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Special | Italien | Halbleiter

Entwicklung der Halbleiterindustrie in Italien

Italien ist ein wichtiges Puzzlestück der europäischen Halbleiterindustrie. Im 3. Quartal 2022 geht die neue Fab von STMicroelectronics bei Monza in Betrieb.

Von Oliver Döhne | Mailand

  • Branchenüberblick: STMicroelectronics beliefert die Kfz-Industrie

    Italien produziert neben Halbleitern auch Wafer, Verbundwerkstoffe, Reinräume, Equipment zur Bestückung der Siliziumscheiben sowie Prüfausrüstung. 

    Dominanter Branchenplayer in Italien ist STMicroelectronics, das 1987 aus der Fusion der italienischen SGS Microelettronica und der französischen Thomson Semiconducteur entstand. STMicroelectronics, an dem auch das italienische Finanzministerium Anteile hält, designt und produziert in Italien Halbleiter (Front End), unter anderem in größeren Fabs in Agrate Brianza bei Monza in der Lombardei sowie im sizilianischen Catania. Schwerpunkt sind analoge und Power-Halbleiter.

    Designzentren befinden sich zudem in Casteletto, Settimo Milanese (Lombardei), Aosta, Arzano (Kampanien), Lecce und Palermo. In Italien beschäftigt das Unternehmen rund 10.600 Mitarbeiter. Back-End/Assembly hat der Konzern nach Malta, Marokko, Malaysia, China und auf die Philippinen verlagert. Ein Teil der Massenproduktion findet im Fab-Light-Ansatz im Werk Singapur statt. 

    Branchenriese beliefert Kfz-Industrie

    STMicroelectronics ist einer der global führenden Anbieter von Halbleitern für die Kfz-Industrie, womit das Unternehmen rund 3 Milliarden Euro umsetzt. Etwa 70 Prozent der Produktion von STMicroelectronics von Kfz-Halbleitern findet in Italien statt, in Kürze ergänzt durch das neue Werk in Marokko.

    Etwa 90 Prozent der Entwicklungsteams für den Halbleitereinsatz in Kfz von STMicroelectronics arbeitet in Italien. In Catania investiert das Unternehmen intensiv in den Einsatz von Siliziumkarbid als Rohstoff für zukünftige Wafers, wobei der neue Werkstoff die Energieeffizienz zwischen Motor und Batterie derart verbessert, dass letztlich die Autonomie des Fahrzeugs deutlich steigt. Bislang importiert der Konzern seinen Rohstoff vor allem aus Asien. 

    Strategische Partnerschaften besitzt STMicroelectronics unter anderem mit Tesla, Stellantis, VW, Hyundai, Bosch, Continental, Mercedes, Toyota und Porsche. In Deutschland werden Mikroprozessoren von STMicroelectronics sowohl in Massenfahrzeugen wie dem Golf (rund 750 Komponenten von ST) als auch in höherpreisigen Marktsegmenten wie der 7er-Serie des BMW verbaut (etwa 2.500 Komponenten von ST). Offenbar soll auch der Tesla 3 in Berlin weitgehend von STMicrolelectronics bestückt werden.

    Weitere strategische Schwerpunkte des Konzerns sind die Industrie, Smart City und IoT. Infineon betreibt in Padua und Pavia zwei Forschungs- und Entwicklungszentren für Automotive und Industrial-Anwendungen, unter anderem zum Einsatz von Halbleitern in Haushaltsgeräten, in Fahrsicherheit-, Fahrzeugbeleuchtungs- und Fahrassistenzsystemen sowie zur Energiespar- und CO2-Reduktion in Kfz.

    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Halbleiterindustrie in Italien

    Akteur/Projekt

    Investitionssumme in Euro oder US$

    Anmerkungen

    STMicroelectronics/R3 300mm Fab in Agrate Brianza bei Mailand

    2 Mrd. US$

    Partnerschaft mit Tower Semiconductor, seit 2018 im Bau, Betriebsstart: 3. Quartal 2022, 15.100 Quadratmeter Reinraum, 8.000 Waferscheiben/Woche, erstmalige Produktion von 300mm-Wafer in Italien

    Intel/Leading Edge Fab in Turin

    10 Mrd. US$

    Entscheidung für einen oder mehrere Standorte in Europa soll bis Ende 2021 erfolgen, auch Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland sind im Rennen

    StMicroelectronics/EU-Recovery Fund in Catania

    750 Mio. Euro

    Geplant, aber noch in der Diskussion, Entwicklung energieeffizienter Halbleiter, neue Verbundstoffe (Siliziumkarbid, Galliumnitrid)

    STMicroelectronics und Invitalia in Catania

    250 Mio. Euro 

    Läuft, Investitionen in neue Verbundstoffe

    LFoundry in Avezzano

    18 Mio. Euro

    Für 2022 geplant, neue Produkte für die Kfz-Industrie

    Quelle: Recherche von GTAI

    Vereinzelte Exzellenz bei Zulieferern

    Des Weiteren sind in Italien einige spezialisierte Zulieferer tätig. Dazu zählt im Bereich der Waferproduktion das Unternehmen Memc, das in Meran monokristalline Ingots und in Novara Silizium-Wafers produziert. Mit einem Output von rund 5 Millionen Scheiben pro Jahr ist Memc, das zur taiwanischen Global Wafer-Gruppe gehört, Europas größter Produzent von 200mm-Wafers. Das Unternehmen will sich mit Blick auf die Kfz-Industrie künftig auch dem 300mm-Segment zuwenden.

    PVA Italia produziert bei Vicenza Vakuumkammern für Siliziumkristalle (Czochralski und Floatzone-Prozess) sowie Kammern für die Plasmabehandlung von Wafers. Die Firma Meridionale Impianti (MI), mit Sitz bei Mailand und Produktion unter anderem bei Catania, ist einer der Weltmarktführer für Reinräume für die Halbleiterproduktion.

    Der Industriegasproduzent Sapio aus Monza bietet technische Gase zur Halbleiterbeschichtung. Lpe, ein kleinerer Hersteller von Epitaxial-Reaktoren für die Produktion von Silizium-Wafers bei Mailand, veranlasste 2021 die italienische Regierung, erstmals von ihrem strategischen Vetorecht bei ausländischen Übernahmeversuchen Gebrauch zu machen. 

    Ein Hersteller von Bildsensoren und Halbleiter-Komponenten für den Automotive-Bereich ist LFoundry, ein Unternehmen aus Avezzano in der Region Abruzzen. Das Werk, ursprünglich von Texas Instruments gegründet, erlebte in seiner 30-jährigen Betriebszeit mehrere Eigentümerwechsel (Micron, SMIC, Jiangsu). Es war zwischenzeitlich auch in deutschem Besitz und hat laut Pressemeldungen noch immer 1.500 Beschäftigte. Zurzeit gehört LFoundry der chinesischen Wuxi Xichanweixin Semiconductors und beliefert Pressemeldungen zufolge als einzigen Kunden die US-Firma Onsemi (ON Semiconductors) mit CMOS-Sensoren. 

    Expertise besteht in Italien auch in der Prüfphase: Das Unternehmen Spea aus Volpiano bei Turin entwickelt automatisierte Testsysteme für MEMS. Technoprobe aus Mailand ist ein mehrfach preisgekrönter Produzent von Prüfkarten für Wafers. 

    Kunden in Industrie, Infrastruktur und Haushalten

    Wichtigste Absatzbranche in Italien ist die Kfz-Industrie, wo sich die Knappheit am schnellsten bemerkbar machte. Großabnehmer von STMicroelectronics sind neben Stellantis auch viele Kfz-Zulieferer, darunter Magneti Marelli, Bosch, Bitron, Lear und Eldor. Im Mittelpunkt steht die schnell voranschreitende Elektrifizierung des Antriebs, aber auch die Entwicklung von Fahrassistenzsystemen und die zunehmende Kommunikation zwischen Fahrzeuge und Infrastruktur (V2X).

    Autobahnbetreiber wie Autostrade per l'Italia und ASTM entwickeln Smart-Road-Technologie. Ähnliches gilt für Smart-City-Anwendungen, die zwar oft aus Asien stammen, auf politischen Druck aber oft in Italien produziert werden. 

    Nachfrager von Halbleitern in Italien sind auch die Hersteller von Ausrüstung für mehr Gebäudeenergieeffizienz und Smart Home-Equipment, ebenfalls ein Förderschwerpunkt der italienischen Regierung. Ähnliches gilt für den Ausbau von Mobilfunk- und 5G-Infrastruktur. Aber auch die Hersteller von Werkzeugmaschinen, Industrieautomatisierung/Robotik sind vom derzeitigen Engpass betroffen. Ihr Absatz war in Italien zuletzt deutlich angestiegen, nicht zuletzt wegen ausgiebiger Förderung von Industrie 4.0-Equipment. Leidtragende der Knappheit sind auch die Hersteller von Kühlschränken, Waschmaschinen, Geschirrspülern und Mikrowellen, die in Italien die Firmen Whirlpool, Electrolux und Candy Haier produzieren.  

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Strategien und Ziele: Neue energieeffiziente Verbundstoffe

    Italien bemüht sich darum, STMicroelectronics möglichst viele Fördermittel zuzuleiten und sich im Rahmen der neuen europäischen Initiative gut zu positionieren. 

    Italien sieht in der Halbleiterindustrie einen wichtigen Standortfaktor, stimmt sich aber bezüglich Strategie mit den europäischen Partnern ab. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit Frankreich, mit dem Italien durch das gemeinsame Unternehmen STMicrolectronics verbunden ist. An STMicrolectronics sind sowohl das italienische Finanzministerium als auch die französische Entwicklungsbank beteiligt.

    Italien ist Partner der kürzlich ins Leben gerufenen europäischen Halbleiter-Allianz. Nach ursprünglicher Absage entschloss sich im Juli 2021 auch STMicroelectronics dazu, bei der Allianz mitzumachen. Das Unternehmen hatte anfänglich seine Teilnahme abgesagt, da es in der strategischen Richtung der Europäischen Union (EU) hin zu immer kleineren Mikrochips keinen Vorteil für sein Kerngeschäft, den 300mm-Wafer-Halbleitern für die Kfz-Industrie, sah. Später hat das Unternehmen dann aber offenbar dem politischen Druck nachgegeben. 

    750 Millionen Euro aus dem Recovery Fund 

    Im Aufbau- und Resilienzplan hat Italien 750 Millionen Euro für "Investitionen mit hohem Technologiegehalt" vorgesehen, womit offenbar die Halbleiterproduktion von STMicroelectronics in Sizilien gemeint ist, und speziell die Produktion von Siliziumkarbid sowie das Prototyping von Galliumnitrid. Da aber die Projekte des Aufbau- und Resilienzfonds keine gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßende Subventionen enthalten dürfen, gibt es hier noch Diskussionsbedarf mit der EU. Kritikpunkt von Italiens Seite ist es, dass mit zweierlei Maß gemessen werde. Während Italien STMicroelectronics nicht mit vergleichsweise geringen Summen fördern darf, erwäge die EU, US-Konkurrent Intel offenbar bis zu 8 Milliarden Euro als Anreiz für eine Halbleiterproduktion in Europa anzubieten. Dabei muss aber auch erwähnt werden, dass Italien selbst sich um eine Ansiedlung in Turin bewirbt und insofern nicht gegen Subventionierung ist, sondern sie eben auch für den bestehenden Hersteller freier verwenden möchte. In den vergangenen Jahren hatte STMicroelectronics für den Standort Catania bereits einen Zuschuss über  250 Millionen Euro der italienischen Investitionsförderagentur Invitalia erhalten. 

    Weitere EU-Fördergelder

    Als weitere Förderquelle steht der Fonds für strategische Projekte im Europäischen Interesse (IPCEI) zur Verfügung, der über das italienische Wirtschaftsministerium seit Anfang September zugänglich ist. Hier sind für den Sektor Mikroelektronik insgesamt rund 700 Millionen Euro verfügbar. Hauptadressat dürfte erneut STMicroelectronics sein, das bereits mit Mitteln aus der ersten IPCEI-Förderrunde einen Teil des neuen R3-Werks bei Monza finanzierte. Ebenfalls an der ersten Runde beteiligt war das Forschungsinstitut Fondazione Bruno Kessler aus Trient, das sich besonders mit Reinraumtechnik befasst. Forschungsgelder für Halbleiter und Mikroelektronik stehen zudem in den europäischen Fonds Horizon und dem InvestEU bereit. 

    Für Forschung und Entwicklung energieeffizienter Mikroprozessoren in Italien und Frankreich erhielt STMicroelectronics Anfang 2020 von der Europäischen Entwicklungsbank 500 Millionen Euro. Anfang Juni 2021 bekam der Konzern einen zusätzlichen Förderzuschuss für Forschung und Entwicklung von der italienischen Entwicklungsbank cdp über 150 Millionen Euro. 

    Im Rahmen des EU-geförderten Public-Private Partnerschaftsprogramms ECSEL (Electronics Components and Systems for European Leadership) nahmen in Italien angesiedelte Firmen an mehreren Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprojekten teil. Das aktuellste ist "MADEin4”, eine Kooperation von STMicroelectronics, Stellantis, dem zu Stellantis gehörenden Automatisierungszulieferer Comau, der Universität Politecnico di Torino sowie dem Forschungsinstitut CNR Istituto per la Microelettronica e Microsistemi. Das Vorhaben soll Investitionen von 18,7 Millionen Euro umfassen, davon 5,6 Millionen Euro durch das italienische Wirtschaftsministerium und 4 Millionen Euro aus europäischen Quellen.

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Rahmenbedingungen

    Halbleiter unterliegen diversen nationalen Bestimmungen zu Exportkontrollen.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht  sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung. 

    Durch das Information Technology Agreement (ITA) sind IKT-Produkte, Halbleiterprodukte inbegriffen, weitgehend zollfrei. Dem Abkommen sind 82 WTO-Mitglieder beigetreten, die für 97 Prozent des Welthandels mit diesen IKT-Produkten stehen.

    Informationen zu Exportkontrollen finden Sie bei den zuständigen Exportkontrollbehörden der Länder wie dem UAMA (Unit for the Authorizations of Armament Materials)

    Weitere Informationen zu Exportkontrollen bietet der Artikel Das Exportkontrollrecht im Überblick

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Italien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministero dell'Economia e delle Finanze

    Ministerium für Wirtschaft und Finanzen

    Ministero dello Sviluppo Economico

    Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung

    Confindustria 

    Generalverband der italienischen Industrie

    ANIE- Federazione Nazionale Imprese Elettrotecniche ed Elettroniche

    Nationaler Verband der Elektrotechnik- und Elektronikunternehmen

    ANIE Componenti Elettronici

    Verband der Hersteller elektronischer Komponenten

    UCIMU-Sistemi per produrre

    Verband italienischer Hersteller von Werkzeugmaschinen, Robotern, Automatisierungs- und Hilfsprodukten (NC, Werkzeuge, Komponenten, Zubehör)

    ANITEC-ASSINFORM

    Italienischer Verband für Informations- und Kommunikationstechnologie

    ASSODEL-Associazione distretti elettronica

    Verband der Elektronikbezirke in Italien

    ANDEC- Associazione Nazionale Importatori e Produttori di Elettronica Civile

    Verband der Importeure und Hersteller von ziviler Elektronik

    Coiltec

    International Coil Winding Expo & Conference, Pordenone Fiere- September 2022

    Firmware-magazine

    Fachzeitschrift

    Elettronica In

    Fachzeitschrift


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