung neuer multimodaler Transportrouten unter Einbindung bestehender Verkehrswege.   
Neue regionale Initiativen für den Ausbau des mittleren Korridors

Initiative

Beteiligte Länder/Partner

Gründung eines Transport- und Logistikunternehmens, Registrierung für 2023 geplant (Ziele: Erleichterung des Frachtumschlags, Koordinierung der Tarife und Aufbau einer gemeinsamen IT-Plattform)

Bahnunternehmen aus Georgien, Aserbaidschan, der Türkei und Kasachstan

Gründung eines Joint Ventures für Transit-Containertransporte, zurzeit Gründungsphase (analog zur Vereinigten Transit- und Logistikgesellschaft – Eurasische Eisenbahnallianz - Transit-Gütertransporte auf dem Nördlichen Transportkorridor)  

Aserbaidschan, Georgien und die Türkei

Vereinbarung nationaler Transportbehörden über Erleichterungen im internationalen Frachttransport auf der Achse China – Europa, die Organisation intermodaler Frachttransporte in die Türkei via Usbekistan - Turkmenistan - Iran sowie Entwicklung eines Konzepts für Transporte über den türkischen Gebirgssee Van (Initiative vom August 2022)

Usbekistan, Turkmenistan und der Iran

Ausbau der Kooperation bei der Errichtung eines Systems von Transportkorridoren auf der Trasse Zentralasien - Südkaukasus und Sicherung kostengünstiger Transporte über usbekische Logistikzentren und georgische Häfen (Initiative vom Juli 2022)

Usbekistan und Georgien 

Gründung eines Joint Ventures für den internationalen Automobiltransport (Initiative vom August 2022)

Usbekistan, Turkmenistan und Pakistan

Abstimmung und Umsetzung eines Aktionsplans zur Erhöhung der Effektivität und Nutzung der Bahntrasse Baku/Aserbaidschan - Tiflis/Georgien - Kars/Türkei (Initiative vom Juni 2022)

Usbekistan, Georgien und Aserbaidschan

Vereinbarung über Erleichterungen im internationalen Frachttransport (Initiative vom August 2022)  

Usbekistan und Turkmenistan (unter geplanter Einbindung Irans)

Errichtung eines neuen multimodalen Korridors Türkei - Südasien/Pakistan (Initiative vom August 2022)

Türkei, Aserbaidschan, Georgien, interessierte zentralasiatische GUS-Republiken, Afghanistan und Pakistan 

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Ausgewählte Investitionsvorhaben für den Ausbau des mittleren Korridors

Projektbezeichnung

Investitionssumme (in Millionen US$)

Zeitraum der Realisierung

Projektträger

Bahntrasse China - Kirgisistan - Usbekistan (ca. 520 km; etwa 50 Tunnels und 90 Brücken)

5.000 (Schätzung)

Unterzeichnung einer dreiseitigen Vereinbarung über den Bau der Trasse in Kirgisistan (14.09.2022), noch offene Finanzierungsfragen

Transport- und Kommunikationsministeriums Kirgisistans, Transportministeriums Usbekistans, Nationale Kommission für Entwicklung und Reformen Chinas (NDRC)

Bahntrasse Darbaza/Kasachstan - Maktaaral/Grenze zu Usbekistan (106 km, Ausbau des grenzüberschreitenden Gütertransports)

350

Erstellung einer Machbarkeitsstudie, geplanter Realisierungszeitraum 2024 bis 2025

Kazakhstan Temir Zholy (Kasachische Eisenbahn)


Ausbau der Infrastruktur im Hafen Quryq/Kuryk, Kasachstan (Bau einer Schiffs-/Schiffsreparaturwerft, Investitionen in neue Liegeplätze und die Beschaffung von Fähren)

400

2021/2022 bis 2030

Port Kuryk LLP


Straße Kyzylorda/Kasachstan und Utschkuduk/Usbekistan (280 km; 240 km auf kasachischem Gebiet)

170

Erstellung der Machbarkeitsstudie für 2024/2025 geplant, vorgesehene Bauzeit: 2 bis 3 Jahre

Nationale Straßenbaubehörde KazAvtoZhol


Ausbau der Infrastruktur im Hafen Aqtau/Aktau, Kasachstan (Errichtung eines Containerhubs; Erweiterung der jährlichen Umschlagkapazität auf 124.000 TEU, Ist 2021: 33.526 TEU; Modernisierung von Liegeplätzen, neue Lagerkapazitäten, Wassertiefeninstandsetzung)

120

2021/2022 bis etwa 2025/2026

Nationalgesellschaft Handelsseehafen Aktau (NK AMTP)


Errichtung des Internationalen Zentrums für Handel und Wirtschaftskooperation Zentralasien (ICTEC) an der kasachisch-usbekischen Grenze (Grenzübergang Shibek Sholy; Abertigung von täglich bis zu 5.000 Lkw auf beiden Seiten) 

k.A.

Offizieller Startschuss: April 2021, Investitionsphase: 2020 bis 2023, geplante Ausbauphase: 2023 bis 2025)

k.A.

2. Ausbauphase des Seehafens Baku/Aserbaidschan (Erweiterung der jährlichen Umschlagkapazität von 15 Mio. t und 100.000 TEU-Container auf 25 Mio. t und 500.000 TEU-Container)

k.A.

Erstellung einer Machbarkeitsstudie und erste Projektierungsarbeiten, vorgesehener Baubeginn: 2023/2024

Hafen Baku/Aljat


Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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