Italien produziert neben Halbleitern auch Wafer, Verbundwerkstoffe, Reinräume, Equipment zur Bestückung der Siliziumscheiben sowie Prüfausrüstung.
Dominanter Branchenplayer in Italien ist STMicroelectronics, das 1987 aus der Fusion der italienischen SGS Microelettronica und der französischen Thomson Semiconducteur entstand. STMicroelectronics, an dem auch das italienische Finanzministerium Anteile hält, designt und produziert in Italien Halbleiter (Front End), unter anderem in größeren Fabs in Agrate Brianza bei Monza in der Lombardei sowie im sizilianischen Catania. Schwerpunkt sind analoge und Power-Halbleiter.
Designzentren befinden sich zudem in Casteletto, Settimo Milanese (Lombardei), Aosta, Arzano (Kampanien), Lecce und Palermo. In Italien beschäftigt das Unternehmen rund 10.600 Mitarbeiter. Back-End/Assembly hat der Konzern nach Malta, Marokko, Malaysia, China und auf die Philippinen verlagert. Ein Teil der Massenproduktion findet im Fab-Light-Ansatz im Werk Singapur statt.
Branchenriese beliefert Kfz-Industrie
STMicroelectronics ist einer der global führenden Anbieter von Halbleitern für die Kfz-Industrie, womit das Unternehmen rund 3 Milliarden Euro umsetzt. Etwa 70 Prozent der Produktion von STMicroelectronics von Kfz-Halbleitern findet in Italien statt, in Kürze ergänzt durch das neue Werk in Marokko.
Etwa 90 Prozent der Entwicklungsteams für den Halbleitereinsatz in Kfz von STMicroelectronics arbeitet in Italien. In Catania investiert das Unternehmen intensiv in den Einsatz von Siliziumkarbid als Rohstoff für zukünftige Wafers, wobei der neue Werkstoff die Energieeffizienz zwischen Motor und Batterie derart verbessert, dass letztlich die Autonomie des Fahrzeugs deutlich steigt. Bislang importiert der Konzern seinen Rohstoff vor allem aus Asien.
Strategische Partnerschaften besitzt STMicroelectronics unter anderem mit Tesla, Stellantis, VW, Hyundai, Bosch, Continental, Mercedes, Toyota und Porsche. In Deutschland werden Mikroprozessoren von STMicroelectronics sowohl in Massenfahrzeugen wie dem Golf (rund 750 Komponenten von ST) als auch in höherpreisigen Marktsegmenten wie der 7er-Serie des BMW verbaut (etwa 2.500 Komponenten von ST). Offenbar soll auch der Tesla 3 in Berlin weitgehend von STMicrolelectronics bestückt werden.
Weitere strategische Schwerpunkte des Konzerns sind die Industrie, Smart City und IoT. Infineon betreibt in Padua und Pavia zwei Forschungs- und Entwicklungszentren für Automotive und Industrial-Anwendungen, unter anderem zum Einsatz von Halbleitern in Haushaltsgeräten, in Fahrsicherheit-, Fahrzeugbeleuchtungs- und Fahrassistenzsystemen sowie zur Energiespar- und CO2-Reduktion in Kfz.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Halbleiterindustrie in Italien Akteur/Projekt | Investitionssumme in Euro oder US$ | Anmerkungen |
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STMicroelectronics/R3 300mm Fab in Agrate Brianza bei Mailand | 2 Mrd. US$ | Partnerschaft mit Tower Semiconductor, seit 2018 im Bau, Betriebsstart: 3. Quartal 2022, 15.100 Quadratmeter Reinraum, 8.000 Waferscheiben/Woche, erstmalige Produktion von 300mm-Wafer in Italien |
Intel/Leading Edge Fab in Turin | 10 Mrd. US$ | Entscheidung für einen oder mehrere Standorte in Europa soll bis Ende 2021 erfolgen, auch Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland sind im Rennen |
StMicroelectronics/EU-Recovery Fund in Catania | 750 Mio. Euro | Geplant, aber noch in der Diskussion, Entwicklung energieeffizienter Halbleiter, neue Verbundstoffe (Siliziumkarbid, Galliumnitrid) |
STMicroelectronics und Invitalia in Catania | 250 Mio. Euro | Läuft, Investitionen in neue Verbundstoffe |
LFoundry in Avezzano | 18 Mio. Euro | Für 2022 geplant, neue Produkte für die Kfz-Industrie |
Quelle: Recherche von GTAI
Vereinzelte Exzellenz bei Zulieferern
Des Weiteren sind in Italien einige spezialisierte Zulieferer tätig. Dazu zählt im Bereich der Waferproduktion das Unternehmen Memc, das in Meran monokristalline Ingots und in Novara Silizium-Wafers produziert. Mit einem Output von rund 5 Millionen Scheiben pro Jahr ist Memc, das zur taiwanischen Global Wafer-Gruppe gehört, Europas größter Produzent von 200mm-Wafers. Das Unternehmen will sich mit Blick auf die Kfz-Industrie künftig auch dem 300mm-Segment zuwenden.
PVA Italia produziert bei Vicenza Vakuumkammern für Siliziumkristalle (Czochralski und Floatzone-Prozess) sowie Kammern für die Plasmabehandlung von Wafers. Die Firma Meridionale Impianti (MI), mit Sitz bei Mailand und Produktion unter anderem bei Catania, ist einer der Weltmarktführer für Reinräume für die Halbleiterproduktion.
Der Industriegasproduzent Sapio aus Monza bietet technische Gase zur Halbleiterbeschichtung. Lpe, ein kleinerer Hersteller von Epitaxial-Reaktoren für die Produktion von Silizium-Wafers bei Mailand, veranlasste 2021 die italienische Regierung, erstmals von ihrem strategischen Vetorecht bei ausländischen Übernahmeversuchen Gebrauch zu machen.
Ein Hersteller von Bildsensoren und Halbleiter-Komponenten für den Automotive-Bereich ist LFoundry, ein Unternehmen aus Avezzano in der Region Abruzzen. Das Werk, ursprünglich von Texas Instruments gegründet, erlebte in seiner 30-jährigen Betriebszeit mehrere Eigentümerwechsel (Micron, SMIC, Jiangsu). Es war zwischenzeitlich auch in deutschem Besitz und hat laut Pressemeldungen noch immer 1.500 Beschäftigte. Zurzeit gehört LFoundry der chinesischen Wuxi Xichanweixin Semiconductors und beliefert Pressemeldungen zufolge als einzigen Kunden die US-Firma Onsemi (ON Semiconductors) mit CMOS-Sensoren.
Expertise besteht in Italien auch in der Prüfphase: Das Unternehmen Spea aus Volpiano bei Turin entwickelt automatisierte Testsysteme für MEMS. Technoprobe aus Mailand ist ein mehrfach preisgekrönter Produzent von Prüfkarten für Wafers.
Kunden in Industrie, Infrastruktur und Haushalten
Wichtigste Absatzbranche in Italien ist die Kfz-Industrie, wo sich die Knappheit am schnellsten bemerkbar machte. Großabnehmer von STMicroelectronics sind neben Stellantis auch viele Kfz-Zulieferer, darunter Magneti Marelli, Bosch, Bitron, Lear und Eldor. Im Mittelpunkt steht die schnell voranschreitende Elektrifizierung des Antriebs, aber auch die Entwicklung von Fahrassistenzsystemen und die zunehmende Kommunikation zwischen Fahrzeuge und Infrastruktur (V2X).
Autobahnbetreiber wie Autostrade per l'Italia und ASTM entwickeln Smart-Road-Technologie. Ähnliches gilt für Smart-City-Anwendungen, die zwar oft aus Asien stammen, auf politischen Druck aber oft in Italien produziert werden.
Nachfrager von Halbleitern in Italien sind auch die Hersteller von Ausrüstung für mehr Gebäudeenergieeffizienz und Smart Home-Equipment, ebenfalls ein Förderschwerpunkt der italienischen Regierung. Ähnliches gilt für den Ausbau von Mobilfunk- und 5G-Infrastruktur. Aber auch die Hersteller von Werkzeugmaschinen, Industrieautomatisierung/Robotik sind vom derzeitigen Engpass betroffen. Ihr Absatz war in Italien zuletzt deutlich angestiegen, nicht zuletzt wegen ausgiebiger Förderung von Industrie 4.0-Equipment. Leidtragende der Knappheit sind auch die Hersteller von Kühlschränken, Waschmaschinen, Geschirrspülern und Mikrowellen, die in Italien die Firmen Whirlpool, Electrolux und Candy Haier produzieren.
Von Oliver Döhne
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Mailand